18.11.2019

Themenreihe Berufsbild

Autor*in

Daniela Rockstuhl
ist Diplom-Kulturwissenschaftlerin und Spiel- & Theaterpädagogin. Sie arbeitet seit 2006 hauptamtlich im art der stadt e.V. in Gotha, den sie bereits in ihrer Schulzeit mitgegründet hat. Sie arbeitet vor allen in den Bereichen Schauspiel, Tanz, Regie, Theaterpädagogik, künstlerische Leitung und Veranstaltungsorganisation
Berufsbilder im Kulturbereich

Leitung eines Kulturvereins

Kulturvereine sind ein wichtiger Teil der kulturellen Infrastruktur. Sie werden oft professionell geführt, sind unabhängig von großen Kultureinrichtungen und bieten den Menschen die Möglichkeit, an verschiedenen Formen von Kunst teilzuhaben. Welche Rolle das Kulturmanagement dabei spielt, berichtet Daniela Rockstuhl, Mitbegründerin und Projektmanagerin der soziokulturellen Plattform "art der stadt" Gotha.

Themenreihe Berufsbild

Würden Sie uns Ihre wichtigsten beruflichen Stationen beschreiben? Welche haben Sie auf besondere Weise geprägt?
 
Meine künstlerische Laufbahn und Leidenschaft begann bereits mit 12 Jahren als schüchterne Schauspielerin in einer Theatergruppe an meiner Schule. Da mir das Schultheater nicht reichte, fuhr ich 1992 in den Sommerferien in ein Theaterferienlager und lernte dort einige der Menschen kennen, die mich bis heute begleiten und künstlerisch prägen. Gemeinsam bauten wir Stück für Stück den art der stadt e.v., damals noch der Theater e.V., auf. Ich gründete dort zusammen mit anderen verschiedene Theater- und Tanzgruppen, engagierte mich im Vorstand, organisierte kulturelle Veranstaltungen und war Mädchen für alles, denn auch der Einlass, die Organisation der Bar, Kulissenauf- und -abbau oder die Reinigung der Toiletten gehörten dazu. Nach dem Abitur kam jedoch die große Frage, was nun? Ursprünglich wollte ich mein Hobby, das Theater, nicht zu meinem Beruf machen, sondern Steinbildhauerin oder Restauratorin werden. Leider hat das nicht geklappt und so begab ich mich doch auf den Weg in die Theater- und Medienwelt. Ich studierte zuerst Kultur-, Theater- und Medienwissenschaften in Leipzig, wechselte dann aber nach Weimar zu Medienkultur. Danach kam wieder die große Frage "und nun?" Was tun mit diesem Studium ohne wirkliche Berufspraxis? Ich kellnerte, spielte und lebte erst einmal. 
 
2006 bekam ich im art der stadt e.v. eine Stelle als theaterpädagogische Leiterin des im Aufbau begriffenen Amateurtheaterensembles "theater der stadt". Ich begann zusammen mit drei weiteren Kolleg*innen und dem damaligen Vorstand, neue Strukturen zu etablieren, Kurse im Bereich Darstellende Kunst, Tanz und Zirkus aufzubauen, Veranstaltungen zu organisieren und größere Produktionen zu realisieren. Vorher gab es höchstens zwei Inszenierungen pro Jahr, seit 2006 haben wir 4 bis 5 Neuinszenierungen pro Jahr. Ich war und bin in diesem Zusammenhang vor allem für die Zielgruppe bis 12 Jahre zuständig. 
 
2007-2008 absolvierte ich noch eine berufsbegleitende Ausbildung zur Spiel- und Theaterpädagogin. 2010 übernahm ich von einem Kollegen die Stelle der Projektmanagerin, die über das Land Thüringen und die Stadt Gotha finanziert wird, und übernehme damit bis heute die Verantwortung vor allem für künstlerische, geschäftsführende, aber auch theaterpädagogische Belange des Vereines. 
 
Welche Aufgaben fallen in Ihren derzeitigen Tätigkeitsbereich? Wie sieht ein typischer Arbeitstag von Ihnen aus was erfüllt Sie dabei mit besonderer Freude?
 
Mein Tätigkeitsbereich ist seit vielen Jahren sehr vielfältig und nicht in klar zu trennende Aufgabenfelder zu untergliedern. Ich bin bis heute Projektmanagerin, Schauspielerin, Regisseurin, Theaterpädagogin, Kassenfrau, Barfliege und Reinigungskraft in einem. Daher ist jeder Tag anders und nicht routiniert. Oft vermengt sich hauptamtliche und ehrenamtliche Arbeit, so das leicht 80 Stunden in der Woche herausgekommen sind. Heute sind es nicht mehr ganz so viele, da ich nun die Verantwortung für einen kleinen Menschen habe, der mein Arbeitsleben stark verändert hat.
 
Ein typischer Tagesablauf verläuft aber meistens wie folgt: Ab 8.00 Uhr beginne ich mit der klassischen Büroarbeit: Emails, Telefonate und Termine, Absprachen und Aufgaben mit den Kolleg*innen und Bundesfreiwilligen erarbeiten und durchgehen, Förderanträge schreiben oder entsprechende Zuarbeiten erstellen, Kosten kalkulieren bzw. bei der Verwaltung abrechnen, Einarbeitung neuer Mitarbeiter*innen und Netzwerkarbeit - auch als Vorstandsmitglied in zwei weiteren Vereinen. Im späteren Verlauf des Tages kommen Sitzungen in den einzelnen Arbeitsgruppen dazu (insgesamt sind es pro Woche vier bis fünf Treffen in den verschiedenen Bereichen der Vereinsarbeit). Am Nachmittag habe ich zweimal die Woche Theaterwerkstätten für Kinder und Jugendliche, hinzu kommen zwei Kooperationen, bei denen ich Theater- und Tanzkurse gebe. Ich spiele selbst in drei Kinderstücken und gehe damit immer wieder auf Tour.
 
