26.08.2016
Themenreihe Preise & Ticketing
KM Magazin
Autor*in
Tom Schößler
ist kaufmännischer Geschäftsleiter und Stiftungsvorstand der Weserburg Museum für moderne Kunst in Bremen. Zuvor war er u.a. Verwaltungsleiter im Theaterhaus Stuttgart. Er beteiligt er sich an Forschungsprojekten und Publikationen mit den Schwerpunkten Kulturmarketing und Kulturfinanzierung und ist als Lehrbeauftragter an verschiedenen Hochschulen tätig.
Preisgestaltung
Mehr Preispolitik wagen!
Preisgestaltung ist ein Thema, das vom Kulturmanagement bisher eher stiefmütterlich behandelt wird. Viel zu groß ist die Gefahr, sich an diesem heißen Eisen die Finger zu verbrennen. Grund genug für Kulturmanagement Network, eine eigene Themenreihe zur Preisgestaltung im Kulturbetrieb zu veröffentlichen. Dieser Beitrag geht der Frage nach, wer eigentlich die Preise festlegt und welche Spielräume in der Gestaltung offen sind.
Themenreihe Preise & Ticketing
Preisgestaltung mehr als ein Bauchgefühl
Im Kulturmanagement wird der Preisgestaltung bisher nur wenig Beachtung geschenkt. Dafür lassen sich mehrere Gründe ausmachen. Zunächst ist der deutsche Kulturbetrieb stark von öffentlicher Förderung geprägt. Eintritts-einnahmen spielen im Finanzierungsmix von Theatern und Museen nur eine untergeordnete Rolle. Rund 12 Prozent tragen die Eintrittsgelder in öffentlichen Theatern durchschnittlich zur Finanzierung der Angebote bei. In Privattheatern, bei Festivals oder eigenständigen Orchestern liegt der Anteil höher, in Museen dürfte er deutlich niedriger sein. Zudem werden die Preise kommunaler Einrichtungen in der Gebührenordnung festgelegt. Nicht alle Thea-ter und Museen, geschweige denn Bibliotheken oder Musikschulen können daher frei über ihre Preise entscheiden. Nicht selten werden Gebührendebatten sogar zum Politikum. Drittens ist über die Funktionsweise von Preisen wenig bekannt Psychologie spielt eine große Rolle ,und wo Psychologie ist, ist das Bauchgefühl nicht weit. Und so werden Preisentscheidungen in vielen Kulturbetrieben eher erfahrungs- denn datenbasiert gefällt. Das gilt allerdings auch für viele andere Branchen.
Der Preis als ordnende Hand? Nicht im öffentlichen Kulturbetrieb
Die Funktion des Preises lässt sich auf einen Punkt bringen: Der Preis entsteht dort, wo Angebot und Nachfrage sich treffen, jedenfalls im theoretischen Markt ohne Hindernisse und Interventionen. Das heißt aber auch: oh-ne Nachfrage kein Angebot. Um die Kosten zu decken, müsste ein deutsches Stadt- oder Staatstheater derzeit durchschnittlich rund 150 Euro für eine Eintrittskarte verlangen. In der Oper mit Chor und Orchester läge der Preis sogar noch deutlich darüber. Zu diesem Preis würden vermutlich nur wenige Karten verkauft, der Anbieter würde vom Markt verschwinden. Dank der Intervention der öffentlichen Hand verhält es sich in Sachen Kultur glücklicher-weise anders. Der Staat fördert die Produktion der kulturellen Güter, die oh-ne Förderung nicht oder nicht in ausreichendem Maße angeboten würden. Die Wirkung: Zuwendungen und Zuschüsse entbinden den geförderten Kulturbetrieb davon, einen kostendeckenden Preis erheben zu müssen.
