24.02.2021
Buchdetails
Das erweiterte Museum: Medien, Technologien und Internet
von Regina Franken-Wendelstorf, Sybille Greisinger, Christian Gries, Astrid Pellengahr
Verlag: Deutscher Kunstverlag
Seiten: 160
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Autor*in
Hanna Köhler
hat Europäische Ethnologie/Volkskunde in Würzburg sowie Kulturmanagement und Kulturtourismus in Frankfurt (Oder) studiert. Sie lebt als freie Kulturwissenschaftlerin und Kulturmanagerin in Berlin und arbeitet in verschiedenen Projekten zu den Schwerpunkten Kommunikation und Vermittlung.
Buchrezension
Das erweiterte Museum
"Das Digitale" eröffnet Museen neue Kommunikations- und Handlungsräume und wächst kontinuierlich in die musealen Kernaufgaben des Sammelns, Bewahrens, Forschens, Ausstellens und Vermittelns hinein. Mit "Das erweiterte Museum" gibt die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern Museumsmacher*innen dazu eine Arbeitshilfe an die Hand sowie wertvolle Anregungen für die eigene Arbeitspraxis.
Angesichts der fortschreitenden Digitalisierung sehen sich Institutionen und ihre Mitarbeiter*innen mit neuen Herausforderungen und Aufgabenfeldern konfrontiert, die etablierte Strukturen und Prozesse nachhaltig verändern und nicht selten vorhandene Ressourcen und Kompetenzen strapazieren. Orientierung im weiten Feld der Digitalisierung bietet der 2019 erschienene MuseumsBaustein "Das erweiterte Museum. Medien, Technologien und Internet". Mit den Beiträgen der Herausgeber*innen (Regina Franken-Wendelstorf, Sybille Greisinger, Christian Gries, Astrid Pellengahr) und Autor*innen (Christof Flügel, Simone Mergen, Francesca Morandini, Antje Schmidt) versammelt der Band ausgewiesene Expertisen und langjähriges Erfahrungswissen aus der digitalen Museumspraxis.
Getreu dem Motto practice what you preach wurde ein dreiteiliges Publikationskonzept realisiert, das die Veröffentlichung nicht nur als gedrucktes Buch und frei zugängliches E-Book bereitstellt, sondern auch um ein digitales Projektportal erweitert. Praxisbeispiele, ergänzende Inhalte und Linktipps können so während der Lektüre per QR-Code abgerufen werden. Zentrale Begriffe werden zudem in einem Glossar erläutert und ein thematisches Literaturverzeichnis gibt weiterführende Literaturhinweise. Inhaltlich gliedert sich der Band in sieben Themenabschnitte, die als in sich geschlossene Kapitel aufbereitet wurden und so auch weitgehend unabhängig voneinander gelesen werden können.
Digitale Medien im Museum
Der erste Teil der Publikation nimmt zunächst den Medienwandel im Museum und das Informations- und Rezeptionsverhalten eines zunehmend digitalisierten Publikums in den Blick. Darüber führt er die "Erweiterung" des Museums im digitalen Raum ein und skizziert die Potenziale digitaler Medien als "Instrumente der Dokumentation, Kommunikation und Vermittlung" (16). Aus Perspektive der Kulturvermittlung werden Chancen der Digitalisierung für das Museum als informellen Lernort beleuchtet und aufgezeigt, wie mit dem Medieneinsatz in Ausstellungen zielgruppenspezifische Zugänge zu Museumsinhalten geschaffen, Kommunikation und Partizipation während des Museumsbesuchs unterstützt und individuelle Lernerlebnisse der Besucher*innen gefördert werden können.
In diesem Zusammenhang werden (didaktische) Grundlagen der Konzeption, Gestaltung, Produktion und Evaluation von digitalen Vermittlungsangeboten vermittelt. Als weiteres zentrales Aufgabenfeld steht die Digitalisierung von Sammlungen und deren Präsentation im Internet im Fokus. Betrachtet werden Möglichkeiten und Herausforderungen der (Daten-)Aufbereitung und Gestaltung von Online-Sammlungen sowie verschiedene Nutzungspotenziale, die sich sowohl für (digitale) Besucher*innen als auch die Museen selbst ergeben. So können nicht nur Sammlungsbestände online für ein breites Publikum zugänglich gemacht werden, sondern durch die Vernetzung mit anderen Institutionen und auf Plattformen auch neue Horizonte der Wissensproduktion geschaffen werden. Überdies bietet insbesondere die Bereitstellung offener Daten (Creative Commons) neue Möglichkeiten für die kreative Weiternutzung digitalisierter Museumsinhalte.
