11.11.2024
Buchdetails
Evaluation im Kulturbetrieb: Werteorientierung, Wirkungsmessung, Impact (Kunst- und Kulturmanagement)
von Gesa Birnkraut
Verlag: Springer VS
Seiten: 157
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Autor*in
Stefan Mehrens
geboren 1968 in Oldenburg, studierte Betriebswirtschaftslehre und Theaterwissenschaften an der Freien Universität Berlin sowie Business Coaching und Changemanagement an der Euro-FH Hamburg. Nach Stationen in unterschiedlicher Funktion am Renaissance-Theater Berlin, am Theater im Pumpenhaus Münster und dem tanzhaus nrw in Düsseldorf, übernahm er 2005 die Leitung die Bereiche Finanzen, Organisation und Controlling des Niedersächsischen Staatstheater Hannover. Im April 2011 zog es ihn als Verwaltungsdirektor zu den Salzburger Festspielen nach Österreich. Seit der Spielzeit 2016/2017 ist Stefan Mehrens Verwaltungsdirektor am Staatstheater Braunschweig. Ab der Spielzeit 2026/27 wird er als kaufmännischer Direktor zusammen mit der künstlerischen Direktorin Marie Rötzer das Theater in der Josefstadt in Wien leiten.
Buchrezension
Evaluation im Kulturbetrieb
Öffentliche Kulturbetriebe wollen (oder müssen) eine bestimmte Wirkung bei ihrem Publikum und der Gesellschaft erzielen. Evaluation kann ihnen dabei helfen, diese Wirkung transparent zu machen. Gesa Birnkraut zeigt, wie Evaluation eine nachhaltige Entwicklung und Existenzsicherung der Kulturbetriebe unterstützen kann. Die dritte Auflage von "Evaluation im Kulturbetrieb" bietet dafür einen aktualisierten Überblick über Trends und Entwicklungen auf diesem Gebiet sowie praxisnahe Instrumente und Methoden.
1. Inhalt
Gesa Birnkrauts "Evaluation im Kulturbetrieb" ist 2024 bei Springer VS in der dritten Auflage erschienen. Auf den 227 Seiten diskutiert Birnkraut das Thema in verschiedenen kulturinstitutionellen Zusammenhängen:
- In der Kulturpolitik, wo Evaluation dazu dient, den zweckmäßigen Einsatz von Fördermitteln zu überprüfen,
- in den Kulturbetrieben, wo Evaluation verstärkt eingesetzt wird, um als Organisation kollektiv zu lernen und sich zu entwickeln und
- in der Organisationsberatung, der es zunehmend gelingt, Evaluationsinstrumente aus anderen gemeinnützigen Organisationen in den Kulturbetrieben zu übertragen.
Das Buch öffnet mit einem theoretischen Teil, in dem Definitionen und Standards von Evaluation beschrieben werden. Danach beschäftigt es sich mit der Bedeutung von Evaluation in der Kulturförderung im internationalen Vergleich. Birnkraut geht dabei auch kritisch auf Entwicklungen etwa in den Niederlanden ein, wo die Evaluation von Kulturinstitutionen und deren Kopplung an die staatliche Förderung auch negative Effekte hatte. In der zweiten Hälfte des Buches stellt Birnkraut den Lesenden einen gut gefüllten Instrumentenkoffer für Evaluationsprojekte in Kulturbetrieben zur Verfügung, den sie schnell und einfach einsetzen können sollen. Ebenso formuliert sie Handlungsempfehlungen für Kulturinstitutionen und für die Kulturpolitik: Kulturbetriebe sollten das Instrument der Evaluation als Chance begreifen, sich selbst zu hinterfragen und sich auf dieser Grundlage weiterzuentwickeln. Für die Kulturpolitik kann Evaluation eine Chance sein, ihre eigenen kulturpolitischen Ziele nachhaltig umzusetzen.