Königsdisziplin Preisdifferenzierung
Die Gestaltung von Preisen wird im Kulturmanagement, analog zur Betriebswirtschaft, im Marketing besprochen. Price ist eines der 4P des Marketingmix, der operativen Instrumente, mit denen die Beziehung zum Kunden gestaltet werden soll. Zur Preisfindung stehen drei klassische Strategien zur Verfügung: die Orientierung an den Kosten, am Wettbewerb oder an der Nachfrage. Da sich Kulturbetriebe selten am Wettbewerb orientieren können oder wollen und ein kostendeckender Preis von kaum einem Besucher zu zahlen wäre (s.o.), bleibt die nachfrageorientierte Preisbildung. Theoretisch heißt das: Aus Anbietersicht ist der optimale Preis so hoch, dass der Kunde ihn gerade noch zu zahlen bereit ist. Wo diese Zahlungsbereitschaft liegt, ist die große Unbekannte, hat doch jede Besucherin und jeder Besucher eine individuelle Vorstellung von dem, was der Nutzen des Theater- oder Museumsbesuchs ist. Selbst wenn man die Zahlungsbereitschaft als Ausdruck der Nutzenvorstellung erheben könnte, müsste man jedem einzelnen Kunden einen eigenen Preis anbieten. Da das schwer umzusetzen ist wenngleich dank fortschreitender Technik nicht mehr unmöglich bedienen sich Kulturbetriebe verschiedener Optionen der Preisdifferenzierung.
Das Prinzip der Preisdifferenzierung lässt sich am einfachsten mit dem Umkehrschluss erläutern: Bei einem Einheitspreis verliert ein Anbieter all diejenigen, die nicht bereit sind, den geforderten Preis zu zahlen. Bei all denjenigen, die auch mehr gezahlt hätten, verliert der Anbieter ebenfalls, weil er die Zahlungsbereitschaft dieser Kunden nicht abgeschöpft hat. Zwischen den beiden Extremen Einheitspreis für alle und individueller Preis für jeden liegen die Graustufen der Preisdifferenzierung. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist die Segmentierung des Marktes. Ohne sie sind keine zielgerichteten Angebote möglich. Auch dies ist eine Hürde im Kulturmarketing, denn öffentliche Kulturbetriebe haben den Auftrag, jedermann zu erreichen. Dieser Auftrag, der in Kultur für alle sein politisches Motto fand, wird vielerorts als Grund angeführt, warum keine Marktsegmentierung vorgenommen wird. Dabei sagt Segmentierung zunächst nur, dass sinnvolle Gruppen des potenziellen Gesamtpublikums gebildet werden, die vom Marketing zielgerichtet angesprochen werden können. Der Zweck der Segmentierung, die unterschiedlichen Gruppen aufgrund begrenzter Ressourcen gegebenenfalls unterschiedlich intensiv anzusprechen, heißt nicht, dass Publika ausgeschlossen werden.
Klar ist: Preispolitik im öffentlichen Kulturbetrieb muss immer die Zugänglichkeit gewährleisten. Es dürfen keine finanziellen Barrieren für diejenigen geschaffen werden, die nur über ein sehr geringes Einkommen verfügen, sonst verliert die öffentliche Förderung ihre Legitimation. Klar ist aber auch: Das betrifft nicht den Großteil des (Hochkultur-)Publikums. Der Preis mag die einfachste Begründung sein, warum Menschen Kulturangebote nicht nutzen. Studien belegen aber immer wieder, dass das Fernbleiben viele Gründe hat und es eben nicht in erster Linie am Preis liegt.
Wie also funktioniert Preisdifferenzierung in der Kultur? Theater, Orchester und ähnliche Anbieter von Veranstaltungen nutzen mehr als die meisten an-deren Kulturbetriebe diverse Differenzierungsarten, was als Strategie der mehrdimensionalen Preisdifferenzierung bezeichnet wird. In einem Mehrspartentheater kann es zum Beispiel unterschiedliche Preise für Schauspiel und Musiktheater (leistungsbezogene Preisdifferenzierung), günstigere Prei-se unter der Woche als am Wochenende (zeitliche Preisdifferenzierung), Rabatte für Schüler und Studenten (personelle Preisdifferenzierung) und natürlich Abonnements (eine Mischform aus Frühbucher-, Mengen- und Treuerabatt) geben. Überall dort, wo Sitzplätze verkauft werden, liegt das wichtigste Differenzierungskriterium jedoch in den räumlichen Unterschieden. Zwischen den Preisen im Parkett und im obersten Rang können in großen Häusern über 100 Euro liegen. Ob derlei große Preisspreizungen die akustischen und visuellen Qualitätsunterschiede tatsächlich rechtfertigen, sei den Kennern überlassen. Viel wichtiger als die objektiven Kriterien aus Entfernung und Klang ist ohnehin das Abbilden der unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften. Damit findet zwar nicht jeder seinen individuellen Preis, aber mit mehreren Preisstufen macht der Kulturbetrieb Angebote, den Platz zu fin-den, der nah an der eigenen Zahlungsbereitschaft liegt. In Einzelfällen kann das dazu führen, dass ein Premierenplatz im Parkett, auf dem es vielleicht auch darum geht, zu sehen und gesehen zu werden, ein Vielfaches eines Rangplatzes kostet, wo sich jemand nur für die Musik interessiert.