Neue Medien und Social Media in der Museumskommunikation
Die Einbindung "neuer Medien" in die Kommunikation von Museen ist in der Theorie eine Selbstverständlichkeit, in der Praxis aber häufig eine Frage von (Medien-)Kompetenzen und Ressourcen, die nicht nur kleinere Häuser vor Herausforderungen stellt. Um diesen gezielt zu begegnen, stellt der zweite Teil des Bandes die Entwicklung einer digitalen Strategie als Basis und Handlungsrahmen digitaler Kommunikationsaufgaben vor. Diese ist als agiler Prozess zu verstehen, im Rahmen dessen Status Quo, Ziele, Leitlinien und konkrete Gestaltungsmöglichkeiten der Digitalisierung im eigenen Haus reflektiert und digitale Angebote und Maßnahmen ganzheitlich gedacht und plattformübergreifend (crossmedial) realisiert werden. Einen Schwerpunkt setzt das Kapitel zudem bei der zeitgemäßen Gestaltung und Umsetzung der Museumswebseite, deren Potenziale für die Online-Kommunikation aufgrund von mangelnden Ressourcen oder fehlendem Know-how häufig unausgeschöpft bleiben. Hier werden grundlegende Hinweise zu Aufbau, Inhalten und Design des Internetauftritts, zur Redaktionsarbeit mit Content-Management-Systemen sowie auch zu den Themen Suchmaschinenoptimierung und Erfolgsmessung gegeben. Betrachtet werden darüber hinaus Möglichkeiten des digitalen Publizierens (E-Publishing, Open-Access) sowie das Thema E-Mail-Marketing.
Der dritte Teil der Publikation ist den sozialen Medien gewidmet, die das Kommunikationsgefüge zwischen Museen und ihrem (potenziellen) Publikum nachhaltig verändern. Das Kapitel führt in die Grundlagen der Social-Media-Kommunikation ein und schafft einen Überblick über gängige Plattformen und Formate, die von Museen bespielt und für die Kommunikation und Vermittlung im digitalen Raum genutzt werden (können). Vorgestellt werden auch museumsspezifische Projekte wie etwa die jährliche #MuseumWeek. Ausführungen zu Planung, Ressourcen, Redaktion und Erfolgsmessung vermitteln einen ersten Eindruck des komplexen Aufgabengefüges, das die effiziente Einbindung von Social-Media-Aktivitäten in die Kommunikationsstrategie mit sich bringt. Für einen strukturierten Umgang mit den sozialen Medien wird die Formulierung von Social-Media-Guidelines empfohlen. Zudem werden Anregungen zur Erarbeitung einer Content-Strategie gegeben, welche die Entwicklung, Planung und redaktionelle Betreuung von Social-Media-Maßnahmen und -Inhalten zusammenführt. Ebenfalls angeführt werden der Betrieb eines Blogs als Ergänzung zur Museumswebseite sowie die gezielte Ansprache von Bloggern als "reichweitenstarke Alternative und/oder zur Ergänzung zur klassischen Pressearbeit" (80) (Blogger-Relations).
Medienguides und Medienstationen in der Ausstellungsvermittlung
Der vierte Teil des Bandes reflektiert den Einsatz multimedialer Elemente in der Ausstellungsvermittlung. Im Fokus stehen dabei Anwendungsmöglichkeiten und technologische Entwicklungen im Bereich der Audio- und Medienguides sowie die Bereitstellung von Apps. Hier werden mit Nativen Apps, Web-Apps und Hybriden Apps verschiedene technische Varianten mobiler Anwendungen gegenübergestellt und Entscheidungskriterien für die Planung und Umsetzung aufgezeigt. Erläuterungen zu standortbezogenen Datenübertragungstechnologien wie QR-Codes und Funk- oder Bluetooth-basierten Sender-Empfänger-Systemen (NFC, RFID, Beacons) bieten zudem Orientierung für die technische Realisierung mobiler Medienkonzepte. Fest installierte Medienstationen werden hinsichtlich ihrer Anwendungs- und Gestaltungsbreite beleuchtet. Diese kann vom einfachen Infoterminal über interaktive, partizipative und kollaborative Angebote, bis hin zur Integration in szenografischen Medieninstallationen reichen.
Hieran anknüpfend widmet sich der fünfte Teil der Publikation der Planung, dem Einbau und dem Betrieb von Multimedia-Elementen. Mit Blick auf die baulichen und haustechnischen Rahmenbedingungen und unter Gesichtspunkten der Ausstellungsgestaltung wird die Notwendigkeit einer räumlich und inhaltlich schlüssigen sowie nutzerfreundliche Integration von Medienstationen in ein Gesamtkonzept dargelegt. Darüber hinaus werden "praxisorientierte Tipps" (12), die vor allem Aspekte der Nachhaltigkeit, Langlebigkeit und Wartungsfreundlichkeit fokussieren, zur Anfertigung bzw. Anschaffung von Medienmöbeln sowie zur Montage einzelner Module und deren technischer Dokumentation gegeben. Anregungen gibt es beispielsweise zur Materialauswahl, zur Kabelführung und Erstellung von Kabelplänen oder zu technischen Funktions- und Belastungsprüfungen. Auch für den täglichen Betrieb und die Instandhaltung der Stationen hält die Publikation entsprechende Hinweise bereit.
