06.10.2011

Autor*in

Gabi Gerbasits
Ein Zwischenresümee:

Alternativen zum Verlust der Kulturpolitik

Der Stillstand in der Kulturpolitik ist ein faktischer und das bereits über einen sehr langen Zeitraum. Dass dieser Stillstand nun auch im Regierungsfahrplan vom Mai 2011 programmatisch festgeschrieben wurde, hat uns in dieser Klarheit dann aber doch überrascht. Die Regierung will bis 2013 im Bereich Kultur folgende Ziele erreichen: die Eröffnung des 20er Hauses im Herbst 2011 und die Eröffnung der Kunstkammer im Winter 2012. Diese Projekte laufen bereits, die Zielerreichung ist deshalb wohl mehr eine, die der Bauaufsicht geschuldet ist, als eine, die politische Entwicklungsarbeit erfordert.
Dem Fahrplan ins Nirgendwo gegensteuern
Als kulturpolitischen Fahrplan ins Nirgendwo hat Marty Huber in der Presseaussendung vom 31. Mai 2011 diese Regierungsziele bezeichnet und gleichzeitig im Namen der IG Kultur Österreich die Aufforderung ausgesprochen, über anstehende kulturpolitische Themen in Diskurs zu treten.
 
Seither haben mehr als drei Monate lang AutorInnen wöchentlich kulturpolitische Einsatzorte abgesteckt, Reformen gefordert, Theorien und Praxen vorgestellt und Ausblicke gewagt. Während Otto Tremetzberger alle Hoffnung fahren lässt wenn er einen Blick auf das Treiben der kommerziellen Medien und den ORF wirft, überlegt Elisabeth Mayerhofer, ob die Politik nicht vielleicht Angst vor der freien Szene und ihren emanzipatorischen Ansätzen hat. Dies bringt Michael Wimmer zu der Frage: Was aber, wenn die Politik gar keine Angst hat, mit ,Kulturschaffenden abseits der glamourösen Institutionen in Kontakt zu treten, sondern schlicht keine Lust bzw. kein Interesse und daher meint, auf diese Kommunikation verzichten zu können?
 
Austausch mit der Politikebene
Ende Juli wollte die IG Kultur Österreich mehr Austausch mit der Politikebene und hat das Büro von Ministerin Schmied um einen Kommentar gebeten. Dieser wurde auch einige Tage später übermittelt und deckt sich an einigen Stellen mit der Eröffnungsrede der Ministerin bei den Salzburger Festspielen vom Vortag, in dem diese künstlerisches Schaffen und intellektuelle Kritik als Motor der gesellschaftlichen Entwicklung bezeichnet und ihre Aufgabe darin sieht, Rahmenbedingungen für das künstlerische Schaffen zur Verfügung zu stellen. Kulturpolitik gibt keine Inhalte vor, reguliert Kunst nicht, sie ordnet nicht an, sondern sie schafft den Rahmen, in dem sich Kunst entwickeln kann. Aber die Ministerin geht auch auf ein konkretes Thema aus unserer Artikelserie ein: Transparenz in der Kulturverwaltung. Hier widmet sie sich einem alten und zentralen Anliegen: Wir sollten KünstlerInnen nachvollziehbare Begründungen für Zusagen oder Ablehnungen ihrer Förderanträge mitteilen.
 
In einem Termin mit der IG Kultur Österreich wurde dieser Aspekt noch einmal aufgegriffen und als konkreter Reformschritt in Aussicht gestellt: Beim Treffen aller Beiräte der Kunstsektion Ende Oktober soll über diesen Punkt beraten werden. Nachvollziehbare Begründungen setzen Kriterien voraus, die aber in vielen Bereichen erst formuliert werden müssen, hoffentlich ist der Weg nicht zu lang für die noch verbleibende Zeit. Aber zurück zum Text von Claudia Schmied. Der Großteil des Kommentars listet die politischen Erfolge auf, die vorrangig nicht im Bereich der bottom up-Projekte und -Institutionen oder im soziokulturellen Bereich zu finden sind. Sogar (unbeabsichtigt?) Gegenteiliges findet sich, wenn vom großen Erfolg des Wanderkinos die Rede ist, einem neuen, von der Ministerin angeregten (beauftragten würde zu weit gehen) Projekt, für das die Projektträger mit ausreichend finanziellen Mitteln ausgestattet wurden, während die bestehenden Wanderkinos aus der freien Szene mangels Subvention täglich um ihr Überleben kämpfen.
 
Brain-Storm statt Lüfterl
Viel dichter und weitgehender war dann der Beitrag, der uns Ende Juli von Gottfried Wagner erreichte, den er explizit als Privatperson geschrieben hat. Gottfried Wagner hat im Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur zur Zeit die Stabsstelle für internationale kunst- und kulturpolitische Sonderprojekte inne. Sein kulturpolitisches Interesse und seine internationalen Erfahrungen hat er in diesen Diskurs eingebracht, hofft jedoch, dass die Artikelserie nicht als Lüfterl einer kleinen Klientel durch den Sommer streicht, sondern die angerissenen Themen noch an Tiefe und Breite gewinnen, um einen echten Brain-Storm zu entfachen. Das dieser Not tut, daran zweifelt auch Wagner nicht.
 
Die im September publizierten Beiträge sind deutlich pessimistischer gestimmt. Gerhard Ruis spricht von Stagnation und Bewegungsunfähigkeit der Politik und fordert: Es ist höchste Zeit, dass die in das Berater- und sonstige Expertenwesen entsorgten Themen von Bildungsaufgaben bis zu den Entwicklungen in den Medien den Weg in die allgemeine politische und kulturelle Beschäftigung als gesellschaftspolitische Themenstellungen zurück nehmen.
 
Anknüpfungspunkte gibt es viele, nicht nur im engeren Bereich des Bildungs- und Kulturministeriums wie die Beiträge von Stefan Haslinger über Freiwilligenarbeit sowie von Clemens Christl über die soziale Lage von KünstlerInnen aufzeigen.
 
Die unausweichliche Notwendigkeit der Diskursfähigkeit
Seit dem Amtsantritt der Ministerin für Bildung, Kunst und Kultur versuchen die Interessenvertretungen im kulturellen Feld und der Kulturrat Österreich als Zusammenschluss der meisten dieser Interessenvertretungen mit der Ministerin in einen direkten und persönlichen Austausch zu kommen. Die von den IGs postulierten Forderungen bedürfen in erster Linie ein politisches Handeln und erst in zweiter Linie eine verwaltungstechnische Umsetzung. Dem Kulturrat wird jedoch seit 2007 (!) mitgeteilt: Ministertermine sind aufgrund des dichten Kalenders nur langfristig möglich. Dialog kann nicht einseitig geführt werden, Diskurs zwar schon, aber wie in vielen der Artikeln aus der Serie auch vermerkt wurde, sollte er letztendlich in einen Dialog münden.
 
Gabi Gerbasits ist Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich
 
 

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