07.11.2016

Buchdetails

Handbuch Kunst-Unternehmens-Kooperationen
von Carsten Baumgarth, Berit Sandberg
Verlag: transcript
Seiten: 300
 

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Autor*in

Tobias Rapp
Tobias Rapp studierte Theaterpädagogik und Inszenierung der Künste und der Medien in Lingen (Ems) und Hildesheim. Er ist als Bildungsreferent für den Jugend-Medienverband Jugendpresse Baden-Württemberg e.V. sowie als freischaffender Theater- und Kulturpädagoge in Stuttgart tätig.
Buchrezension

Handbuch Kunst-Unternehmens-Kooperationen

Kooperationen zwischen Kunst und Wirtschaft sind immer wieder ein beliebter Forschungsgegenstand. Wie andere Publikationen der vergangenen Jahre zeigt das Handbuch Kunst-Unternehmens-Kooperationen auf, dass solche Kollaborationen als Triebkraft für Innovationsprozesse, Personalmanagement und Organisationsentwicklung dienen können. Neben dem Status quo bietet es für KulturmanagerInnen vor allem einen Einblick in organisatorische Aspekte und künftige Potentiale.
 
Das HerausgeberInnenwerk von Berit Sandberg und Carsten Baumgarth erschien im Februar 2016 vor dem Hintergrund des Berliner Forschungsprojekts Arts Push Business, das zwei Jahre lang Potentiale und Wirkungskraft von Kunst für Unternehmen untersuchte und beschreibt, welche künstlerischen Techniken, Arbeits- und Denkweisen sowie künstlerische Produkte [] Unternehmen in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Organisations- und Personalentwicklung, Unternehmenskommunikation, Markenführung und Marketing effektiv einsetzen (arts-push-business.de) können. Mit Blick auf das Stichwort Kooperation stellt das Forschungsteam damit der Annahme, lediglich Wirtschaft fördere Kunst im Sinne des Kunstsponsorings, die These entgegen, dass auch Kunst sehr wohl einen wesentlichen Nutzen für Unternehmen bereithalte.
 
Dass das Thema derzeit soviel Aufwind bekommt, scheint nicht verwunderlich zu sein. Wer für die zunehmende Komplexität der Welt auch im Kontext von Arbeit und Organisation passende Lösungswege bereithalten will, kommt nicht herum, entsprechende Gestaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten zu entwickeln, um Veränderungsprozesse mit Kreativität und Risikobereitschaft zu managen.
 
Arten und Hürden von KuKs
 
Sandberg und Baumgarth haben in ihrem Handbuch hierfür 28 Beiträge auf knapp über 450 Seiten zusammengetragen, die zum einen Anreiz für Kooperationen zwischen Kreativwirtschaft und kunstfernen Unternehmen und zum anderen Handreichungen für diejenigen geben sollen, die diese zu managen versuchen. In fünf Teilen beschreibt das Handbuch die unterschiedlichen Spielarten solcher Kooperationen, die im Rahmen des Projektes Arts Push Business als beidseitig intendierte Zusammenarbeit zwischen KünstlerInnen und Unternehmen verstanden wurde. Hierfür werden gemeinsame oder jeweils eigene Ziele, die durch die Zusammenarbeit besser erreicht werden können, definiert, passende kunstbasierte Maßnahmen entwickelt und gegebenenfalls zielführende Evaluationsmethoden ausgewählt.
 
Das Buch stellt mehrere real durchgeführte KUK-Projekte vor und berichtet von Beziehungen und Barrieren bei der Anbahnung, von Erfolgsgeschichten aus der Praxis, aber auch von massiven empirischen Forschungslücken, denen das Handbuch als erstes seiner Art zu Leibe rücken soll. Insbesondere zu den Phasen der Projekt-Initiierung und Auswertung zustande gekommener Kooperationen liegen im Vergleich zu den zahlreichen exemplarischen Beschreibungen von kunstbasierten Interventionsformen bis dato wenige und methodisch kaum belastbare Studien vor. Dass diese wissenschaftlichen Leerstellen das Management solcher Kooperationen erschweren, liegt auf der Hand und macht das Entstehen von KUKs derzeit noch eher unwahrscheinlich.
 
Schematisierung vs. Vereinfachung
 
In den ersten Abschnitten werden grundlegende Begriffe aus Wirtschaft, Kunst- und Kulturwissenschaften diskutiert und damit die theoretischen Dimensionen kunstbasierter Kooperationen für beide Parteien ausgeleuchtet. Was sind potentielle Gegenstände der KUK? Welchen Mehrwert erhoffen sich KünstlerInnen und UnternehmerInnen von der Kollaboration und welche Formen kann diese haben? Ehe im Hauptteil beispielhaft sieben erfolgreich laufende oder abgeschlossene Projekte mit unterschiedlichen künstlerischen Zugangsformen vorgestellt werden, zeigen die AutorInnen grundsätzlich mögliche Spielarten und Zugänge aus der je eigenen Praxis-Perspektive (Bildende Kunst, Architektur, Theater, Musik) auf.
 