Museen haben zwar keine Unterschiede in der Sitzplatzqualität, doch auch sie differenzieren nach verschiedenen Segmentierungskriterien. Sonder- und Dauerausstellungen unterliegen der leistungsbezogenen Preisdifferenzierung und Rabatte für Schüler, Studenten oder Rentner sind ebenso üblich wie Mengenrabatte für Gruppen. Bisweilen werden Eintritt und Führung im Paket angeboten, sogenannte Preisbündel. Museen können zudem zeitlich differenzieren, z.B. durch einen Museumstag mit niedrigerem oder freiem Eintritt, oder zur Lenkung von Stoßzeiten in Häusern mit großem touristischem Andrang. Der Eintritt in den Abendstunden könnte günstiger sein, weil nur noch wenig Zeit zum Besuch bleibt, oder auch teurer, wenn das Museum eine beliebte After-Work-Location ist. Auch Jahres- und Clubkarten, Museumscards für Wochenendbesucher, Bring-A-Friend- oder 2-für-1-Aktionen sind Gegenstand der Preispolitik. Einige Museen haben jüngst mit Pay-what-you-want experimentiert und die Preisfindung dem Besucher überlas-sen. Der Schweizer Ökonom Bruno Frey hat vorgeschlagen, Besucher nach der Verweildauer zahlen zu lassen, ähnlich wie beim Parken. Was zunächst befremdlich erscheint, hat bei genauerem Hinsehen einen gewissen Charme, schließlich will nicht jeder Besucher mehrere Stunden im Museum verbringen und dafür den vollen Tagespreis zahlen. Die Preise dergestalt nach der Nutzungsdauer zu differenzieren, Frey nennt es Pay-as-you-go, ist ökonomisch betrachtet sogar fairer als eine Einheitspauschale.
Ein Blick nach vorn
Was passiert, wenn die klassischen Differenzierungsmöglichkeiten ausgereizt sind? In kommerziellen Kulturbetrieben wird zunehmend diskutiert, ob weiteres Potenzial im Revenue Management und Dynamic Pricing liegt. Da-bei handelt es sich, kurzgesagt, um die erlösorientierte Optimierung von Preis und Menge, wie sie Fluggesellschaften, Hotels, die Deutsche Bahn oder Freizeitparks schon länger betreiben. Voraussetzung ist stets eine fixe Kapazität, also üblicherweise feste Sitzplätze. Neu ist das Dynamische der Preis wird an die Nachfrage gekoppelt und kann sich im Laufe des Vorverkaufs ändern. Klassischerweise steigen die Preise, je näher man dem Leistungsdatum kommt. Im deutschen Veranstaltungsbetrieb haben solche Werkzeuge, mit wenigen Ausnahmen im Privattheatersektor, noch nicht Fuß gefasst. Öffentliche Kulturbetriebe scheuen sich vor den marktorientierten Instrumenten, da sie für Transparenz und Verlässlichkeit stehen wollen. Fluggesellschaften oder Hotels gelten nicht gerade als beliebte Unternehmen und dem auratischen Theaterbesuch soll keine banale Schnäppchenjagd vorangehen.
In einigen Häusern außerhalb Deutschlands wird Dynamic Pricing allerdings bereits erfolgreich eingesetzt. Nach dem Chicago Symphony Orchestra, das als weltweiter Pionier im Kulturbereich gilt, sind auch anerkannte europäische Opernhäuser etwa in Amsterdam, Kopenhagen und Malmö ins Dynamic Pricing eingestiegen. Lohnt sich der Aufwand, die Investition in Software, der mögliche Ärger mit Besuchern? Selbst wenn der Anteil der Eintrittseinnahmen gering ist, mit 50.000 oder 100.000 Euro mehr im Jahr könnte so manches Kinder- und Jugendprojekt, soziale Engagement, ein Kompositionsauftrag oder experimentelles Format mehr realisiert werden. Das wiederum funktioniert nur, wenn die Kulturbetriebe eventuelle Mehreinnahmen auch behalten bzw. in die entsprechenden Budgets umwidmen dürfen. Damit wäre die Brücke zur eingangs erwähnten Kulturpolitik geschlagen. Den Rah-men für die Preisgestaltung im öffentlichen Kulturbetrieb muss die Kulturpolitik schaffen. Das Kulturmanagement ist für die effiziente und zugleich verantwortungsvolle Umsetzung zuständig.
