05.03.2018

Buchdetails

Wirtschaft trifft Kunst: Warum Kunst Unternehmen gut tut
von Ulrike Lehmann
Verlag: Springer Gabler
Seiten: 559
 

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Autor*in

Sophia Sprengel
Sophia Sprengel studierte Angewandte Kulturwissenschaften in Lüneburg. Sie ist seit 2010 in Berlin und im Land Brandenburg in der Konzeption, Koordination und Beratung von Kultur- und Bildungsprojekten tätig.
Buchrezension

Wirtschaft trifft Kunst. Warum Kunst Unternehmen gut tut

Künstlerische Interventionen gehören in Unternehmen derzeit zu den großen Management-Trends. Die damit verbundenen Hoffnungen und Möglichkeiten für beide Seiten beleuchtet der Sammelband Wirtschaft trifft Kunst. Doch leider ist die Sammlung weder erkenntnisreich gestaltet noch hat sie eine klar definierte Zielgruppe.
 
Bildende Kunst und ihre SchöpferInnen, um die es in Wirtschaft trifft Kunst vorrangig geht, bergen für Unternehmen enorme Potenziale. Davon ist die Herausgeberin Ulrike Lehmann aus gutem Grund überzeugt: Es gibt viele gelungene Praxisbeispiele, die zeigen, dass die Wirtschaft von Kunst und KünstlerInnen profitieren und lernen kann etwa, indem sie ihr Kreativitätspotential nutzt, um den Herausforderungen der modernen Arbeitswelt zu begegnen. Derlei Beispiele zusammenzustellen und dabei KünstlerInnen und UnternehmerInnen gleichermaßen (wenn auch nicht in gleichem Umfang) zu Wort kommen zu lassen, ist ein ehrenwertes Unterfangen. Doch wie erkenntnisreich kann eine solche Sammlung (gestaltet) sein und an wen richtet sie sich?
 
Eine lose Zusammenschau an Beispielen
 
Die Entstehung des Bandes, der 2017 im Springer Gabler Verlag erschienen ist, geht zurück auf die 2013 von Ulrike Lehmann in Freiburg im Breisgau initiierte Gesprächsreihe Forum Wirtschaft meets Kultur. Zahlreiche RednerInnen der Reihe finden sich mit Beiträgen im Buch wieder. Die Einleitung gibt Lehmann selbst: In einer losen Zusammenschau zeichnet sie die wechselhafte Beziehung von Kunst und Wirtschaft seit dem Mäzenatentum der Medici-Familie in der Renaissance bis zur Gegenwart der zunehmend digitalisierten (Arbeits-)Welt und dem damit einhergehenden erhöhten Stellenwert von Kreativität nach. Die nachfolgenden sechs Teile greifen einige der aufgezeigten Verbindungslinien zwischen Wirtschaft und Kunst auf und versuchen, sie anhand von Beispielen und den daraus resultierenden Erfahrungswerten von UnternehmerInnen und KünstlerInnen enger zu ziehen.
 
So geht es in Teil I um die motivierende und emotionalisierende Kraft von Kunst und ihre Berücksichtigung in Personalwesen und -entwicklung. Dabei wird über Beispiele ein Vergleich zwischen den Arbeitsstrukturen von KünstlerInnen und ManagerInnen gezogen und die Frage beleuchtet, ob Unternehmen angesichts einer immer komplexeren Arbeitswelt nicht gut beraten sind angelehnt an künstlerische Prozesse Unsicherheiten und Ungeplantes bewusst in ihre Unternehmenskultur zu integrieren.
 
Teil II geht wieder einen Schritt dahinter zurück. Warum die dort versammelten Beiträge die merkantile Verknüpfung von Kunst und Wirtschaft im Feld des Kunsthandels/ -marktes in den Mittelpunkt stellen (Welchen Wert hat Kunst?), erschließt sich erst im Übergang und in der Vorausschau auf Teil III, der auf die Relevanz von unternehmerischen Kunstsammlungen für die Corporate Identity und die nach innen wie außen gelebte Unternehmenskultur abhebt (Welchen Nutzen hat Kunst?).
 
Es folgen Teil IV, der in Beispielen Kunst an und in Unternehmensbauten und ihren Symbolcharakter für Unternehmenswerte thematisiert, sowie zwei den Sammelband abschließende Teile, die zu Teil I aufschließen, indem Sie Kunst und künstlerische Prozesse hinsichtlich ihrer (positiven) Effekte auf unternehmerisches Handeln und Wirken in den Blick nehmen: In Teil V geht es unter anderem mit Blick auf die Gesprächsreihe um die Einbindung von Kunst in interne und externe Kommunikationsprozesse und das Marketing (Markenführung als Kunst denken, Markenidentität durch Kunst gestalten etc.).
 
