02.08.2021
Buchdetails
Vermittlung zeitgenössischer Musik: Mediating Contemporary Music (üben & musizieren)
von Katarzyna Grebosz-Haring, Simone Heilgendorff, Martin Losert
Verlag: Schott Music
Seiten: 304
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Autor*in
Johanna Kurth
studierte Kultur- und Medienbildung (B.A.) und Theater- und Orchestermanagement (M.A.) und sammelte währenddessen erste Berufserfahrungen im Bereich Orchestermanagement. Seit 2020 ist sie im künstlerischen Betriebsbüro der Camerata Salzburg tätig.
Buchrezension
Vermittlung zeitgenössischer Musik
Viele haben den Bezug zur zeitgenössischen Kunstmusik verloren. Vielleicht ist die Musik zu anstrengend, da man aktiver als sonst zuhören muss. Vielleicht ist daran der Musikbetrieb schuld, weil Veranstalter nicht den Mut haben, Neue Musik zu programmieren. Vielleicht wertschätzen wir aber das Potenzial der Vermittlung zeitgenössischer Musik nicht genug und erkennen nicht, welchen Beitrag die verschiedenen Ansätze liefern können: "Vermittlung zeitgenössischer Musik" widmet sich zum Glück genau diesem Aspekt.
Der von Katarzyna Grebosz-Haring, Simone Heilgendorff und Martin Losert herausgegebene Sammelband, der 2020 im Schott Music Verlag erschien, dokumentiert abschließend die Arbeit und die Ergebnisse des Programmbereichs "ConTempOhr. Vermittlung zeitgenössischer Musik - Mediating Contemporary Music" in Salzburg.
Dieser ist ein interuniversitärer Kooperationsschwerpunkt Wissenschaft & Kunst der Paris Lodron Universität Salzburg und der Universität Mozarteum Salzburg. Dort setzte man zwischen 2014 und 2019 einen Fokus auf die Erforschung und Entwicklung neuer Vermittlungsprojekte und die Entwicklung einer Plattform. Er sollte eine Schnittstelle in der Ausbildung und Professionalisierung künftiger Musikvermittler:innen im Bereich der zeitgenössischen (Kunst-)Musik darstellen.
Entsprechend vereint der Sammelband sehr diverse deutsche sowie englische Beiträge zur Vermittlung zeitgenössischer (Kunst-)Musik in allgemeinbildenden Schulen, Musikschulen und im Instrumentalunterricht, zur Coaching-Arbeit in Unternehmen, zu Elementarer Musikpädagogik, aber auch für Festivals zeitgenössischer (Kunst-)Musik, Ensemblearbeit und intermedialer künstlerischer Arbeit. Die Themen inkludieren auch die Lehre an Musikhochschulen, den Tanz, die musikalische Sozialisation, sowie Komposition und Improvisation. Damit bespielt der Sammelband ein sehr breitgefächertes Feld und interpretiert und analysiert den Begriff der Vermittlung zeitgenössischer Musik sehr aktuell. Die Übertragung auf die jeweils anderen Bereiche fällt nicht schwer und es empfiehlt sich hier, einzelne Texte gezielt für sein Arbeitsfeld herauszuziehen.
Erfahrungen aus der Praxis
Im ersten Abschnitt "Praxis" berichten die Autor:innen sehr persönlich über die einzelnen Zugänge in der Vermittlungsarbeit. Während manche Texte einen interdisziplinären und spartenübergreifenden Zugang haben, beschreiben einige nur sehr punktuell und eingrenzt das vorhandene Feld, was sich mitunter leider negativ auf die Übertragbarkeit der vorgestellten Beispiele auswirkt.
Hervorzuheben ist dabei der Text "Neue Musik und ihr Publikum zusammenbringen - Erfahrungen aus der Festivalpraxis” von Bernhard Günther, der die Komplexität des Zusammenspiels zwischen Publikum und Musik deutlich macht. Günther schafft es, das Publikum als wichtigste Komponente bei der Vermittlung von zeitgenössischer (Kunst-)Musik wahrzunehmen und zu verstehen. Wie wichtig Objekte, Ort der Aufführung und damit auch die Musik sind, hängt für ihn mit der Bedeutung für und der Nutzung durch die Menschen zusammen. Die wesentliche Schwierigkeit der Vermittlung besteht jedoch in den Werken selbst: Meistens geht es gar nicht um die schwere inhaltliche Verständlichkeit als vielmehr um das Potenzial, mit dem die künstlerische und meist ungewöhnliche Idee perfekt produziert und im richtigen Timing auf die dafür richtige Bühne gebracht wird.
Während Bernhard Günther sehr allgemein über seine langjährige Erfahrung der Planung eines zeitgenössischen Festivals schreibt, geht Paulina Celinska in Ihrem Text "Save Eugeniusz Rudnik for the Younger Generations - Mediation Work at Little Warsaw Autumn” wiederum sehr explizit auf eine bestimme Erfahrung bei Ihrer Arbeit als Vermittlerin für das zeitgenössische Festival "Little Warsaw Autumn” ein, das speziell für Kinder konzipiert ist. Leider wirkt dieser Beitrag nur schwer übertragbar, insbesondere da Fragen, die anfangs aufgeworfen werden, abschließend nicht beantwortet werden.
