10.08.2020

Themenreihe Berufsbild

Autor*in

Hagen W. Lippe-Weißenfeld
ist Betriebswirt, Kulturmanager und leidenschaftlicher Netzwerker. Er ist Geschäftsführer der Meyer Architekten GmbH und Geschäftsführender Gesellschafter der Projektschmiede GmbH. Nach einer Banklehre, einem BWL- und Politik-Studium und einer Promotion in Politikwissenschaften war er in Führungspositionen in verschiedenen Kultureinrichtungen und kulturnahen Unternehmen tätig. Er spielt in seiner Freizeit Bratsche und Klavier und engagiert sich in vielfältigen ehrenamtlichen Kontexten.
Berufsbilder im Kulturbereich

Beratung und Entwicklung von Kulturimmobilien

Kulturimmobilien sind das Zuhause und der Rahmen für jede Form von Kultur - und eine vielversprechende Berufsoption. Immobilienmanager*innen beschäftigen sich dabei neben der Instandhaltung auch mit der inhaltlichen, ökonomischen und ökologischen Nutzung von Kulturgebäuden.

Themenreihe Berufsbild

Würden Sie uns Ihre wichtigsten beruflichen Stationen beschreiben? Welche haben Sie auf besondere Weise geprägt?
 
Hagen Lippe-Weißenfeld: Ich habe viele verschiedene berufliche Stationen im und außerhalb des Kulturbereichs durchlaufen und dabei gelernt, dass es weitgehend egal ist, in was für einer Art von Einrichtung ich tätig bin - die betriebswirtschaftlichen Prinzipien sind immer die gleichen. Prägender als die Stationen waren für mich deshalb die Menschen, mit denen ich zusammengearbeitet habe und die mir etwas zugetraut haben. 
 
Mein erster Chef, der Vorstandsvorsitzende der C. Bechstein Pianofortefabrik AG Berlin, hat mir am ersten Tag als Vorstandsassistent sein Lebensmotto mit auf den Weg gegeben: "Geht nicht, gibt’s nicht!" Das ist so einfach wie wirkungsvoll und ich habe die Haltung, die dieses Zitat ausdrückt, sehr verinnerlicht. In meinem zweiten Job als Vertriebs- und Marketingleiter der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin (KPM) hatte ich einen Chef, der sagte immer fröhlich grinsend: "Sie schaffen das schon!" und schaufelte mir gleichzeitig drei neue Projekte auf den Tisch. Er stachelte damit meine Motivation so an, dass ich immer Vollgas gegeben habe, auch weil ich unbedingt sein Vertrauen rechtfertigen wollte und es immens Spaß gemacht, er mein Tun voll unterstützt und mir Rückendeckung gegeben hat. 
 
Beeindruckt hat mich auch die Aussage einer Kollegin im Rahmen eines Bewerbungsgesprächs, als ich als Kaufmännischer Direktor und Vorstand der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen selbst Chef von 100 Mitarbeiter*innen war: "Beide Seiten müssen einander wollen!". Was sie damit meinte, war, dass man als Arbeitgeber*in nicht glauben sollte, die Bewerber*innen stünden Schlange, sondern sich in Demut üben, um die Besten der Besten proaktiv bemühen und um sie werben muss. Das habe ich sehr verinnerlicht. So haben mich konkrete Situationen, Begegnungen, Gespräche und wohlmeinende Ratschläge im Laufe der Jahre sehr geprägt, wofür ich heute mehr denn je dankbar bin.
 
Welche Aufgaben fallen in Ihren derzeitigen Tätigkeitsbereich? Wie sieht ein typischer Arbeitstag von Ihnen aus und was erfüllt Sie dabei mit besonderer Freude?
 
HLW: Ich tanze gemeinsam mit meinem Partner, dem Architekten Jan Hinnerk Meyer, beruflich auf zwei Hochzeiten gleichzeitig: Als kaufmännischer Geschäftsführer des Büros Meyer Architekten und zugleich als Geschäftsführender Gesellschafter der Kulturberatungsgesellschaft Projektschmiede. Beide Unternehmen sind eng miteinander verflochten. Mit dem Architekturbüro sind wir bundesweit tätig, bauen für Wissenschaft, Forschung, Bildung, Verwaltung und Kultur. Mit der Projektschmiede erweitern wir das Beratungsangebot über den Immobilienbereich heraus. Wir erstellen Machbarkeitsstudien für Kultureinrichtungen, beraten Kulturdezernent*innen, Kommunen, Führungspersonen großer Häuser oder Kulturmanager*innen.
 
Im Bereich Kultur sanieren wir vorwiegend Bestandsbauten und beraten Kommunen und Immobilienbetreiber*innen dazu, wie sie den ökologischen Fußabdruck ihrer Immobilie verbessern, ein Haus für die künstlerischen Belange optimieren und ökonomischer betreiben können. Da Kulturimmobilien städtebaulich und kulturpolitisch eine besondere Bedeutung zukommt, müssen wir bei der Konzeptentwicklung immer beachten, wie diese funktionieren müssen, um der Kunst optimal zu dienen, die Bedarfe einer Stadtgesellschaft abzubilden und als wandelbare hybride Gebäude den Stadtraum mitzugestalten. Das macht viel Freude, weil man Sichtbares schafft. 
 
