24.11.2008

Autor*in

Svenja Kluckow
Berlin als Kunsthauptstadt

Der Kult um die Kunst

Eine Woche lang war Berlin Kunsthauptstadt. Hier fand ein Marathon der zeitgenössischen Kunst statt, der das Publikum in Atem hielt. Die Kunstmesse Art Forum war die zentrale Veranstaltung. Neben der Hauptmesse auf dem Messegelände gab es allein drei so genannte Satelliten- Messen, von denen die Preview Berlin inzwischen als die renommierteste anerkannt wird.
Aber auch andere Kunstunternehmer nutzten wie stets die Aufmerksamkeit und die Anwesenheit des speziell interessierten Publikums aus aller Welt, bestehend aus internationalen Händlern und Sammlern, Akteuren, Direktoren und Initiatoren, um sich die Tage davor und währenddessen mit Eröffnungen von Galerien- und Museumsausstellungen, Empfängen zu Buchveröffentlichungen und Präsentationen von zukünftigen Messen in den Veranstaltungskalender einzureihen. Eine Messe ist eben auch Treffpunkt und Kommunikationsplattform für die Branche an sich. Und diese Plattform wurde in der gesamten Stadt kultiviert. Ein Kunst-Junkie konnte quasi rund um die Uhr unterwegs sein. Neben den zahlreichen offiziellen und öffentlichen Angeboten für Jedermann wurde der VIP-Gast vom Galeristen zum privaten Dinner, vom Künstler zum Umtrunk im Loft oder von der Redakteurin zur Salonrunde eingeladen.
 
