12.09.2011
IG Kultur, 01.9.2011
Autor*in
Clemens Christl
Alternativen zum Verlust der Kulturpolitik #12:
Soziale Lage oder Wallfahren für Linke?
Die Artikelserie der IG Kultur Österreich stellt brennende Fragen an Bundesministerin Claudia Schmied: Alternativen zum Verlust in der Kulturpolitik.
Was haben Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenstatistik gemeinsam?
Sozialpolitik in der Kultur? Mangels aktiver Kulturpolitik ist das Soziale für Kreative derzeit hoch im Kurs sogar in Sonntagsreden. Upps, gibt es ja nicht, Frau Ministerin. Wenn es nach den Presseaussendungen geht, ist aber auch alles in Butter: Vernünftige Sozialversicherung für KünstlerInnen. Erledigt. Allgemeine Beratung: Done. Verbesserung der Bezugsmöglichkeiten von Arbeitslosengeld: Wird ja wohl schon ausbezahlt, wenn nur EineR fragt. Wie es der interimistische Sprecher Ihrer Partei für alles mögliche vor kurzem formulierte: Österreich ist für die Linke, aber auch für interessierte Bürgerliche bald ein Wallfahrtsort.
Die augenfällige Diskrepanz zwischen Text und Realität ist solcherart, dass Absicht zu unterstellen durchaus ansteht: Es ist alles gut. Nein, es ist immer schon alles gut gewesen aber noch verbesserbar. So sieht das Regierungsprogramm de facto aus. Ein besonders augenfälliges Beispiel sind die Veränderungen in der Arbeitsmarktpolitik, insbesondere gegenüber Kreativen. Ein kleiner historischer Abriss:
I.
In den 1990ern war ein selbstständiger Zuverdienst weder Hindernis noch überhaupt Thema: Solange ein Anspruch auf Arbeitslosengeld aus unselbstständiger Arbeit nachgewiesen werden konnte, gab es auch Arbeitslosengeld. Dass diese Konstruktion vor allem UnternehmerInnen bevorzugte, die sich selbst oder gegenseitig anstellten, war kein Thema. Erst als ein Künstler aufflog, der diese Lücke nutzte, wurde dieselbe unter großem Mediengetöse geschlossen: Fortan gab es Zuverdienstgrenzen, mehrfach modifiziert, bis 2007 die letzte große Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AlVG)-Novelle einen Schlussstrich zog: Eine Pflichtversicherung schließt die Möglichkeit des Arbeitslosengeldes aus. Damit wurde einer Reihe von Kunstschaffenden die Existenzsicherung entzogen, die schließlich in erwerbslosen Phasen zwischen tageweiser selbständiger (nicht nur unselbständiger) Tätigkeit auch von etwas leben müssen. In die Arbeitslosenversicherung einzahlen: Ja, aber in Anspruch nehmen können? Nix da!
II.
Anlässlich des parlamentarischen Begutachtungsverfahrens zur AlVG-Novelle 2007 teilte das BMUKK in Ihrem Namen, Frau Schmied, mit, dass zu den betreffenden Änderungen keine Bedenken bestehen." Obwohl klar war, dass neben verschiedenen anderen Änderungen insbesondere die KünstlerInnenbetreuung des AMS betreffend bereits intensiv urgierter Handlungsbedarf bestanden hat.
III.
Nachdem in der Folge schon die Novelle des Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetzes" (KSVFG) vollkommen nutzlos verpuffte (wenn auch Ihre Worte anders klingen: Diese Novelle verbessert die soziale Situation von Künstlerinnen und Künstlern mit niedrigem Einkommen.), stand das Thema AMS und KünstlerInnen relativ weit oben auf der Agenda zur Verbesserung der sozialen Lage der Kreativen. Das Resultat war analog der Absicht ernüchternd: Im Zuge des interministeriellen Arbeitsprozesses (auch IMAG) bekamen die Forderungen aus der Ecke der Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden das Siegel: Politisch derzeit nicht erwünscht. Zuguterletzt kam mit dem KSVSG dann doch noch ein Schritt in die richtige Richtung: Die prinzipielle Ermöglichung von Ruhendstellen der selbstständigen Tätigkeit zur Ermöglichung eines Einlösens des Anspruchs auf Arbeitlosengeld. Dies allerdings derzeit so eng gefasst, dass im ersten Halbjahr des Geltens nur rund 40 Personen im Sinne des Gesetzes davon Gebrauch machten ...
