05.06.2018
Autor*in
Aletta Gräfin von Hardenberg
ist seit März 2011 Geschäftsführerin des Vereins Charta der Vielfalt in Berlin. Bis Februar 2011 war sie als Direktorin bei der Deutschen Bank verantwortlich für das Diversity Management in Deutschland und gestaltete es auch global mit. Darüber hinaus engagiert sie sich in verschiedenen Diversity Netzwerken und Beiräten.
Deutscher Diversity-Tag
Kultur-Thema Vielfalt
Immer mehr Kultureinrichtungen verstehen, dass ihre Arbeit ohne Vielfalt (Diversity) nicht mehr funktioniert, sei es in der Zusammensetzung ihrer Belegschaft oder bei der Ansprache des Publikums. Diese Einrichtungen setzen Diversity bereits mit einer guten Management-Strategie um.
Ein Kontrabassist, ein Bajanspieler, eine Geigerin, eine Sängerin und ein Sänger fertig ist die Besetzung des Operndolmus. Dolmus ist türkisch und bedeutet voll. Hier steht er für einen Kleinbus. Der findet seinen Weg durch Berlin, um dem Publikum zu begegnen, das sonst nicht auf die Idee kommen würde, in die Oper zu gehen. Er steuert Einrichtungen wie Begegnungsstätten für Menschen mit Migrationshintergrund an, denn das ist die Zielgruppe dieses Projekts der Komischen Oper Berlin. Vor Ort begeistern die Musikerinnen und Musiker ihr ungewohntes Publikum schnell, denn nie waren sie ihm näher als auf diesen provisorischen Bühnen.
Die Initiative kommt gut an und ist nur eine von vielen, um mehr Menschen mit Migrationshintergrund für die Oper als klassisch deutsche Kulturinstitution zu begeistern. Auch ein Kinderchor mit 25 jungen Sängerinnen und Sängern mit türkischen Wurzeln und einer deutsch-türkischen Kinderoper im Spielplan zeigt: Wir meinen es ernst mit der interkulturellen Öffnung. Die Komische Oper hat begriffen, dass es nicht alleine damit getan ist, mehr Werbung oder zielgerichtetes Marketing zu betreiben. Vielfalt muss ein Teil des Betriebs werden, um ein vielfältiges Publikum anzusprechen.
Gleiches gilt für das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, das unter anderem zu jeweils 50% Männer und Frauen beschäftigt im Gegensatz zu manch anderen Orchestern. Die unterschiedliche Herkunft der Musikerinnen und Musiker wird hier ebenfalls als Bereicherung erlebt und ein mehrstufiges Aufnahmeverfahren sorgt dafür, dass alle Bewerber/-innen eine gerechte Chance bekommen.
Vielfalt im Kulturbetrieb - Warum?
Die Wirtschaftsinitiative Charta der Vielfalt will die Einbeziehung von Diversity in der Arbeitskultur in Deutschland voranbringen. Organisationen sollen ein Arbeitsumfeld schaffen, das frei von Vorurteilen ist unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexueller Orientierung. Die Notwendigkeit für Diversity Management leitet sich unter anderem aus der Globalisierung und der veränderten Gesellschaftsstruktur ab. Ursachen sind der demographische Wandel, eine zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen sowie ein zunehmender Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund, die Individualisierung oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Die Zielgruppen von Oper, Ballett, Orchester, großen etablierten Theaterhäusern oder Museen sind aber weitgehend gleich geblieben. Kann die Kultur es sich leisten, auf weite Teile der Bevölkerung als zahlende Gäste und kreatives Potenzial zu verzichten? Ist das eine bewusste Entscheidung oder fehlte bislang das Wissen, wie Veränderungen zu mehr Vielfalt umgesetzt werden können? Mit Diversity kann eine offene Organisationskultur geschaffen werden, die sich schnell auf Veränderungen einstellen kann eine gute Voraussetzung für Change Management, das in Kulturbetrieben immer wichtiger wird.
Vielfalt im Kulturbetrieb - Wie?
Allein mit dem Zulassen von Vielfalt ist es nicht getan, darüber sollten keine Missverständnisse entstehen. Wichtig ist, mit Diversity richtig umzugehen. Dafür setzen Unternehmen und Institutionen bereits seit den 90er Jahren Diversity Management ein. Diese Strategie ermöglicht es, ausgehend von den Zielen des Unternehmens oder der Institution, Maßnahmen zu entwickeln, die Vielfalt zum Vorteil für die gesamte Organisation werden lässt. Gemischt zusammengesetzte Teams kommen meist zu kreativeren und innovativeren Lösungen als homogene Gruppen, vorausgesetzt sie werden richtig geführt. Beim Wettbewerb um die besten Talente profitieren die Organisationen mit einer vorurteilsfreien internen Kultur, denn das wird zunehmend zum Kriterium bei der Wahl des Arbeitsplatzes. Ein nicht zu vernachlässigender Punkt ist weiterhin die Imagebildung, da die Öffentlichkeit immer stärker auf nachhaltig und sozial agierende Unternehmen und Institutionen achtet.
Voraussetzung ist ein wertschätzendes und vorurteilsfreies Arbeitsumfeld. Die Beschäftigten fühlen sich verstanden und als Persönlichkeiten geschätzt, die Motivation steigt genauso wie die Bereitschaft, sich einzubringen. Diversity Management beschäftigt sich also mit der Analyse von Strukturen, Personalprozessen sowie der Veränderung der Organisationskultur. Bestehende Verfahren, Regelungen und Richtlinien werden im Hinblick auf ihre Durchlässigkeit und Angemessenheit untersucht und gegebenenfalls angepasst. Die Umsetzung ist kein kurzfristiges Projekt, das im Rahmen von ein oder zwei Jahren abgeschlossen ist. Es sieht eine längerfristige Veränderung der Organisationskultur vor. Für diese zielen Aktivitäten des Diversity Managements darauf ab, in der gesamten Belegschaft insbesondere jedoch bei den Führungskräften ein Bewusstsein für Vielfalt zu schaffen sowie deren Bedeutung für eine gute Zusammenarbeit und den Erfolg der Organisation zu vermitteln.
Das alles waren wichtige Punkte für die Komische Oper Berlin und das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, sich für Diversity zu öffnen und ihr Engagement auch nach außen sichtbar werden zu lassen. Mit der Unterzeichnung der Charta der Vielfalt haben sie ein sichtbares Zeichen gesetzt und sind eine Selbstverpflichtung eingegangen, dass sie sich für Diversity einsetzen. Damit sind sie in guter Gesellschaft, denn bereits über 1.800 Unternehmen und Institutionen jeder Branche und Größe sind Teil dieses Netzwerks. Die Unterzeichner/-innen tauschen gute Beispiele der Umsetzung von Diversity Management aus und nehmen aktiv an Veranstaltungen wie dem jährlichen Deutschen Diversity-Tag teil, um neue Anregungen zu bekommen. Allerdings fällt auf, dass noch sehr wenige Kulturbetriebe diesen Weg gegangen sind. Die Komische Oper Berlin berichtet voller Stolz über den Erfolg ihres Projekts Selam Opera! und hat damit den Anschluss der klassischen Oper an die Anforderungen der heutigen Gesellschaft geschafft. Viele weitere Häuser werden diesem Beispiel hoffentlich folgen.
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