Anders verhält es sich mit der subjektiven Erfahrung eines Vermittlungsprojektes zeitgenössischer Musik, die Barbara Lüneburg in "TransCoding - Von "Intellektuellenkunst" zu partizipativer Kultur" beschreibt. Dabei schafft sie es, den Leser:innen das Potenzial von Partizipation näher zu bringen und spricht darüber, wie aktive Mitgestaltung über Social Media in unserer digital vernetzten Welt möglich ist. Dabei spricht sie auch Schwierigkeiten und Konflikte innerhalb des Prozesses an: Auch inhaltlich verschiedene Vorstellungen innerhalb des Teams können zu einer Umstrukturierung oder gar Verwerfen eines Projektes führen.
Eine theoretische Annäherung an das Themenfeld
Der zweite Abschnitt, den die Herausgeber:innen des Buches als "Reflexion” bezeichnen, sammelt Texte von Autor:innen mit wissenschaftlich-forschenden Hintergründen, die sich mit aktuellen Zugängen und Erkenntnissen zu unterschiedlichen Vermittlungsfeldern auseinandersetzen. Er stellt deshalb einen harten Kontrast zum vorhergegangenen Abschnitt dar, der aber wichtig ist, um Vermittlung bzw. zeitgenössische (Kunst-)Musik zu verstehen. Fragen wie "Was ist Vermittlung?” oder "In welchem gesellschaftlichen Kontext wird Neue Musik eingegliedert?” werden hier geklärt. Der:die Leser:in erfährt auch, dass sich die unberechenbaren und offenen Hörsituationen, in die man sich als Zuhörender begibt, dazu führen, dass es manchmal schwer fällt Neue Musik zu verstehen oder ihr gar zuzuhören. In dem Text "Auf dem Weg zu offenen Hörsituationen Neuer Musik" von Matthias Handschick wird auf dieses Phänomen genauer eingegangen: Das schwer zu Verstehende entsteht auch durch kaum erkennbare Schlusswendungen oder dadurch, dass es nicht einfach ist, die Musik zu gliedern oder Vordergrund und Hintergrund geschweige denn Melodie und Begleitung zu unterscheiden.
Der Abschnitt wird also zum Kern des Buches, auf dem das Grundgerüst zum Verständnis der Vermittlung zeitgenössischer Musik gebaut wird und von dem aus dieses Verständnis auf die anderen Bereiche übertragen werden kann. Alle fünf Texte spiegeln das hohe Potenzial der Vermittlung von Neuer Musik wider - von schulischer Musikpädagogik, elementarer musikalischer Bildung oder zeitgenössischer Musik im Instrumentalunterricht.
Wesentliches aus fünf Jahren Arbeit
Im letzten Abschnitt wird die Arbeit des Programmbereichs in den Mittelpunkt gestellt. Simone Heilgendorff berichtet in "ConTempOhr Salzburg - Eine Bilanz zu fünf Jahren Arbeit in, für und an der Vermittlung zeitgenössischer Musik” von den Forschungsaktivitäten und Veranstaltungen, die im Rahmen des Programmbereichs "ConTempOhr” konzipiert und durchgeführt wurden. Mit diesem Beitrag erschließt sich auch das Gesamtkonzept des Programmbereichs.
Der zweite Abschnitt, den die Herausgeber:innen des Buches als "Reflexion” bezeichnen, sammelt Texte von Autor:innen mit wissenschaftlich-forschenden Hintergründen, die sich mit aktuellen Zugängen und Erkenntnissen zu unterschiedlichen Vermittlungsfeldern auseinandersetzen. Er stellt deshalb einen harten Kontrast zum vorhergegangenen Abschnitt dar, der aber wichtig ist, um Vermittlung bzw. zeitgenössische (Kunst-)Musik zu verstehen. Fragen wie "Was ist Vermittlung?” oder "In welchem gesellschaftlichen Kontext wird Neue Musik eingegliedert?” werden hier geklärt. Der:die Leser:in erfährt auch, dass sich die unberechenbaren und offenen Hörsituationen, in die man sich als Zuhörender begibt, dazu führen, dass es manchmal schwer fällt Neue Musik zu verstehen oder ihr gar zuzuhören. In dem Text "Auf dem Weg zu offenen Hörsituationen Neuer Musik" von Matthias Handschick wird auf dieses Phänomen genauer eingegangen: Das schwer zu Verstehende entsteht auch durch kaum erkennbare Schlusswendungen oder dadurch, dass es nicht einfach ist, die Musik zu gliedern oder Vordergrund und Hintergrund geschweige denn Melodie und Begleitung zu unterscheiden.