Teil VI schließt den Sammelband mit einem Ausblick auf Projekte von [sic!] Kunst in Unternehmen ab. Dazu stellt es die Initiative add art vor, die die Kunstsammlungen Hamburger Unternehmen zugänglich und neue Ausstellungsformen für KünstlerInnen in Firmenräumen sowie die Diskussion des Miteinanders von Kunst und Wirtschaft möglich macht, neben zwei künstlerisch-interventionistische Projekte. Eines davon ist das recht bekannte Werk des Künstlerduos Wimmelforschung, das im Rahmen der interdisziplinären Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Robert Bosch GmbH in Stuttgart einen Experimentierraum formte, die sogenannte Plattform 12, die Bosch-MitarbeiterInnen und KünstlerInnen gleichermaßen als kreative Freifläche und Ort der Reflektion diente, in der sie unabhängig von der Organisationsstruktur des Unternehmens arbeiten können.
 
Konfusion statt Erkenntnisgewinn
 
Der Sammelband endet abrupt und ohne Einordnung des Gelesenen. Den Charakter der Zusammenschau verliert das Buch auch nach der Einleitung nicht. Es reiht Beispiel an Beispiel, ohne dass ein Zusammengang zwischen ihnen über die Kapitel-/Teilüberschriften hinaus allzu deutlich würde. Das gilt auch für den Binnenzusammenhang der Teile, also das Buch als Ganzes. Anstatt Erkenntnisgewinn bleibt Konfusion zurück, die auch der erneute Blick in die Einleitung oder den Klappentext nicht zu zerstreuen weiß.
 
Auffällig ist: Es fehlt an einem klar formulierten Anliegen. Zwar heißt es im Klappentext, das Buch solle umfassend darstellen, wie Kunst in Unternehmen die Kreativität und den Kommunikationsprozess anregt. Wie aufgezeigt, ist das aber nur ein in wenigen Beiträgen beleuchteter Teilaspekt des Buches, dem weitere Beziehungsaspekte von Wirtschaft und Kunst eher willkürlich denn systematisch beigeordnet erscheinen. Der Erfahrungsraum auf den die versammelten Beiträge dabei rekurrieren, ist stets der entweder unternehmerische oder künstlerische eigene.
 
Der (wissenschaftliche) Abstraktionsgrad und die Anschlussfähigkeit der Beiträge sind gering bis nicht vorhanden. Nicht selten fehlt es ihren Aussagen an Belegen und Kontextualisierung. Der Bezug auf Quellen für die getätigten Aussagen ist so gut wie nicht gegeben, stattdessen wird bebildert was das Zeug hält (jedoch ohne Abbildungsverzeichnis), werden Ergebnisse aus Facebook-Umfragen (Warum macht Kunst glücklich? S. 119 ff.) gelistet, deren Bezüge schleierhaft bleiben, Fachbegriffe nicht näher geklärt oder falsch verwandt oder aus der Wikipedia zitiert (z. B. Einleitung Lehmann, S. 67). Zudem gibt es selbst innerhalb einzelner Beiträge keine einheitliche Zitationstechnik, Seitenangaben fehlen und im Literaturverzeichnis der Beiträge, sofern vorhanden, wird Literatur auch dann gelistet, wenn sie gar nicht als Beleg hat herhalten müssen. Statt eines Lektorats findet der/ die LeserIn viele Binsenweisheiten von fragwürdigem Charakter (z. B. Denn Kreative kennen keine Langeweile, sind nicht geistig unterernährt oder gewaltbereit, sondern von innen getrieben und erfüllt von ihrem Tun, mit dem sie auch andere erfreuen und diese Freude teilen können. Einleitung, S. 70).
 
Am schlimmsten aber ist der Ratgeberduktus, der in den Beiträgen des Sammelbandes wiederholt zum Tragen kommt, etwa wenn Lehmann dem/der geneigten LeserIn dem Überblicksanspruch ihrer Einleitung zum Trotz zusätzlich noch einige Tipps und (Kreativitäts-)Übungen mit auf den Weg gibt (ähnlich wie es auch die Designtheoretikerin Judith Dobler tut, wenn sie zum Erkunden visuellen Denkens mit Skizzen animiert und Skizzierübungen näher vorstellt).
 
Fazit
 
Von Interesse ist dieses Buch allenfalls für Unternehmensangehörige, die sich bisher nicht mit dem Thema beschäftigt haben. Weder für KulturmanagerInnen noch für Kulturschaffende oder KünstlerInnen bietet Wirtschaft trifft Kunst über einzelne Beispiele hinaus Anregungen, entsprechende Projekte umzusetzen. Das Treffen und der Dialog, die der Titel des Sammelbandes der gleichnamigen Gesprächsreihe abgeschaut nahelegt, bleiben aus. Der Untertitel Warum Kunst Unternehmen gut tut wird in Ansätzen beispielhaft bebildert, wirklich umfassend und erkenntnisorientiert nähert sich der Sammelband der Frage allerdings nicht.
 
Für den/ die LeserIn mit kulturwissenschaftlicher Brille wäre eine Konzentration auf ernsthaft produktive Verbindungen von Wirtschaft und Kunst reizvoll gewesen, wie etwa im Beispiel der Wimmelforscher und Bosch angerissen. Hier empfiehlt sich als Alternativlektüre das Handbuch Kunst-Unternehmens-Kooperationen von Carsten Baumgarth und Berit Sandberg, das bereits 2016 im transcript-Verlag erschienen ist.

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