Die augenfällige Diskrepanz zwischen Text und Realität ist solcherart, dass Absicht zu unterstellen durchaus ansteht: Es ist alles gut. Nein, es ist immer schon alles gut gewesen aber noch verbesserbar. So sieht das Regierungsprogramm de facto aus. Ein besonders augenfälliges Beispiel sind die Veränderungen in der Arbeitsmarktpolitik, insbesondere gegenüber Kreativen. Ein kleiner historischer Abriss:
I.
In den 1990ern war ein selbstständiger Zuverdienst weder Hindernis noch überhaupt Thema: Solange ein Anspruch auf Arbeitslosengeld aus unselbstständiger Arbeit nachgewiesen werden konnte, gab es auch Arbeitslosengeld. Dass diese Konstruktion vor allem UnternehmerInnen bevorzugte, die sich selbst oder gegenseitig anstellten, war kein Thema. Erst als ein Künstler aufflog, der diese Lücke nutzte, wurde dieselbe unter großem Mediengetöse geschlossen: Fortan gab es Zuverdienstgrenzen, mehrfach modifiziert, bis 2007 die letzte große Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AlVG)-Novelle einen Schlussstrich zog: Eine Pflichtversicherung schließt die Möglichkeit des Arbeitslosengeldes aus. Damit wurde einer Reihe von Kunstschaffenden die Existenzsicherung entzogen, die schließlich in erwerbslosen Phasen zwischen tageweiser selbständiger (nicht nur unselbständiger) Tätigkeit auch von etwas leben müssen. In die Arbeitslosenversicherung einzahlen: Ja, aber in Anspruch nehmen können? Nix da!
II.
Anlässlich des parlamentarischen Begutachtungsverfahrens zur AlVG-Novelle 2007 teilte das BMUKK in Ihrem Namen, Frau Schmied, mit, dass zu den betreffenden Änderungen keine Bedenken bestehen." Obwohl klar war, dass neben verschiedenen anderen Änderungen insbesondere die KünstlerInnenbetreuung des AMS betreffend bereits intensiv urgierter Handlungsbedarf bestanden hat.
III.
Nachdem in der Folge schon die Novelle des Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetzes" (KSVFG) vollkommen nutzlos verpuffte (wenn auch Ihre Worte anders klingen: Diese Novelle verbessert die soziale Situation von Künstlerinnen und Künstlern mit niedrigem Einkommen.), stand das Thema AMS und KünstlerInnen relativ weit oben auf der Agenda zur Verbesserung der sozialen Lage der Kreativen. Das Resultat war analog der Absicht ernüchternd: Im Zuge des interministeriellen Arbeitsprozesses (auch IMAG) bekamen die Forderungen aus der Ecke der Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden das Siegel: Politisch derzeit nicht erwünscht. Zuguterletzt kam mit dem KSVSG dann doch noch ein Schritt in die richtige Richtung: Die prinzipielle Ermöglichung von Ruhendstellen der selbstständigen Tätigkeit zur Ermöglichung eines Einlösens des Anspruchs auf Arbeitlosengeld. Dies allerdings derzeit so eng gefasst, dass im ersten Halbjahr des Geltens nur rund 40 Personen im Sinne des Gesetzes davon Gebrauch machten ...
Bezeichnenderweise findet sich diese Gesetzesänderung in der Presseaussendung zum Kunstbericht 2010 nur mit Verbesserungen im Rechtsbereich, die soziale Lage von KünstlerInnen betreffend erwähnt. Tatsächlich ist erst ein sehr kleiner Schritt Richtung (Wieder-) Verknüpfung unterschiedlicher Erwerbsformen und dem AMS getan. Da sind noch einige Schritte zu tun, bevor überhaupt sinnvollerweise von Verbesserung gesprochen werden kann ganz abgesehen davon, dass das AlVG spätestens seit der Novelle 2007 im Widerspruch zu einem Zweck des AMS steht (festgeschrieben im AMS-Gesetz §29: die wirtschaftliche Existenz der Arbeitslosen zu sichern).
Hier geht's zur Beantwortung der Eingangsfrage: Was haben Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenstatistik gemeinsam? Letztere wird in der heute gängigen Form per Meinungsumfrage (Mikrozensus) erhoben. Erstere ist nach Meinung der Regierungsparteien geliefert. Versicherung intendiert hingegen eine ganz andere Bedeutung: Her mit einer Absicherung bei Einkommensausfall. Oder anders formuliert: Her mit einem bedingungslosen existenzsichernden Grundeinkommen! Nicht zuletzt gegen Willkür und Meinung der Regierenden gegenüber Erwerbslosen zu versichern.
Weiterführende Links:
Maßnahmenkatalog zur Verbesserung der Arbeitslosenversicherung
Maßnahmenkatalog zur Verbesserung der Arbeitslosenversicherung
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