Preise managen
Bezogen auf die Preisgestaltung bedeutet dies, dass sich alle Marketingmaßnahmen, also auch die Preispolitik, aus dem Zweck und den Zielen der Organisation ableiten sollten. Wie segmentiert wird, welche Segmente als Zielgruppen in den Fokus rücken und welche Maßnahmen genutzt werden, um sie anzusprechen, leitet sich daraus ab, was genau erreicht werden soll. An dieser Stelle ist in vielen Kulturbetrieben ein Defizit auszumachen. Nicht weil sie es nicht könnten, sondern weil der öffentliche Auftrag fast überall zu vage bleibt, um präzise Ziele zu formulieren, die über die Besucherzahlen, die Auslastung (die auch gestaltet werden kann) oder den Wirtschaftsplan hinausgehen. Selbstverständlich ist dabei anzuerkennen, dass die Qualität des Kulturangebots kaum zu messen ist und die Freiheit der Kunst nicht der Wirtschaftlichkeit unterworfen werden sollte eben dieser Spagat aus betriebswirtschaftlichen und künstlerischen Überlegungen ist ja die Leistung des Kulturmanagements. Den strategischen Rahmen bildet dann der Marketing-Managementprozess. Die Elemente des Marketing-Mix, in dem die Preispolitik nur eines von vielen Instrumenten ist, sollten miteinander verwoben sein, schlüssig für Besucher und interessierte Öffentlichkeit, passend zum Betrieb und dessen Image. Das Preissystem sollte dem Publikum entsprechend gestaltet werden, das heißt dessen Nutzenempfinden widerspiegeln, der mit Bedürfnissen wie Distinktion, Service, Bildung, Unterhaltung, Erlebnis usw. sehr vielfältig sein kann. Dabei geht es keineswegs immer um Maximierung. Die Preispolitik muss auch im Audience Development mit-gedacht werden. Sollen beispielsweise junge Menschen erreicht werden, wie es sich fast jeder Kulturbetrieb wünscht, sind entsprechende inhaltliche Angebote (samt Vermittlungsarbeit) ebenso relevant wie die passenden Rabatte, Sonderangebote (z.B. Studententag) oder unkonventionelle Preisaktionen (z.B. Pay-what-you-want). Ist hingegen ein wenig preissensibles Publikum zu erwarten, etwa bei Opernpremieren, Ballettgalas, an Silvester oder am letzten Wochenende einer Sonderausstellung, darf auch die Preispolitik einer anderen Logik folgen.
Fazit
Die Preispolitik ist wie das gesamte Kulturmarketing ein Prozess mit einer gewissen Komplexität, an dessen Ende ein Maßnahmen-Set steht, das einerseits im Großen und Ganzen denken und andererseits aus möglichst konkreten Zielen abgeleitet sein sollte. In der Kommunikationspolitik sind viele Kulturbetriebe schon sehr weit, mit pfiffigen PR-Aktionen und teils ganz eigenen und berauschenden Ästhetiken. Das Publikum nimmt uns Experimente nicht übel. Warum nicht auch, frei nach einem Leitspruch der Kulturpolitischen Gesellschaft vor einigen Jahren, mehr Preispolitik wagen?
Im Kulturmanagement wird der Preisgestaltung bisher nur wenig Beachtung geschenkt. Dafür lassen sich mehrere Gründe ausmachen. Zunächst ist der deutsche Kulturbetrieb stark von öffentlicher Förderung geprägt. Eintritts-einnahmen spielen im Finanzierungsmix von Theatern und Museen nur eine untergeordnete Rolle. Rund 12 Prozent tragen die Eintrittsgelder in öffentlichen Theatern durchschnittlich zur Finanzierung der Angebote bei. In Privattheatern, bei Festivals oder eigenständigen Orchestern liegt der Anteil höher, in Museen dürfte er deutlich niedriger sein. Zudem werden die Preise kommunaler Einrichtungen in der Gebührenordnung festgelegt. Nicht alle Thea-ter und Museen, geschweige denn Bibliotheken oder Musikschulen können daher frei über ihre Preise entscheiden. Nicht selten werden Gebührendebatten sogar zum Politikum. Drittens ist über die Funktionsweise von Preisen wenig bekannt Psychologie spielt eine große Rolle ,und wo Psychologie ist, ist das Bauchgefühl nicht weit. Und so werden Preisentscheidungen in vielen Kulturbetrieben eher erfahrungs- denn datenbasiert gefällt. Das gilt allerdings auch für viele andere Branchen.
