27.01.2020

Themenreihe Berufsbild

Autor*in

Andreas Feddersen
studierte Mediengestaltung, Romanistik und Musikwissenschaft. Er ist Kurator, Filmemacher sowie Geschäftsführer und kreativer Kopf der Ausstellungsagentur musealis GmbH. Für die Herausforderungen in der musealen Vermittlung greift er auf umfangreiche PR- und Medien Erfahrungen zurück. Bei der Projektumsetzung verantwortet er die inhaltliche, künstlerische und technische Konzeption sowie den Produktionsprozess der Bild- und Tonprodukte.
Berufsbilder im Kulturbereich

Freier Kurator und Projektentwickler

Eine stetig wachsende Zahl an Unternehmen und Freelancern unterstützt und ergänzt die Hochkultur bei der Kulturproduktion auch in klassischen Aufgabenbereichen wie der Planung und Umsetzung von Ausstellungen. Wie der Berufsalltag als freier Kurator und Projektentwickler aussieht, beschreibt Andreas Feddersen, Gründer und Geschäftsführer der Ausstellungsagentur musealis.

Themenreihe Berufsbild

Lieber Andreas, würdest du uns deine wichtigsten beruflichen Stationen beschreiben? Welche haben dich auf besondere Weise geprägt?
 
Drei berufliche Stationen fallen mir hier sofort ein. Im Jahr 2000 habe ich aus Perspektive der Öffentlichkeitsarbeit in dem VW-Themenpark Autostadt gelernt, wie die - damals technologisch sehr aufwendige - Inszenierung von Markenwelten für ein breites Publikum mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen funktioniert. 2004 habe ich im Rahmen meines ersten Start-Ups erleben dürfen, dass man viele Anfängerfehler leider nicht überspringen kann, sondern selbst machen muss. Und 2019 habe ich beim Kuratieren der Dauerausstellung für das Haus der Weimarer Republik gelernt, dass es die spannendste Herausforderung ist, in Aufgaben als Mensch zu wachsen. In wohl keinem Projekt vorher konnte ich mich auf vergleichbare Weise weiterentwickeln. Zum ersten Mal machten viele - auch negative - Erfahrungen, die ich in den Jahren zuvor gesammelt hatte, einen übergeordneten Sinn. Das war auf alle Fälle den Stress wert!
 
Welche Aufgaben fallen in deinen derzeitigen Tätigkeitsbereich? Welche erfüllen dich dabei mit besonderer Freude?
 
Zu meinen Aufgaben zählen das Entwickeln neuer Projekte; die Konzeption und Umsetzung von Ausstellungen, interaktiven Spielen, Audiowalks oder auch Filmprojekten; das Marketing neuer Projekte und deren Präsentation; aber auch die zuweilen sehr kleinteilige Koordination und Administration von Projekten, Abrechnungen, Projektzeitpläne, Mitarbeiterplanung usw. Letzteres nimmt dabei einen recht großen Raum ein. Besondere Freude macht mir immer wieder der Beginn eines Projektes bis zu jenem Punkt, an dem es von selbst "laufen lernt": die Phase, in der die ersten Ideen und Gestaltungsansätze skizziert werden, die manchmal zunächst abwegig klingen, aber es gerade deshalb nicht selten schaffen, doch umgesetzt zu werden. Die Bedeutung dieser ersten Phase kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, weshalb ich dazu rate, die Ideen der Anfangsphase allesamt zu notieren, so unstrukturiert sie zunächst auch erscheinen mögen. Relativ früh beginne ich im Kopf dabei, mir ein Team vorzustellen, das das Projekt mit seinen verschiedenen Gewerken am besten realisieren kann. Ich erfreue mich immer wieder daran, wie wir voneinander lernen, da wir aus unterschiedlichsten Disziplinen kommen: Bei uns arbeiten Historiker, Filmemacher, Soundexperten und Ausstellungsmacher eng zusammen. Für alles, was wir nicht In-House anbieten können, beauftrage ich über Werkverträge Partner, mit denen ich oftmals schon seit Jahren zusammenarbeite. 
 
Welche Aspekte deiner Ausbildung haben dir bei deiner beruflichen Laufbahn am meisten geholfen?
 
Für mich war es sehr hilfreich, zwei sehr unterschiedliche Fachrichtungen studiert zu haben. Das erste Studium - mit den Fächern Romanistik und Musikwissenschaft - hat mir wissenschaftlich-analytisches Denken vermittelt, das zweite Medienkunst/ Mediengestaltung den Mut, kreative Ideen und Projekte in Teams zu entwickeln und umzusetzen. Beide Welten helfen mir heute tagtäglich in den Projekten von musealis. Dank meines zweiten Studiums kann ich heute eng in multimedial aufgestellten Teams arbeiten, eine gestalterische Position entwickeln und auch verteidigen. Dinge in simultan-vernetzten Prozessen zu sehen und mir bei der Umsetzung jedes Projektes immer auch den Besucher oder Nutzer vorzustellen, hat sich in den Projekten aus diesem Studium ergeben und hilft mir heute beim Kuratieren von Ausstellungen.
 
Welche Bereiche haben dir in deiner Ausbildung gefehlt und wie hast du diese Kompetenzen stattdessen erworben?
 