Außerdem kümmere ich mich wöchentlich um die Umsetzung der Veranstaltungen in unserer neuen Spielstätte "fundament". Dies geschieht im Laufe des Tages bis spät in den Abend hinein und an den Wochenenden. Hierzu zählen Aufgaben wie die Planung der bevorstehenden Veranstaltungen und Projekte, die Neuplanung von Projekten oder Kooperationen, die Kommunikation mit den Künstler*innen, Pädagog*innen und Techniker*innen vor Ort, der Kartenverkauf, die Zuarbeit für die Werbung, die Einteilung des Abendpersonals, Einkauf für die Versorgung, ein- bis zweimal im Monat die Abendspielleitung etc.
 
Generell macht mir alles Spaß, aber der direkte Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen macht mir am meisten Freude. Auf den Bürokratiekram und das Zahlenchaos bei Förderungen oder Projektkonzeptionierungen könnte ich jedoch gern verzichten. 
 
Welche Aspekte Ihrer Ausbildung haben Ihnen bei Ihrer beruflichen Laufbahn am meisten geholfen? 
 
Das ist schwer zu beantworten, da mich eigentlich meine ehrenamtliche Laufbahn vorangetrieben hat, weniger das Studium. Als Autodidakt habe ich mir viel selbst beigebracht. Das Theaterstudium in Leipzig brachte mir allerdings einen guten Einblick in das moderne Theater jener Zeit. In Weimar ergaben sich durch das verstärkte praktische Arbeiten in verschiedenen Bereichen vor allem Kontakte und neue Anregungen. Für meine heutige Tätigkeit helfen mir Management- und Marketinggrundlagen, obwohl das nie meine Lieblingsfächer waren. 
 
Welche Bereiche haben Ihnen in Ihrer Ausbildung gefehlt und wie haben Sie diese Kompetenzen stattdessen erworben?
 
Da beide Studiengänge damals sehr theoretisch und wissenschaftlich angelegt waren, musste ich mir alle praktischen Erfahrungen, die ich heute im Alltag brauche, durch die Arbeit im Verein bzw. durch zusätzliche Weiterbildungen aneignen. Ich habe bis heute Wissenslücken vor allem in Marketing und Management bzw. Verwaltung. Auch im theaterpädagogischen Bereich erwarb ich über eine zusätzliche Ausbildung und die wöchentliche Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mehr und mehr eine gewissen Kompetenz. Bis heute versuche ich mich immer wieder durch Weiterbildungen, Seminare, neue Herausforderungen voranzubringen. 
 
Wie hat sich Ihr Berufsbild in den letzten Jahren verändert? Und wie wird es sich voraussichtlich in den nächsten Jahren entwickeln?
 
Mein Berufsbild hat sich in den letzten Jahren immer stärker hin zur künstlerischen und geschäftsführenden Leitung verschoben, weg von den ursprünglichen theaterpädagogischen und künstlerischen Tätigkeitsfeldern wie Kursen, Schuljugendarbeit oder Projekten. Habe ich 2006 noch neun Kurse in den Bereichen Theater, Tanz und Zirkus gegeben, sind es heute nur noch drei. Aber dadurch hat sich meine Arbeitszeit nicht verkürzt, nein, sie reicht nach wie vor vorn und hinten nicht, und ist nur mit viel Ehrenamt, Leidenschaft und viel Enthusiasmus aufzufangen. Mit dem Aufbau der neuen Spielstätte fundament im Kulturhaus Gotha wird sich mein Berufsbild noch einmal stark verändern hin zur künstlerischen und organisatorischen Leitung mit Erarbeitung eines festen Ensembles und Spielplanes. Viele Jahre war der art der stadt e.v. ein Wandertheater, nun hat er zum ersten Mal wirklich eine dauerhafte Spielstätte. 
 
Gab es Situationen in Ihrer Karriere, in denen Sie das Gefühl hatten, das Ziel nicht mehr zu erreichen? Welchen Rat können Sie jungen KulturmanagerInnen in solchen Situationen mit auf den Weg geben?
 
Oh ja, die gab es sehr oft vor allem aus finanziellen Gründen, aber auch aus künstlerischen und privaten. Es gab immer wieder Situationen, die mich erdrückten und zum Grübeln brachten und in denen ich glaubte, alles bricht zusammen - etwa weil Förderungen nicht genehmigt wurden oder Teilnehmer*innen ausblieben, meine Ideen nicht angenommen wurden, weil es zwischenmenschlich nicht funktionierte und starke Charaktere zusammenprallten, weil ein künstlerisches Tief zur Lawine wurde, die Gesundheit dem Stress nicht mehr standhielt, neue Mitarbeiter*innen plötzlich Privates und Berufliches trennen konnten, weil sie nicht in dem Verein groß geworden sind, weil Altes zur Last und Neues nicht greifbar bzw. insgesamt alles zu viel wurde und die Ziele nicht mehr allen klar waren, weil Inhalte dem Geschäftlichen weichen mussten usw. 
 
Einen wirklich guten Rat kann ich nicht mitgeben, denn mein Berufsleben war immer stressig, aber für mich war es immer mein Leben. Für mich war es wichtig, nicht aufzugeben, sondern dran zu bleiben, durchzuhalten, Veränderungen als neue Wege zu sehen, die Menschen so anzunehmen wie sie sind und nicht immer alles persönlich zu nehmen. 
 

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