Der Abschnitt wird also zum Kern des Buches, auf dem das Grundgerüst zum Verständnis der Vermittlung zeitgenössischer Musik gebaut wird und von dem aus dieses Verständnis auf die anderen Bereiche übertragen werden kann. Alle fünf Texte spiegeln das hohe Potenzial der Vermittlung von Neuer Musik wider - von schulischer Musikpädagogik, elementarer musikalischer Bildung oder zeitgenössischer Musik im Instrumentalunterricht.
Wesentliches aus fünf Jahren Arbeit
Im letzten Abschnitt wird die Arbeit des Programmbereichs in den Mittelpunkt gestellt. Simone Heilgendorff berichtet in "ConTempOhr Salzburg - Eine Bilanz zu fünf Jahren Arbeit in, für und an der Vermittlung zeitgenössischer Musik” von den Forschungsaktivitäten und Veranstaltungen, die im Rahmen des Programmbereichs "ConTempOhr” konzipiert und durchgeführt wurden. Mit diesem Beitrag erschließt sich auch das Gesamtkonzept des Programmbereichs.
Abgeschlossen wird dieser Abschnitt des Buches mit vier Interviews, die im Rahmen der Gesprächskonzert-Reihe "Portrait” innerhalb des Programmbereichs entstanden sind. Hier unterhalten sich Martin Losert und Simone Heilgendorff mit den Komponisten Achim Bornhöft, Stephan Winkler, Christian Ofenbauer und Reinhard Febel über ihre in dieser Reihe aufgeführten kammermusikalischen Kompositionen, ihre Lebenswege und natürlich auch Fragen zur Vermittlung zeitgenössischer Musik. Die Interviews runden den Sammelband ab, auch wenn sie im Gesamtkonzept des Buches vergleichsweise viel Raum einnehmen. Allerdings verschafft uns die Niederschrift eine vorzügliche Möglichkeit, die Gespräche für jede:n Leser:in zugänglich zu machen, um zumindest so Teil der Veranstaltungen des Programmbereichs zu werden.
Fazit
Der von Katarzyna Grebosz-Haring, Simone Heilgendorff und Martin Losert herausgegebene Sammelband visualisiert die Arbeit von "ConTempOhr" und lässt sich hervorragend als abschließendes Werk dieses Projekts sehen. Dabei gibt et einen hervorragenden Überblick über die modernsten Konzepte der Vermittlung, wie auch der jüngeren Entwicklung der zeitgenössischen Musik und sollte allen Kulturmanager:innen, Musikvermittler:innen und Musikpädagog:innen als Informationswerk dienen, die sich mit diesen Themenbereichen befassen. Die gewogene Leser:in erfährt so auch die große Vielfalt und die vielen Facetten der Vermittlung von zeitgenössischer (Kunst-)Musik. Sie wird nicht nur auf die Konzerterfahrung reduziert: Besonders durch eine qualitativ hochwertige Vermittlung können neue Erfahrungen gemacht werden. Daraus resultiert eine leichtere Zugänglichkeit, welche der Neuen Musik definitiv zugutekommt.
Die Heterogenität der Texte lässt jedoch kaum erkennen, welche Zielgruppe mit diesem Buch erreicht werden soll und trifft genau dort daneben, wo es vom Thema her punkten müsste. Hier hätte stärker auf die Relevanz mancher Texte geachtet werden müssen. Für ein Feld, das sich immer noch seinen Platz erkämpfen muss, ist dieser Sammelband jedoch ein Meilenstein, um mehr Zugänglichkeit und Verständnis für das Thema zu schaffen.
Fazit
Der von Katarzyna Grebosz-Haring, Simone Heilgendorff und Martin Losert herausgegebene Sammelband visualisiert die Arbeit von "ConTempOhr" und lässt sich hervorragend als abschließendes Werk dieses Projekts sehen. Dabei gibt et einen hervorragenden Überblick über die modernsten Konzepte der Vermittlung, wie auch der jüngeren Entwicklung der zeitgenössischen Musik und sollte allen Kulturmanager:innen, Musikvermittler:innen und Musikpädagog:innen als Informationswerk dienen, die sich mit diesen Themenbereichen befassen. Die gewogene Leser:in erfährt so auch die große Vielfalt und die vielen Facetten der Vermittlung von zeitgenössischer (Kunst-)Musik. Sie wird nicht nur auf die Konzerterfahrung reduziert: Besonders durch eine qualitativ hochwertige Vermittlung können neue Erfahrungen gemacht werden. Daraus resultiert eine leichtere Zugänglichkeit, welche der Neuen Musik definitiv zugutekommt.
Die Heterogenität der Texte lässt jedoch kaum erkennen, welche Zielgruppe mit diesem Buch erreicht werden soll und trifft genau dort daneben, wo es vom Thema her punkten müsste. Hier hätte stärker auf die Relevanz mancher Texte geachtet werden müssen. Für ein Feld, das sich immer noch seinen Platz erkämpfen muss, ist dieser Sammelband jedoch ein Meilenstein, um mehr Zugänglichkeit und Verständnis für das Thema zu schaffen.
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