2. Einordnung
13 Jahre nach der ersten Auflage stellt Birnkraut fest, dass auf der kulturpolitischen Ebene in Sachen Evaluation wenig geschehen sei: In der Projektförderung wird Evaluation weiterhin sehr unterschiedlich angewendet. In der institutionellen Förderung wird allgemein wenig evaluiert. Bei den Kulturbetrieben selbst beobachtet sie jedoch zunehmend eine Öffnung für verschiedene Formen der Evaluation. Das ist sicher eine Folge der Diskussion über die "Legitimierung" der öffentlichen Kulturbetriebe. In der Finanzierungskrise der öffentlichen Theater in den 1990er Jahren wurde vor allem über den effizienten Einsatz von Steuermitteln und über Verwaltungsreformen diskutiert, die Legitimation von öffentlichen Kultureinrichtungen aber nicht grundsätzlich in Frage gestellt. In der aktuellen Finanzierungskrise hingegen wird zunehmend nach dem Sinn öffentlich geförderter Kultureinrichtungen gefragt: Welchen Beitrag leistet Kultur für eine offene Gesellschaft? Erreicht sie die Bevölkerung noch in einem ausreichenden Maße? Diese Aspekte finden sich - ausgesprochen oder unausgesprochen - auch in anderen Themenfeldern der aktuellen Literatur, etwa in den Arbeiten von Birgit Mandel über "Cultural Governance" oder jüngst auch in Rainer Glaaps akribischer Zahlenarbeit zum "Publikumsschwund".
Eine zentrale Rolle in Birnkrauts Überlegungen spielt dabei das "Impact Value Chain"-Modell. Dieses bildet neben der Evaluation der eingesetzten Ressourcen (Input) und den mengenmäßig quantifizierbaren direkten Ergebnissen (Output) auch die Wirkung von Unternehmen und Organisationen auf die Gesellschaft ab. Auf den Kulturbetrieb bezogen, kann dies die Veränderung der einzelnen Besuchenden oder Nutzenden durch das Kulturerlebnis (Outcome) sein oder die Veränderung der Gesellschaft als Ganzes (Impact) durch den Kulturbetrieb als Teil einer "purpose-driven economy". Dabei kann der Impact von Kultur auf die Gesellschaft kaum bestritten werden. Kunst war immer ein Motor gesellschaftlicher Veränderung. Aber auch wenn diese Funktion "der Kultur" unbestritten ist, sollten die einzelnen Kulturinstitutionen ihren spezifischen Beitrag immer wieder transparent machen. Eine Evaluierung kann wichtige Argumente zu dieser Diskussion beitragen und damit helfen die Kulturbetriebe nachhaltig zu sichern.
In anderen Branchen ist man bereits weiter. Im Bildungswesen und im Sozialbereich zum Beispiel sind Evaluationen ein etabliertes Element der Qualitätssicherung. So ist es interessant, dass Gesa Birnkraut aus ihrer eigenen Erfahrung als Beraterin immer noch von Scheu und Hemmungen in Kulturbetrieben berichtet, wenn es um das Thema Evaluation geht. Die Scheu vor der Messung künstlerischer Qualität ist durchaus nachvollziehbar. Denn es gab immer wieder Ansätze die Förderung von Kultureinrichtungen von dem Ergebnis einer Evaluation seiner Qualität abhängig zu machen, zum Beispiel in den 1990er Jahren durch die sogenannte "Theaterreform-Kommission". Diese sollte die Effizienz und die künstlerische Qualität der Berliner Theater beurteilen und Empfehlungen zu deren finanzieller Unterstützung abgeben. Birnkraut beschäftigt sich deshalb auch mit Evaluierungsansätzen, die keine schwer messbare künstlerische Qualität beurteilen sollen, sondern die gesellschaftliche Wirkung von Kulturbetrieben. Dazu stellt sie unter anderem auch verschiedene (quantitative und qualitative) Kennzahlen und Kennzahlensysteme vor, die jenseits der ebenfalls kontrovers diskutierten Auslastungs- oder Eigenfinanzierungskennzahlen die Wirkung von Kulturbetrieben abbilden können. Als Bezugsrahmen schlägt sie branchenübergreifende Frameworks vor wie die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen oder Felbers Konzepte der Gemeinwohlökonomie.