Der Preis als ordnende Hand? Nicht im öffentlichen Kulturbetrieb
Die Funktion des Preises lässt sich auf einen Punkt bringen: Der Preis entsteht dort, wo Angebot und Nachfrage sich treffen, jedenfalls im theoretischen Markt ohne Hindernisse und Interventionen. Das heißt aber auch: oh-ne Nachfrage kein Angebot. Um die Kosten zu decken, müsste ein deutsches Stadt- oder Staatstheater derzeit durchschnittlich rund 150 Euro für eine Eintrittskarte verlangen. In der Oper mit Chor und Orchester läge der Preis sogar noch deutlich darüber. Zu diesem Preis würden vermutlich nur wenige Karten verkauft, der Anbieter würde vom Markt verschwinden. Dank der Intervention der öffentlichen Hand verhält es sich in Sachen Kultur glücklicher-weise anders. Der Staat fördert die Produktion der kulturellen Güter, die oh-ne Förderung nicht oder nicht in ausreichendem Maße angeboten würden. Die Wirkung: Zuwendungen und Zuschüsse entbinden den geförderten Kulturbetrieb davon, einen kostendeckenden Preis erheben zu müssen.
Königsdisziplin Preisdifferenzierung
Die Gestaltung von Preisen wird im Kulturmanagement, analog zur Betriebswirtschaft, im Marketing besprochen. Price ist eines der 4P des Marketingmix, der operativen Instrumente, mit denen die Beziehung zum Kunden gestaltet werden soll. Zur Preisfindung stehen drei klassische Strategien zur Verfügung: die Orientierung an den Kosten, am Wettbewerb oder an der Nachfrage. Da sich Kulturbetriebe selten am Wettbewerb orientieren können oder wollen und ein kostendeckender Preis von kaum einem Besucher zu zahlen wäre (s.o.), bleibt die nachfrageorientierte Preisbildung. Theoretisch heißt das: Aus Anbietersicht ist der optimale Preis so hoch, dass der Kunde ihn gerade noch zu zahlen bereit ist. Wo diese Zahlungsbereitschaft liegt, ist die große Unbekannte, hat doch jede Besucherin und jeder Besucher eine individuelle Vorstellung von dem, was der Nutzen des Theater- oder Museumsbesuchs ist. Selbst wenn man die Zahlungsbereitschaft als Ausdruck der Nutzenvorstellung erheben könnte, müsste man jedem einzelnen Kunden einen eigenen Preis anbieten. Da das schwer umzusetzen ist wenngleich dank fortschreitender Technik nicht mehr unmöglich bedienen sich Kulturbetriebe verschiedener Optionen der Preisdifferenzierung.
Das Prinzip der Preisdifferenzierung lässt sich am einfachsten mit dem Umkehrschluss erläutern: Bei einem Einheitspreis verliert ein Anbieter all diejenigen, die nicht bereit sind, den geforderten Preis zu zahlen. Bei all denjenigen, die auch mehr gezahlt hätten, verliert der Anbieter ebenfalls, weil er die Zahlungsbereitschaft dieser Kunden nicht abgeschöpft hat. Zwischen den beiden Extremen Einheitspreis für alle und individueller Preis für jeden liegen die Graustufen der Preisdifferenzierung. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist die Segmentierung des Marktes. Ohne sie sind keine zielgerichteten Angebote möglich. Auch dies ist eine Hürde im Kulturmarketing, denn öffentliche Kulturbetriebe haben den Auftrag, jedermann zu erreichen. Dieser Auftrag, der in Kultur für alle sein politisches Motto fand, wird vielerorts als Grund angeführt, warum keine Marktsegmentierung vorgenommen wird. Dabei sagt Segmentierung zunächst nur, dass sinnvolle Gruppen des potenziellen Gesamtpublikums gebildet werden, die vom Marketing zielgerichtet angesprochen werden können. Der Zweck der Segmentierung, die unterschiedlichen Gruppen aufgrund begrenzter Ressourcen gegebenenfalls unterschiedlich intensiv anzusprechen, heißt nicht, dass Publika ausgeschlossen werden.