Dienstag, 28.10.08: Eröffnung Temporäre Kunsthalle
Nur ein Jahr haben die Geschäftsführerin Constanze Kleiner und ihr Team nach der Entscheidung des Berliner Senats für die Halle auf dem Schlossplatz gebraucht, um sie tatsächlich zu eröffnen. Im verstaubten Beamten-Berlin ist das eine wahre Meisterleistung. Dahinter steckt viel persönliches Engagement, Überzeugung und Durchhaltekraft, denn die Kunsthalle ist immer schon ein Politikum in der Auseinandersetzung um die Neubebauung auf dem Berliner Schlossplatz gewesen. Soweit verstanden wird, soll die Kunsthalle nicht konkret gegen den Schlosswiederaufbau wirken. Aber sie steht für eine zeitgenössische Betrachtung der Neubaudiskussion, denn sie stellt das Produkt aus der Initiative für einen WhiteCube im Innern des Palastes der Republik dar. Dieser ist nun nahezu komplett abgerissen und verleiht dem Platz eine Art Anselm-Kiefersche Atmosphäre. In der Halle des Architekten Adolf Krischanitz wurde die erste Ausstellung der südafrikanischen Videokünstlerin Candice Breitz durch den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit feierlich eröffnet.
Ein Besuch lohnt sich sehr. Die Halle ist nicht nur die Hauptattraktion auf diesem zentralen Platz in der Stadt, sondern ist Symbol für einen historischen Diskurs und Anregung zu Reflektion zugleich. Altes und Neues wird in Bezug gesetzt. Vom glatten, weißen und kühlen Innenraum ergeben sich beispielsweise Blickachsen durch die Glastüren auf den Berliner Dom, die Bauakademie und das Alte Museum mit dem Lustgarten. Von den Gesichtern der Videoinstallation dieser ersten Ausstellung wird man teils verwundert, teils ermahnend angeschaut. Es ist unnötig zu bemerken, dass die Temporäre Kunsthalle Berlin eine mit ausschließlich privaten Mitteln finanzierte Kunstinstitution ist. Die Unterstützung des Mäzens Dieter Rosenkranz und der Stiftung Zukunft Berlin mit dem ehemaligen Stadtentwicklungssenator Dietmar Hassemer waren ausschlaggebend für eine Traube an Sachsponsoren und weiteren Unterstützern. Bei der Eröffnungsfeier wirkten alle Beteiligten zu Recht überglücklich, und das bestimmt nicht nur wegen des vorzüglichen Caterings. Für zwei Jahre zeigt sie nun am Schlossplatz verschiedene Positionen internationaler zeitgenössischer Kunst, die in Berlin entsteht und macht sie durch den Standort einem großen Publikum zugänglich. Was passiert danach? Temporär, das ist für die Initiatoren ein Prädikat. Bisher wurde als Ziel die Verlängerung der Zwei-Jahres-Genehmigung diskutiert, doch inzwischen verabschiedet man sich gerne aus dem Berliner Regulationsmief. Die Halle an sich ist aus Plattenteilen errichtet und praktisch in sich zusammen faltbar, transportierbar und so gefertigt, dass sie überall auf der Welt wieder errichtet werden kann. Mal sehen, wohin es danach hingeht mit der Kunsthalle als Botschafterin für Zeitgenossenschaft. Auf jeden Fall wird es ein zentral gelegener historischer Platz sein. In Berlin sollen die Besucher die Kunsthalle erst einmal genießen, der Veranstalter muss schon längst weiter planen.
Mittwoch, 29.10.08: Eröffnung Preview Berlin
Der Name ist Programm "und so eröffnete die Preview einen Tag vor der Hauptmesse ihre Tore. Der ehemalige Hangar des Flughafen Berlin-Tempelhof wurde auch in diesem Jahr wieder zum anziehenden Kunstort. Nachdem der Flughafen nun geschlossen ist, erhält der Ort eine zusätzliche Attraktivität. 57 nationale und internationale Galerien und Projekträume präsentierten Werke von "Emerging Artists." Das sind vorrangig junge Künstler oder solche, die kurz vor der Eroberung des Kunstmarktes stehen, aber die nötige Qualität haben. Der Begriff Preview kommt nicht von ungefähr, denn damit positioniert sich die Messe in einem Segment des Kunstmarktes vor der Etablierung. Die Preview Berlin hat den Anspruch, die Aufmerksamkeit auf wichtige Neuentwicklungen in der Berliner Kunstszene mit einem Angebot von Gastgalerien für das internationale Messepublikum zu bündeln. Die Macher sind allesamt selber Galeristen in der Stadt, und deshalb wissen sie nur allzu genau, was an Emerging Art aus Berlin zu präsentieren ist. Und das scheint zu funktionieren. Die Initiatoren der Preview Berlin hatten sich 2004 von der Berliner Liste emanzipiert und haben die Messe nun mit ungefähr 10.000 Besuchern pro Messe zur erfolgreichsten Satellitenmesse der Kunsthauptstadt gemacht. Dafür zeugt nicht nur die eigene Flotte der Toyota Hybrid VIP Shuttle. Die Organisation, die Räumlichkeiten und das Serviceangebot können durchaus mit dem Art Forum konkurrieren. Anders als bei der Hauptmesse, wo internationale Galerien als Teilnahmezweck auch einfach mal die reine Präsenz vertragen können, wenn sie sich beispielsweise zu einer riskanten Einzelpräsentation eines Künstlers entscheiden, sind die Teilnehmer der Preview Berlin rundum abhängig von Besuchern und Käufern. Der tatsächliche Umsatz kann über die Organisation und eine Teilnahme im folgenden Jahr entscheiden. Auch im vierten Jahr arbeitet die Preview Berlin weiterhin als ein Non-Profit Unternehmen, organisiert von Galerien für Galerien. Wenn man sich auf der Vernissage umschaute, erblickte man nicht nur erfrischende, freche und intelligente Kunst zu akzeptablen Preisen. Man konnte auch ein attraktives Publikum beobachten, das zumindest den Eindruck einer aktiven Käuferschaft machte oder Persönlichkeiten hervorbringt, die es werden wollen. Für den Erfolg der Preview steht auch die Tatsache, dass sich eine weitere neue Satellitenmesse direkt gegenüber dem Hangar dazu gesellt hatte, um zu partizipieren.