Leider offenbaren einzelne Artikel an dieser Stelle selbst eines der Hauptprobleme der beschriebenen Kooperationen. Obwohl die eingangs auf Kunstsponsoring reduzierte Zusammenarbeit zwischen Kunst und Wirtschaft sehr richtig als unzureichend dargestellt wird, reproduzieren einige Beispiele im dritten Teil des Buches unfreiwillig mit vereinfachten Bildern wie Dirigieren & Führen, Kreativität als Kapital oder Eine Aufforderung zum Tanz genau dieses Gegensatzpaar. Was auf sprachliche und inhaltliche Augenhöhe abzielt, deutet zumindest in den Überschriften oder Einleitungstexten auf tradierte Klischees hin. Damit wird jenes Machtgefüge aufrecht erhalten, das sich gerade durch das im Begriff Kooperation liegende Potential dekonstruieren ließe. Wirtschaft fördert Kunst und Kunst fördert Wirtschaft. Soweit so richtig und wichtig. Doch welche Qualität der Zusammenarbeit ließe sich erst beobachten, wenn die Kooperation diese Dichotomie zumindest für die Dauer der Zusammenarbeit aufzulösen versuchte?
 
Die Fallstudien des vierten Abschnitts, die das zentrale Forschungsmaterial der Studie von Arts Push Business darstellen, beschreiben jeweils Verlauf und Erfolg der ausgewählten Beispiel-Kooperationen. Dabei werden die Projekte und beteiligten AkteurInnen zunächst beschrieben, die Prozesse in Hinblick auf Zustandekommen der Partnerschaft sowie Konzeption und Realisierung der Maßnahmen untersucht und abschließend durch die Betrachtung von Erfolgsfaktoren, Nutzen und eventuellen Problemfeldern bewertet. Exemplarisch wird unter anderem das populäre Projekt Abenteuer Kultur der Kette dm-drogeriemarkt GmbH & Co. KG dargestellt. Das Unternehmen kooperiert hier mit Theaterschaffenden, die zusammen mit den Auszubildenden von dm Theaterinszenierungen erarbeiten und zur Aufführung bringen. Wie bei anderen untersuchten Fällen, führt die unternehmerische Seite Stichworte wie MitarbeiterInnen-Zufriedenheit und -Motivation, positiver Imagetransfer oder originelle Abgrenzung von der Konkurrenz als Nutzendimensionen an, die künstlerische Seite hingegen Finanzierung des Lebensunterhalts, erhöhte Aufmerksamkeit und Erfahrung im Umgang mit Unternehmen.
 
Praxishinweise für KulturmanagerInnen
 
Der für KulturmanagerInnen interessanteste fünfte Teil des Handbuchs zeichnet ausgehend von der Frage, welchen Beitrag Kunst und KünstlerInnen für Unternehmen tatsächlich leisten können ein übersichtliches und ehrliches Bild der zu erwartenden Herausforderungen. In sieben Beiträgen werden praxisnahe Fragen gestellt, die das Kulturmanagement für jedes Projekt neu beantworten muss: Welche Vorzüge bringt das Vertrauen in agile Projektmanagement-Strategien den KulturmanagerInnen? Welche Matching-Verfahren und Vermittlungsinstrumente stehen bei der Suche nach den passenden PartnerInnen zur Verfügung? Wie können Kooperationsprozesse moderiert werden? Welche rechtlichen Eigenheiten gilt es bei KUKs beispielsweise bezüglich der Verträge zu beachten? Und wie lassen sich KUKs sinnvoll evaluieren?
 
Der Abschnitt gibt nicht nur aus Sicht der Forschung interessante Impulse für weitere Studien, sondern formuliert auch anwendbare Ansätze und nützliche Verbalisierungshilfen, die den an KUKs interessierten AkteurInnen zukünftig neue Argumentationsgrundlagen zur Verfügung stellen.
 
In einem abschließenden Teil stellt das Handbuch eine Auswahl an Checklisten für Unternehmen und KünstlerInnen zur Verfügung, mit deren Hilfe die individuelle Ausgangslage und praktische Nutzbarkeit einer geplanten Kooperation erfahrbarer gemacht werden soll. Zu den unterschiedlichen Projekt-Phasen werden Fragen formuliert, deren Antworten Rückschlüsse auf die Wahrscheinlichkeit des Zustandekommens einer Kooperation zulassen sollen. So wird beispielsweise konkret gefragt, ob Sie als KünstlerIn die nötige Motivation für eine Zusammenarbeit mit einem Unternehmen aufbringen und wirklich bereit dazu sind, sich in dessen Problemstellungen hineinzuversetzen. Und auch die andere Seite muss sich fragen, ob die gelebte Unternehmenskultur offen für künstlerische Arbeitsweisen ist und ob sich das Management dem Commitment der im Projekt Beteiligten sicher sein kann. Neben den im Buch geschilderten Projekten sind diese Checklisten ein gelungener Impuls, um zu reflektieren, um aktiv, aber auch kreativ zu werden.
 
Fazit
 
Berit Sandberg und Carsten Baumgarth legen mit ihrem Handbuch Kunst-Unternehmens-Kooperationen einen komprimierten Überblick darüber vor, was wir heute von Kunst-Unternehmens-Kooperationen wissen und was wir wie in Zukunft angehen sollten. Mit Fokus auf die Praxis werden wichtige Erfahrungen und Herausforderungen geteilt, Vorurteile und Ängste offen thematisiert. Eine absolute Pflichtlektüre für das zeitgenössische (Kultur-) Management, die zum Weiterdenken ermutigt.

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