Klar ist: Preispolitik im öffentlichen Kulturbetrieb muss immer die Zugänglichkeit gewährleisten. Es dürfen keine finanziellen Barrieren für diejenigen geschaffen werden, die nur über ein sehr geringes Einkommen verfügen, sonst verliert die öffentliche Förderung ihre Legitimation. Klar ist aber auch: Das betrifft nicht den Großteil des (Hochkultur-)Publikums. Der Preis mag die einfachste Begründung sein, warum Menschen Kulturangebote nicht nutzen. Studien belegen aber immer wieder, dass das Fernbleiben viele Gründe hat und es eben nicht in erster Linie am Preis liegt.
Wie also funktioniert Preisdifferenzierung in der Kultur? Theater, Orchester und ähnliche Anbieter von Veranstaltungen nutzen mehr als die meisten an-deren Kulturbetriebe diverse Differenzierungsarten, was als Strategie der mehrdimensionalen Preisdifferenzierung bezeichnet wird. In einem Mehrspartentheater kann es zum Beispiel unterschiedliche Preise für Schauspiel und Musiktheater (leistungsbezogene Preisdifferenzierung), günstigere Prei-se unter der Woche als am Wochenende (zeitliche Preisdifferenzierung), Rabatte für Schüler und Studenten (personelle Preisdifferenzierung) und natürlich Abonnements (eine Mischform aus Frühbucher-, Mengen- und Treuerabatt) geben. Überall dort, wo Sitzplätze verkauft werden, liegt das wichtigste Differenzierungskriterium jedoch in den räumlichen Unterschieden. Zwischen den Preisen im Parkett und im obersten Rang können in großen Häusern über 100 Euro liegen. Ob derlei große Preisspreizungen die akustischen und visuellen Qualitätsunterschiede tatsächlich rechtfertigen, sei den Kennern überlassen. Viel wichtiger als die objektiven Kriterien aus Entfernung und Klang ist ohnehin das Abbilden der unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften. Damit findet zwar nicht jeder seinen individuellen Preis, aber mit mehreren Preisstufen macht der Kulturbetrieb Angebote, den Platz zu fin-den, der nah an der eigenen Zahlungsbereitschaft liegt. In Einzelfällen kann das dazu führen, dass ein Premierenplatz im Parkett, auf dem es vielleicht auch darum geht, zu sehen und gesehen zu werden, ein Vielfaches eines Rangplatzes kostet, wo sich jemand nur für die Musik interessiert.
Museen haben zwar keine Unterschiede in der Sitzplatzqualität, doch auch sie differenzieren nach verschiedenen Segmentierungskriterien. Sonder- und Dauerausstellungen unterliegen der leistungsbezogenen Preisdifferenzierung und Rabatte für Schüler, Studenten oder Rentner sind ebenso üblich wie Mengenrabatte für Gruppen. Bisweilen werden Eintritt und Führung im Paket angeboten, sogenannte Preisbündel. Museen können zudem zeitlich differenzieren, z.B. durch einen Museumstag mit niedrigerem oder freiem Eintritt, oder zur Lenkung von Stoßzeiten in Häusern mit großem touristischem Andrang. Der Eintritt in den Abendstunden könnte günstiger sein, weil nur noch wenig Zeit zum Besuch bleibt, oder auch teurer, wenn das Museum eine beliebte After-Work-Location ist. Auch Jahres- und Clubkarten, Museumscards für Wochenendbesucher, Bring-A-Friend- oder 2-für-1-Aktionen sind Gegenstand der Preispolitik. Einige Museen haben jüngst mit Pay-what-you-want experimentiert und die Preisfindung dem Besucher überlas-sen. Der Schweizer Ökonom Bruno Frey hat vorgeschlagen, Besucher nach der Verweildauer zahlen zu lassen, ähnlich wie beim Parken. Was zunächst befremdlich erscheint, hat bei genauerem Hinsehen einen gewissen Charme, schließlich will nicht jeder Besucher mehrere Stunden im Museum verbringen und dafür den vollen Tagespreis zahlen. Die Preise dergestalt nach der Nutzungsdauer zu differenzieren, Frey nennt es Pay-as-you-go, ist ökonomisch betrachtet sogar fairer als eine Einheitspauschale.
