15.10.2009

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Autor*in

Martin Furler Bassand
Buchrezension

Kunstvermittlung 1 + 2

Im Verlag Diaphanes sind zwei Jahre nach der documenta 12 zwei sorgfältig gestaltete Bände zur Kunstvermittlung im Rahmen dieser Großveranstaltung erschienen.
 
Bereits in der Planungsphase der Ausstellung wurde durch Roger M. Buergel und Ruth Noack, die künstlerischen Leiter der documenta 12, der hohe Stellenwert der Kunstvermittlung betont. Das dritte Leitmotiv der Ausstellung: Was tun? bezog sich direkt auf die Bildung und fragt nach Möglichkeiten und Lösungen im Bereich der Kunstvermittlung. Diese sollte keine Zusatzdienstleistung zur Ausstellung sein, sondern ein integraler Bestandteil der kuratorischen Komposition. Am Ethos der Vermittlung erkennt man den Unterschied zwischen einer bloßen Konsumhaltung und einem emanzipatorischen Anspruch. Hier unterscheidet sich die Ausstellung von Disneyland, vom Uniseminar, von der Diskothek, vom Louis-Vuitton-Shop, sagte Buergel. Neben Ulrich Schötker, dem Leiter der Kunstvermittlung, wurde Carmen Mörsch, heute Leiterin des Institute for Art Education der Kunsthochschule Zürich, als wissenschaftliche Beraterin für die Vermittlung und als Begleitforscherin engagiert. Die um die 70 VermittlerInnen wurden im Vorfeld der Ausstellung einer mehrwöchigen Ausbildung unterzogen, die als unbezahlte Vorleistung erbracht werden musste. Um die Kunstvermittlung nicht nur auf das zahlungswillige und -fähige Publikum zu beschränken, wurden die VermittlerInnen eingeladen, eigene Formate für spezifische Benutzergruppen zu erarbeiten. Leider wurde im Vergleich zu früheren Ausstellungen das Budget für die Vermittlung nicht angehoben, so dass all die neuen Aktivitäten und spezifischen Vermittlungsprojekte über Drittmittel finanziert werden mussten oder zu scheitern drohten. Auch die proklamierte Zusammenarbeit der Vermittlung mit der Künstlerischen Leitung auf Augenhöhe stieß schnell an ihre Grenzen. So gab es hinter den Kulissen trotz guter Worte und Kooperation bald Schwierigkeiten bei der Formulierung der Themen für die Besucherführungen, sobald differenzierte Inhalte jenseits der abstrakten Leitfragen festzulegen waren.
 
Die HerausgeberInnen des ersten Bandes der Publikation Kunstvermittlung, Ayse Gülec, Claudia Hummel, Carmen Mörsch, Sonja Parzefall, Ulrich Schötker und Wanda Wieczorek waren verantwortlich für die Realisierung, Organisation und Vernetzung der unterschiedlichen Vermittlungsbereiche der documenta 12 und geben unter dem Titel Arbeit mit dem Publikum, Öffnung der Institution in fünf, nach den verschiedenen Vermittlungsformaten gegliederten Kapiteln, einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Bereiche und dokumentieren Modelle der Zusammenarbeit mit BesucherInnen, wie sie auf der documenta 12 zu erleben waren. Der documenta 12 Beirat, eine eigentliche Vermittlungsplattform, wurde in Zusammenarbeit mit dem Kulturzentrum Schlachthof e. V. ins Leben gerufen und diente als wichtiges Instrument zur Vernetzung der Ausstellung mit der Geschichte, den Bewohnern und den Institutionen der Stadt Kassel. In Zusammenarbeit mit der Kunstvermittlung wurden vielfältige Vermittlungsformate für die unterschiedlichsten Zielgruppen erarbeitet. Unter dem Titel Die Welt bewohnen erarbeiteten Kasseler SchülerInnen sich im Verlauf eines Jahres ihren eigenen Zugang zu zeitgenössischer Kunst und zur documenta 12 und führten Besucher durch die Ausstellung. Im Kapitel Kunstvermittlung und Führungen wird über die traditionelle Wissensvermittlung in Ausstellungen und Kunstinstituten nachgedacht und es werden die von den VermittlerInnen konzipierten Projekte vorgestellt. Der Vermittlungsbereich aushecken bot im barocken Heckenkabinett des Parks ein auf Kinder und Jugendliche zugeschnittenes Programm und in der documenta 12 Halle wurden unter anderem die täglichen Lunch Lectures angeboten.Einleitende Artikel erläutern Hintergründe und Absichten der einzelnen Gefäße und vernetzen die einzeln vorgestellten vielfältigen Projekte. Zusätzlich liegt dem Buch eine DVD bei, die reichhaltiges Originalmaterial zu den einzelnen Projekten beinhaltet und einen vertieften Zugang anhand zusätzlicher Texte erlaubt, aber auch zum Stöbern in bislang unveröffentlichem Bild- und Filmmaterial einlädt.
 
Der zweite Band mit dem Titel "Zwischen kritischer Praxis und Dienstleistung" auf der documenta 12 wird von Carmen Mörsch und dem Forschungsteam der documenta 12 Vermittlung herausgegeben. Dieses bestand aus etwa 20 der 70 KunstvermittlerInnnen, die freiwillig und unbezahlt im Forschungsforum mitarbeiteten und die Methoden und Praxis der Kunstvermittlung reflektierten und hinterfragten und die so gewonnenen Erkenntnisse während ihrer Vermittlungstätigkeit immer wieder umsetzten und auch in den jeweiligen Vermittlungsformaten thematisierten. Das Publikum wurde so miteinbezogen und eingeladen sich Gedanken über die Vermittlung an sich zu machen.er vorliegende Band präsentiert nicht nur die Ergebnisse der Begleitforschung, sondern dokumentiert teilweise auch deren Arbeitsweise. Die im ersten Band vorgestellten Projekte werden reflektiert und in den Fachdiskurs eingebettet. Ergänzt werden diese Ausführungen zu den einzelnen Projekten durch so genannte Zwischenrufe die für alle Beteiligten relevante Erfahrungen und Fragen wiedergeben und durch drei Gastbeiträge. Mir hat besonders der Artikel von Andrea Hubin zur Kunstvermittlung auf der ersten documenta 1955 gefallen.
 
Die beiden Bände richten sich an MultiplikatorInnen aus dem Bildungsbereich, aus der Kinder- und Jugendarbeit, der Kulturpolitik und den Kunstinstitutionen. Natürlich war die vollmundige Ankündigung, die Kunstvermittlung neu zu denken, gemessen am Umgesetzten etwas gar hoch gegriffen, auch gehören viele der angewandten Methoden zum Standardrepertoire etwa der Erwachsenenbildung oder Jugendarbeit, aber die vielfältigen Projekte sind lesbar beschrieben und (unter Einbezug der DVD) gut dokumentiert. Die Autoren verstehen Vermittlung als eigenständige, auch kritische Praxis und das stete Nachdenken darüber, was Vermittlung im Kunstbereich heißen kann und leisten soll, ist der eigentliche Grundtenor der Publikation. Dies im Zusammenspiel mit der enormen Fülle an Vermittlungsformaten und Projekten die immer eingebettet in den Rahmen ihrer Durchführung vorgestellt werden, lassen die beiden Bände zu einem eigentlichen Ideenkatalog der Kunstvermittlung werden.

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