Digitale Aufbereitung und erweitere Darstellung von Museumsinhalten
Der sechste Teil der Publikation befasst sich mit der "didaktisch schlüssig[en], lebendig[en] und nutzerfreundlich[en]" (116) Aufbereitung von Museumsinhalten für digitale Medien. Dabei steht zum einen die Entwicklung digitaler Anwendungen im Mittelpunkt. Hinsichtlich derer werden Aspekte der Nutzerfreundlichkeit (Usability) und der nutzerorientierten Gestaltung (User-centered Design) sowie Prinzipien und Prozesse des Informationsdesign betrachtet. Zum anderen wird die Methode des Digital Storytellings, des Geschichtenerzählens in und mit digitalen Medien, vorgestellt. Mit Fokus auf die Ausstellungsvermittlung werden verschiede Ansätze für die Entwicklung zu erzählender Geschichten aufgezeigt. So können etwa besondere Aspekte von Objektbiografien, spezielle Bezüge zur Sammlung oder zur Erfahrungswelt der Besucher*innen oder auch fiktionale Charaktere den Ausgangspunkt narrativer Konzepte bilden. Mit Mindmap, Drehbuch und Storyboard werden zudem ausgesuchte Arbeitstechniken für die Konzeption und Umsetzung digitaler Storytelling-Formate betrachtet.
Der letzte Teil des Bandes versammelt verschiedene technische Möglichkeiten der "erweiterten Darstellung" von Museumsinhalten und ihren Kontexten. Im Mittelpunkt steht hier vor allem der Einsatz von Virtual Reality und Augmented Reality in der Vermittlungsarbeit, wobei ein Schwerpunkt auf den besonderen Potenzialen der Visualisierung mit VR- und AR-Technik im Bereich der Archäologie liegt. Auf Basis virtueller Idealrekonstruktionen lassen sich nicht nur archäologische Befunde und historische Lebenswelten anschaulich vermitteln, sondern durch ein Nebeneinander verschiedener Nachbildungsvarianten auch Forschungsprozesse transparent darstellen. Darüber hinaus betrachtet das Kapitel verschiedene Nutzungshorizonte von 3D-Darstellungen, 360-Grad-Aufnahmen und Hologrammen sowie Anwendungsmöglichkeiten automatisierter Dialogsysteme (Chatbots). Ebenfalls beleuchtet wird das Thema "Gaming im Museum", das mit der digitalen Erweiterung etablierter Konzepte des spielbasierten Lernens besondere Potenziale für die aktive Wissensvermittlung bereithält. Von digitalen Puzzles oder Quiz-Formaten an Medienstationen über Spiele-Apps und Browser-Games bis hin zu positionsbezogenen Spielen (Location-based Games) wie Pokémon Go und VR-Simulationen bieten digitale Gaming-Komponenten zahlreiche Möglichkeiten, Informationen spielerisch aufzubereiten und interaktive Lernerlebnisse zu gestalten.
Fazit
Insgesamt schafft die Publikation einen praxisnahen Überblick zu zentralen Aufgabenfeldern der Digitalisierung im Museum. Mit ihren zahlreichen Fallbeispielen, Infografiken, Quer- und Literaturverweisen eignet sie sich als Einstiegslektüre in einzelne Themen, vor allem in den Bereichen Kommunikation und Vermittlung. Hilfreich für die Übertragung vorgestellter Konzepte in die eigene Arbeitspraxis sind die den meisten Kapiteln angestellten Fragenkataloge, die Inhalte nochmals zusammenfassen und/oder zusätzliche Anregungen geben.
Wer ein durchgängig konzises Handbuch erwartet, wird aufgrund vereinzelter Redundanzen, die nicht allein auf die unabhängige Konzeption der einzelnen Kapitel zurückzuführen sind, und inhaltlichen Unschärfen teilweise enttäuscht. Es scheint, als würden den Leser*innen - ob "digitale Einsteiger" (11) oder nicht - an mancher Stelle etwas zu wenig Vorkenntnis zugetraut werden. An anderer Stelle wären hingegen mehr begriffliche Trennschärfe und klarere Bezugspunkte wünschenswert gewesen. Dessen ungeachtet, ist der Band durchaus empfehlenswert, denn er macht allem voran klar: "Heute und in Zukunft wird es in den Kultureinrichtungen ganz wesentlich um grundlegende digitale Kompetenzen gehen, die jeder Einzelne mitbringt, die aber auch die Institutionen kennzeichnet und die diese ausgestalten müssen" (142).
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