01.11.2012

Autor*in

Jan Bathel
Moderne Gesellschaft

Dritte Orte

Überall stößt man heutzutage auch im Kontext Zweiter Orte auf Dritte Orte: Coworking-Spaces und Network-Communities, Betahäuser, Hubs und Innovation Labs.
 
Selbst große Unternehmen wie HP, 3M, Alcatel-Lucent oder Microsoft um nur einige zu nennen investieren beträchtliche Summen in Orte, die mit dem Versprechen neuer, innovativer Arbeits- und Lebensformen aufgeladen sind und augenscheinlich einen Bedarf adressieren, der uns neugierig machte.
 
Auf den ersten Blick könnte man in Bezug auf diese tektonische Verwerfung in der Konstruktion unserer Lebens- und Arbeitswelten vermuten, dass die Sehnsucht nach solchen Orten viel mit den Arbeits- und Lebensbedingungen der "Digitalen Nomaden" zu tun hat, die 24 Stunden am Tag "always on" sind und daher auch darauf angewiesen sein müssen, neue Arbeitsstätten und entsprechende Chill-out-Zones zu entwickeln. Wirft man einen zweiten Blick auf dieses Phänomen, so wird deutlich, dass wir es hier mit einem dieser Schatten zu tun haben könnten, die eine Next Society bis in unsere Gegenwart hinein wirft.
 
Wesentliches Merkmal dieser nächsten Gesellschaft ist laut dem Vordenker der Netzwerkgesellschaft Manuel Castells eine neue Differenzierungslogik. War die vormoderne und moderne Gesellschaft durch das Funktionsprinzip der (sozialen) Hierarchie sowie die binäre Arbeitslogik funktional ausdifferenzierter Teilsysteme geordnet, so zerfällt die nächste Gesellschaft in einzelne "layers" und "flows", die zwar in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander existieren, aber nicht sinnvoll aufeinander bezogen werden können. An die Stelle funktional differenzierter, und damit sauber getrennter Gesellschaftsbereiche wie Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Kunst oder Erziehung tritt eine hybride Netzwerkstruktur, mit der die einst klar getrennten Bereiche auf eine unberechenbare Art und Weise miteinander in Beziehung gesetzt werden und sich einem übergeordneten Sinnzusammenhang konsequent entziehen. An die Stelle des Plans rückt nur der nächste Schritt, der brüchig und vorläufig immer darauf angewiesen ist, von den Verhältnissen informiert zu werden, die er zu verändern trachtet. Die Fragilität dieser neuen Kulturform ist gleichzeitig ihr Programm: die Vorläufigkeit jeglichen Vorgehens kann nur noch auf die Reversibilität der eigenen Schritte setzen, die es erlaubt, einen (möglichst an Konsequenzen armen) geordneten Rückzug anzutreten, sollte das Gelände im Dickicht kontingenter Optionen vollends unwegsam werden.
 
Wenn man dies mit einbezieht, wird der gesellschaftliche Bedarf für all diese Formen von »Dritten Orten« verständlicher. Sie sind Veränderungsorte, an denen mit überholten Routinen gebrochen wird. Mit ihrem Charakteristikum des "Dazwischen" sind sie prädestiniert dafür, dass dort zusammen kommt, was nicht zusammen gehört.
 
Mit dem "dazwischen" kennen sich Schnittstellenakteure wie Kulturmanager aus, aber auch für sie bietet die Ausgestaltung von Beziehungen und Stabilität im Wandel immer neue Herausforderungen und die Suche nach Veränderungsorten und Ruhezonen, nach einer individuellen Differenzierung und Erkenntnis der Layer und Flows, die dem eigenen Schaffen neue Impulse, überraschenden Nachbarschaften und Chancen liefern. Weil uns kulturelle Werte am Herzen liegen und wir denken, dass die REVUE den Akteuren im Dazwischen viele Inspirationen und Denkanstöße geben könnte, gewähren wir Mitgliedern des Kulturmanagement Network in diesem Jahr 20 % Rabatt auf jede Bestellung.
 
REVUE - Magazine for the Next Society: www.revue-magazine.net
 

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