Ich bin Kulturunternehmer. Dafür ist das Denken in persönlichen Geschäftsmodellen, wie es beispielsweise Business Model You propagiert, zentral, bislang aber kaum Thema an Universitäten. Stattdessen ist das Bewusstsein für die eigenen Stärken bei Abgängern zu stark davon gesteuert, in welchen Studienfächern sie wie benotet wurden, und nicht davon, dass man sein eigenes Geschäftsmodell aufgrund der tatsächlichen eigenen Neigungen und Fähigkeiten definieren könnte und sollte. Das ist schade, denn es wäre doch wünschenswert, die größte Schnittmenge der eigenen Interessen in einem Beruf zusammenzubringen. Stattdessen haben viele Studienabgänger, die sich auf Jobsuche begeben, die Denkweise "Hoffentlich nehmen die mich" und sind sich ihres eigenen Marktwertes als Berufsanfänger zu wenig bewusst. Ich hoffe sehr, dass sich Universitäten in Praxisseminaren mehr der "Employability" widmen, also der Einsetzbarkeit im Beruf und der Fähigkeit, im späteren Arbeitsmarkt zu bestehen.
 
Neben dem unternehmerischen Denken gibt es noch einen zweiten Punkt, der für meine Arbeit heute sehr wichtig ist, den ich aber im Studium nicht gelernt habe: Zwar hat mir mein Studium geholfen, multimediale Inhalte einer Ausstellung zu denken und produzieren. Aber wie man Ausstellungen kuratiert und wie dabei interaktive Medien in einen Dialog mit Ausstellungsinhalten treten können, so dass sich die Besucher selbstbestimmt - und nicht durch einen medialen Overkill ferngesteuert - durch Ausstellungen bewegen und dabei die Medienangebote ihren Interessen und Neigungen entsprechend nutzen können - das habe ich mir im Laufe der Jahre selbst beigebracht. 
 
Wie hat sich dein Berufsbild in den letzten Jahren verändert? Und wie wird es sich voraussichtlich in den nächsten Jahren entwickeln?
 
Ich habe das Gefühl, dass der Arbeitsmarkt für freie Kuratoren enger geworden ist. Es gibt immer mehr Museen, immer mehr Ausstellungen und gefühlt immer mehr Kuratoren, die auf den Markt drängen. Das ist auch der Grund dafür, dass ich mich mit meiner Firma so aufgestellt habe, dass wir uns neuen Situationen am Markt anpassen können. Aus der Tatsache, dass 35 % der Deutschen nie ins Museum gehen, haben wir beispielsweise ein Geschäftsmodell entwickelt, das unsere Expertise als Ausstellungsagentur dennoch zum Einsatz bringt: Eine vermietbare Wanderausstellung in Multimedia-Kuben, die Besuchern von Einkaufszentren, Großbahnhöfen etc. ermöglicht, spannende Ausstellungserlebnisse auch außerhalb von Museen zu haben. Bislang kam sie schon an über 40 Orten zum Einsatz.
 
Erfreulich finde ich, dass die digitalen Medien "erwachsen geworden" sind und ihr Einsatz in Ausstellungen inzwischen von allen mir bekannten Kuratoren selbstverständlich mitgedacht wird - oftmals in intelligenten medialen Aufarbeitungen der Ausstellungsthemen. Damit meine ich beispielsweise gut gemachte spielerische Ansätze oder Medienstationen, die verschiedene Vertiefungsoptionen bieten, um besser auf die heterogenen Besucher eingehen zu können. Dennoch sollte der Einsatz elektronischer Medien die klassischen Vermittlungstechniken nicht dominieren. Hier gute Mittelwege zu finden und zugleich die Potenziale immer neuer technischer Möglichkeiten einzubeziehen, ist sicher eine dauerhafte Aufgabe für Kuratoren heute und in Zukunft. 
 
Gab es Situationen in deiner Karriere, in denen du das Gefühl hattest, das Ziel nicht mehr zu erreichen? Welchen Rat kannst du jungen Kulturmanagern in solchen Situationen mit auf den Weg geben?
 
Solche Situationen gibt es immer wieder, nur der Umgang damit hat sich in den letzten Jahren entspannt. Ich bin mittlerweile der Überzeugung, dass man sein Ziel immer erreichen kann, nur dass der Weg dorthin manchmal über Umwege geht. Damit meine ich nicht, dass starke Ideen ganz opportunistisch aufgeweicht werden sollten, damit sie der Agenda bzw. Gedankenwelt eines Fördergeldgebers entsprechen. Es ist mindestens genauso wichtig, eine Flexibilität in den Lösungsansätzen zu entwickeln. Es gibt immer wieder Situationen, in denen es an einer bestimmten Stelle nicht weitergeht. Umso wichtiger ist es dann, nicht einzuknicken, sondern erst recht mit dergleichen Intensität an dem eigenen Vorhaben dranzubleiben. Als Agentur profitieren wir von Ausschreibungen und der deutschen Fördergeldlandschaft, sind aber zugleich davon abhängig. So ist es durchaus schon passiert, dass ein abgelehntes Projekt von einem anderen Fördergeldgeber bewilligt wurde. Somit kann ich bisher nicht behaupten, dass irgendeine verpasste Chance einmalig gewesen wäre. Kurzum, ein Urvertrauen in die Qualität der eigenen Ideen, gepaart mit einem flexiblen Beharren zahlt sich immer aus!
 
 

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