Wenn man sich vor Augen führt, dass rund 80% der Kulturbauten in Deutschland sanierungsbedürftig sind, dann liegt hier eine riesige Aufgabe vor uns Kulturmanager*innen. Mit unserer Beratungsgesellschaft schieben wir deshalb zusammen mit Politik, Verwaltung und Stadtgesellschaften Diskussionsprozesse dazu an, wie die Kulturimmobilien der Zukunft aussehen sollen. Da ist unsere Arbeit stark von Moderation und Kommunikation geprägt. Zudem motivieren wir private Geldgeber*innen, sich finanziell zu engagieren, und werben im Gegenzug bei Kulturschaffenden, Politik und Verwaltung für gute "Deals", damit die Investor*innen neben allem "Social Impact" auch zu einer angemessenen Rendite kommen und sich eine "win-win-Situation" für alle Beteiligten ergibt. So haben wir zum Beispiel Bund, Land NRW und Stadt Düsseldorf überzeugt, das "Deutsche Fotoinstitut" als nationale Einrichtung zu errichten. Und wir treiben seit über 2 Jahren die dringend notwendige Diskussion zur Düsseldorfer Oper voran. 
 
Wir haben es also mit vielen verschiedenen Projekten zu tun. Keines ist wie das andere und alle sind hochkomplex und verlangen viel fachliche Kompetenz und Einfühlungsvermögen in die Belange der Bauherr*innen und Nutzer*innen. Wir sind ein bisschen wie die "Spinne im Netz", verbinden verschiedene Stakeholder immer nach dem gleichen Prinzip: Der eine hat Bedarfe, der andere das Geld und wir das Konzept. Mein Alltag ist daher reich gefüllt und enorm abwechslungsreich, nicht immer einfach und gleichzeitig von Geduld und Standhaftigkeit wie von neuen Ideen geprägt. 
 
Welche Aspekte Ihrer Ausbildung haben Ihnen bei Ihrer beruflichen Laufbahn am meisten geholfen?
 
HLW: Durch meine Banklehre konnte ich schnell eine Vertriebs- und Marketingader ausbilden. Nah an den Menschen zu sein, die Beratung an den Bedarfen der Kund*innen auszurichten und "Dienstleistung" als Segen und nicht als Fluch zu empfinden und Botschaften leicht verständlich zu verpacken, habe ich auf diese Weise schon mit Anfang Zwanzig gelernt - und das unterscheidet meine Einstellung von der, wie man sie in vielen großen Kultureinrichtungen findet. Im BWL-Studium habe ich mir das theoretische Rüstzeug für die spätere Unternehmensführung angeeignet. Gerade für eine Arbeit im Bereich Konzept- und Immobilienentwicklung benötigt man außerdem ein gesundes, realistisches Verhältnis zum Geld und auch da waren Banklehre und BWL-Studium sehr hilfreich. Als begeisterter Musiker verstehe ich zudem Künstler*innen und genieße ihr Vertrauen. So gelingt es mir, Kunst und Wirtschaft so zusammenzubringen, dass der Kunst Freiraum gegeben wird und dennoch die Kasse stimmt. 
 
Welche Bereiche haben Ihnen in Ihrer Ausbildung gefehlt und wie haben Sie diese Kompetenzen stattdessen erworben?
 
HLW: Um ehrlich zu sein: Fürs Leben lernt man erst im richtigen Beruf. Das können eine Ausbildung oder ein Studium nicht leisten. Wenn man wie ich dem Studium eine Lehre voranstellt, hat man aber immerhin schon mal eine Idee davon, wie die Praxis später aussehen könnte. In Bezug auf den Bereich der Konzept- und Immobilienentwicklung erfährt man im BWL-Studium nichts über die Zusammenhänge von Städtebau, Architektur und Kultur. Dabei sind alle drei Felder eng miteinander verwoben. Bei mir hat dieses Verständnis on the job stattgefunden. Das gilt auch für das Verständnis für die Positionen von Kommunen, Bauherr*innen oder Kulturpoliik. Das kann nur bedingt gelehrt werden, auch wenn Vorwissen in öffentlicher Verwaltung hier hilfreich ist. 
 
Wie hat sich Ihr Berufsbild in den letzten Jahren verändert? Und wie wird es sich voraussichtlich in den nächsten Jahren entwickeln?
 