Innerbetrieblich ist das Buch anschlussfähig an verschiedene betriebswirtschaftliche Instrumente, die in den letzten Jahren auch im Kulturbetrieb etabliert wurden. Risikomanagement, Nachhaltigkeitsprogramme oder Changemanagement sind ohne konkrete Maßnahmen zahnlos und ohne messbare Ziele, deren Erreichung auch evaluiert wird, richtungslos. Die Evaluation der Zielerreichung könnte helfen diese Programme dauerhaft in den Kulturbetrieben zu verankern und kontinuierlich zu verbessern.
3. Kritik
Im Vergleich zu den ersten beiden Auflagen hat Birnkraut die vorgestellten Evaluations-Instrumente aktualisiert und im Umfang noch einmal deutlich ausgeweitet. Wer aber auf den 227 Seiten eine umfassende Beschreibung aller theoretischen Aspekte von Evaluation im Kulturbetrieb erwartet, wird sicher enttäuscht sein. Das Buch ist weder eine wissenschaftliche Arbeit noch eine detaillierte Schritt-für-Schritt-Anleitung zur perfekten Evaluation. Es ist ein erster Überblick um sich mit dem Thema vertraut zu machen. Dabei bleiben naturgemäß viele Fragen offen.
Das Buch leistet dennoch einen sehr praxisorientierten Beitrag zu einem faktenorientierteren Management in Kulturbetrieben, denn nur durch Evaluierung kann man aus seinen Fehlern lernen und sich weiterentwickeln. Leider ist dieses Verständnis in vielen Kultureinrichtungen wenig ausgeprägt. "Gefühlte Fakten" werden allzu oft als Bestätigung für den eingeschlagenen Weg gesehen. Das Buch ist in dieser Hinsicht auch ein Plädoyer für mehr evidenzbasiertes Entscheiden, das nicht in einem Widerspruch mit dem künstlerischen Charakter der Organisation stehen muss.
Birnkraut behandelt aber auch die Herausforderungen und Widerstände, die auf diesem Weg in der Praxis auftreten können und gibt praxisnahe Lösungsansätze. Sie plädiert für eine Kultur der kontinuierlichen Reflexion und Verbesserung, bei der Evaluation nicht nur als abschließende Bewertung, sondern als integraler Bestandteil des gesamten Projekt- oder Spielzeitzyklus verstanden wird.
4. Empfehlung
Gesa Birnkraut aktualisiert in der dritten Auflage die Inhalte um neue Trends und Entwicklungen und bietet einige interessante Hinweise zur Implementierung von Evaluationsinstrumenten in die Praxis des modernen Kulturbetriebs. Es lohnt sich, sich näher mit dem Thema zu beschäftigen, wofür das Buch ein guter Einstieg ist.
Gleichzeitig ist das Buch in erster Linie das, was Birnkraut in ihrer Einleitung ankündigt: ein Überblick. Profis in der Kulturförderung oder im Management eines Kulturbetriebs, die spezielle Formen der Evaluation als Instrument der Zielkontrolle oder Wirkungsmessung einsetzen wollen, werden darüberhinausgehende Fachliteratur benötigen, in der die Methoden ausführlicher beschrieben werden. Es dürfte aber vor allem für Praktiker und Praktikerinnen nützlich sein, die Evaluierungen zum Beispiel in der Verstetigung von Transformationsprozessen zu einer kontinuierlichen Verbesserung einsetzen wollen. Dabei sind vor allem die zahlreichen praktischen Beispiele aus dem Kulturbetrieb hilfreich, die Birnkraut in die einzelnen Kapitel eingestreut hat.
Anm. d. Red.: Weitere Einblicke in Gesa Birnkrauts Ansatz erhalten Sie in Birnkrauts Beitrag in der 180. Ausgabe des KMN Magazins im Schwerpunkt "Kulturstatistik" ab Seite 92.
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