Donnerstag, 30.10.08: Eröffnung Art Forum
Als "Magnet für Gegenwartskunst" bezeichnet sich die Messe selbst, und am Mittwochabend zur Vernissage war sie tatsächlich total überfüllt. In den Gängen drängelten sich auch diesmal die Besucher, um das gesamte Spektrum zeitgenössischer Kunst von Malerei, Fotografie, Video und Skulptur auf dem Messegelände zu sehen. Zum Vergleich hatte das Art Forum im letzten Jahr insgesamt ca. 40.000 Besucher. Mehr als vierhundert Galeristen hatten sich in Berlin beworben. 127 Teilnehmer aus 26 Ländern wurden vom Beirat ausgewählt. Allein 63 von ihnen kommen aus Deutschland, darunter 28 aus Berlin, und auch von den ausländischen Vertretern haben viele bereits ein Standbein in der Hauptstadt. 31 der Galerien waren zum ersten Mal dabei. Diese Zahl sagt viel aus über diese aktuelle Messe, zumal einige renommierte Galerien wie Arndt & Partner oder Volker Diehl von einer Teilnahme abgesehen haben. Berlin war zwar in Deutschland in dieser Woche die Kunsthauptstadt, doch im internationalen Vergleich von Kunstmessen hat das Art Forum stets zu kämpfen. Große Namen sind Mangelware, allein der Galerist Thadeus Ropac vertrat die oberste Liga. Hochpreisige Kunst findet sich selten. Das Art Forum befindet sich aus Leitungs-Perspektive aber auch in einem Zwischenstadium. Am letzten Tag der Messe gab Sabrina van der Ley nach neun Jahren ihr Amt als Direktorin an ihre Nachfolger ab. Es wird sich zeigen, was und wen das neue Leitungsduo Eva-Maria Häusler und Peter Vetsch mit einem Budget von bislang 1,4 Millionen Euro erarbeiten können. Als Abschiedsvorstellung vom alten Art Forum gibt es noch eine gelungene Neuerung in Form der "Freestyle"-Arena. In der Sonderausstellung zur Messe zeigte der Kurator Hans-Jürgen Hafner 25 kleine Galeriestände in einem Parcours. Die Auflage für den Architekten war, keine hierarchische Struktur entstehen zu lassen. Ein breiter Gang führte durch gleich große, nach hinten offene Kojen. In der Mitte laden graue Kissen zum Ausruhen und Nachdenken ein, auf denen die Vernissage Besucher genüsslich ihre Drinks genossen. Die VIPs stießen vergnügt in der Monopol Lounge an, mit Blick über die Messestände. Wäre da nicht die Finanzkrise. Im Grunde genommen beschäftigte alle nur eine Frage. Beeinflusst die Finanzkrise das Geschäft mit der Kunst? Aber die Teilnehmer, Sammler und Kuratoren ließen sich von der Krise die Stimmung während der Vernissage nicht verderben. Und wieder einmal kann man bestätigen, dass der Kunstmarkt ein autarker Markt ist, dem ein elitäres Publikum als Absatzmarkt zu Grunde liegt. Ein Galerist zuckte salopp mit den Achseln und sagte, dass der Premium-Markt keine Anzeichen eines zurückhaltenden Kaufverhaltens bemerken würde, allerdings der Mittelbau in Mitleidenschaft gezogen werden würde. Vielleicht gäbe es eine generelle Preissenkung, das müsse man aber zuerst bei den Auktionen beobachten. Hinter einigen Galeristen lagen auch schon die Londoner Frieze Art Fair und die Pariser Fiac. Vielleicht waren die Galeristen in Gedanken schon beim nächsten Jahr.
Am Freitag, den 31.10.08 stieg im Szene-Club Ritter Butzke in Kreuzberg die Party vom Monopol-Magazin. Über das Wochenende waren unter Anderem die Privatsammlung des Ehepaar Haubrock am Strausberger Platz, die Julia Stoschek Collection am Potsdamer Platz oder die sehr persönliche Privatsammlung des Ehepaar Rother am Winterfeldtplatz zu besichtigen. Dabei erhielt man besondere private und intime Einblicke in die Geschmäcker und Umgangsweisen dieser Sammler-Persönlichkeiten.
Wer immer noch nicht genug hatte, schaute sich eine der sieben Ausstellungen der Reihe "Der Kult des Künstlers" mit Beuys, Koons, Klee, Giacometti, Schinkel und anderen an, die momentan in verschiedenen Häusern der Staatlichen Museen gezeigt wird. Wie der Journalist Jörg Heiser in der Süddeutschen Zeitung bemerkte, könnte diese Reihe auch "Der Kult des Schusters" heißen, denn sie ist die letzte Schau des ehemaligen Generaldirektors Peter-Klaus Schuster vor seiner Amtsübergabe an Michael Eissenhauer.
Liebe Kunst-Interessierte, planen Sie für das kommende Jahr Ende September fest einen Besuch in der Kunsthauptstadt Berlin ein. Neben den Messen wird die Überblicksschau der Berliner Galeristen ABC art berlin contemporary für Skulptur und großflächige Arbeiten ebenfalls zur gleichen Zeit ihre Tore öffnen. In diesem September war dies ein großer Erfolg, der sich im nächsten Jahr in den Marathonlauf einreihen wird.
SVENJA KLUCKOW lebt als Beraterin für Marketing-Kommunikation und Kulturmanagement in Berlin und ist für verschiedene Auftraggeber aus Deutschland, Russland und den USA tätig. Zu ihren Dienstleistungen zählen die Entwicklung und Betreuung von Marketing-Konzepten, Kommunikation, Organisations- und Strategieentwicklung, Wirtschaftsplanung sowie Veranstaltungsorganisation. Als echte Berliner Pflanze hat sie in ihrer Heimatstadt, aber auch in London, Moskau und Frankfurt/Oder studiert und ist beruflich wie auch privat für die Kunst und Kultur engagiert. Seit 2008 ist sie Berlin-Korrespondentin.
 

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