HLW: In den verschiedenen Berufen, die ich bisher ausüben durfte, zählt die Digitalisierung wohl zu den größten Veränderungstreibern, die auch die nächsten Jahre bestimmen wird. Diesen gesamtgesellschaftlichen Transformationsprozess empfinde ich nicht als Bedrohung oder als Risiko, sondern als echte Chance, Immobilien intelligenter zu machen und administrative Abläufe zu optimieren, die immens viel Zeit schlucken und oft redundant sind, um am Ende bessere Stadt- und Lebensräume für uns Menschen zu schaffen. Diese Veränderungen meines Berufsbildes finde ich wunderbar, weil dadurch die Dynamik entsteht, die wir Architekt*innen und Immobilienentwickler*innen meines Erachtens brauchen, um uns erfolgreich, das heißt marktgerecht, weiterzuentwickeln. Ohne Dynamik, ohne Veränderung oder Disruption und ohne digitales Know-how sowohl in den eigenen Prozessen als auch in denen der Bauherr*innen während und nach dem Bau wird kein Unternehmen auf Dauer überleben - auch Architekt*innen, Planer*innen und Berater*innen nicht. Deshalb halte ich berufsbegleitende Weiterbildungen für wichtig, um immer up to date zu sein.
 
Gab es Situationen in Ihrer Karriere, in denen Sie das Gefühl hatten, das Ziel nicht mehr zu erreichen? Welchen Rat können Sie jungen Kulturmanager*innen in solchen Situationen mit auf den Weg geben?
 
HLW: Ich bin es eigentlich gewohnt, mir keine unrealistischen Ziele zu stecken. Dabei mag ich es schon sehr, wenn man Visionen hat, versuche aber, diese in überschaubare "Häppchen" zu gliedern, damit sie erreichbar werden. Zu hohe Ziele schaffen Frust, weil das Gefühl der Unerreichbarkeit überwiegt. Kleine Ziele zu erreichen hingegen motiviert ungemein dazu, sich danach auf das nächste Ziel zu stürzen. So vermeide ich Negativgefühle und konzentriere mich immer voll auf das Positive und die nächste Etappe, ohne das große Ganze - die Vision - aus dem Auge zu verlieren. 
 
Am Anfang unserer Beratungstätigkeit hatten wir mal so einen Punkt, an dem wir dachten, dass wir nicht den Erfolg erzielen werden, den wir uns vorgestellt hatten. Die Kunden haben unser Geschäftsmodell des "Social Impact" nicht so recht verstanden, weil den Investoren Kulturschaffende fremd waren und andersherum. Wir haben dann schnell gemerkt, dass unser Alleinstellungsmerkmal die Qualität sein kann, Brücken zwischen diesen zwei Welten zu bauen, die ich selbst in mir vereine. Als uns das klar wurde, haben wir unser Angebot und unsere Kommunikation neu ausgerichtet - mit Erfolg. Diese Selbstevaluation und Selbstreflektion machen wir seitdem regelmäßig, um uns stetig zu verbessern. Ich möchte deshalb jeder*m Mut machen, sich immer wieder neu zu erfinden, offen zu sein für neue Bedarfe und Veränderungen am Markt, proaktiv voranzugehen, sich also unternehmerisch zu verhalten, auch mal etwas zu riskieren und dabei ein gesundes Selbstbewusstsein an den Tag zu legen. 
 

Unterstützungsabos


Mit unseren Unterstützungsabos unterstützen Sie unsere Redaktion mit einem festen Betrag pro Monat – und damit alle unsere kostenfreien Inhalte, also unser Magazin, unseren Podcast, die Beiträge und die Informationen zu Büchern, Veranstaltungen oder Studiengängen auf unserer Website. 

5€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 5€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 5,00 EUR / 1 Monat(e)*

15€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 15€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 15,00 EUR / 1 Monat(e)*

25€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 25€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 25,00 EUR / 1 Monat(e)*
* Alle Preise sind inkl. der gesetzl. Mehrwertsteuer, zzgl. evtl. anfallenden Gebühren
Kommentare (0)
Zu diesem Beitrag sind noch keine Kommentare vorhanden.

Unterstützungsabos

Mit einem Unterstützungsabo unterstützen Sie die kostenfreien Inhalte unserer Redaktion mit einem festen Betrag pro Monat – also unser Magazin, unseren Podcast, die Beiträge und die Informationen zu Büchern, Veranstaltungen oder Studiengängen auf unserer Website. 

5€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 5€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 5,00 EUR / 1 Monat(e)*

15€-Unterstützungsabo Redaktion

25€-Unterstützungsabo Redaktion

* Alle Preise sind inkl. der gesetzl. Mehrwertsteuer, zzgl. evtl. anfallenden Gebühren
Cookie-Einstellungen
Wir setzen auf unserer Website Cookies ein. Einige von ihnen sind notwendig (z.B. für den Stellenmarkt), während andere uns helfen, unsere Angebote (Redaktion, Magazin) zu verbessern und wirtschaftlich zu betreiben. Einige Angebote können nur genutzt werden, wenn Cookies gesetzt wurden.
Sie können die nicht notwendigen Cookies akzeptieren oder per Klick auf die graue Schaltfläche ablehnen. Nähere Hinweise erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Ich akzeptiere
nur notwendige Cookies akzeptieren
Impressum/Kontakt | AGB