Ein Blick nach vorn
Was passiert, wenn die klassischen Differenzierungsmöglichkeiten ausgereizt sind? In kommerziellen Kulturbetrieben wird zunehmend diskutiert, ob weiteres Potenzial im Revenue Management und Dynamic Pricing liegt. Da-bei handelt es sich, kurzgesagt, um die erlösorientierte Optimierung von Preis und Menge, wie sie Fluggesellschaften, Hotels, die Deutsche Bahn oder Freizeitparks schon länger betreiben. Voraussetzung ist stets eine fixe Kapazität, also üblicherweise feste Sitzplätze. Neu ist das Dynamische der Preis wird an die Nachfrage gekoppelt und kann sich im Laufe des Vorverkaufs ändern. Klassischerweise steigen die Preise, je näher man dem Leistungsdatum kommt. Im deutschen Veranstaltungsbetrieb haben solche Werkzeuge, mit wenigen Ausnahmen im Privattheatersektor, noch nicht Fuß gefasst. Öffentliche Kulturbetriebe scheuen sich vor den marktorientierten Instrumenten, da sie für Transparenz und Verlässlichkeit stehen wollen. Fluggesellschaften oder Hotels gelten nicht gerade als beliebte Unternehmen und dem auratischen Theaterbesuch soll keine banale Schnäppchenjagd vorangehen.
In einigen Häusern außerhalb Deutschlands wird Dynamic Pricing allerdings bereits erfolgreich eingesetzt. Nach dem Chicago Symphony Orchestra, das als weltweiter Pionier im Kulturbereich gilt, sind auch anerkannte europäische Opernhäuser etwa in Amsterdam, Kopenhagen und Malmö ins Dynamic Pricing eingestiegen. Lohnt sich der Aufwand, die Investition in Software, der mögliche Ärger mit Besuchern? Selbst wenn der Anteil der Eintrittseinnahmen gering ist, mit 50.000 oder 100.000 Euro mehr im Jahr könnte so manches Kinder- und Jugendprojekt, soziale Engagement, ein Kompositionsauftrag oder experimentelles Format mehr realisiert werden. Das wiederum funktioniert nur, wenn die Kulturbetriebe eventuelle Mehreinnahmen auch behalten bzw. in die entsprechenden Budgets umwidmen dürfen. Damit wäre die Brücke zur eingangs erwähnten Kulturpolitik geschlagen. Den Rah-men für die Preisgestaltung im öffentlichen Kulturbetrieb muss die Kulturpolitik schaffen. Das Kulturmanagement ist für die effiziente und zugleich verantwortungsvolle Umsetzung zuständig.
Preise managen
Bezogen auf die Preisgestaltung bedeutet dies, dass sich alle Marketingmaßnahmen, also auch die Preispolitik, aus dem Zweck und den Zielen der Organisation ableiten sollten. Wie segmentiert wird, welche Segmente als Zielgruppen in den Fokus rücken und welche Maßnahmen genutzt werden, um sie anzusprechen, leitet sich daraus ab, was genau erreicht werden soll. An dieser Stelle ist in vielen Kulturbetrieben ein Defizit auszumachen. Nicht weil sie es nicht könnten, sondern weil der öffentliche Auftrag fast überall zu vage bleibt, um präzise Ziele zu formulieren, die über die Besucherzahlen, die Auslastung (die auch gestaltet werden kann) oder den Wirtschaftsplan hinausgehen. Selbstverständlich ist dabei anzuerkennen, dass die Qualität des Kulturangebots kaum zu messen ist und die Freiheit der Kunst nicht der Wirtschaftlichkeit unterworfen werden sollte eben dieser Spagat aus betriebswirtschaftlichen und künstlerischen Überlegungen ist ja die Leistung des Kulturmanagements. Den strategischen Rahmen bildet dann der Marketing-Managementprozess. Die Elemente des Marketing-Mix, in dem die Preispolitik nur eines von vielen Instrumenten ist, sollten miteinander verwoben sein, schlüssig für Besucher und interessierte Öffentlichkeit, passend zum Betrieb und dessen Image. Das Preissystem sollte dem Publikum entsprechend gestaltet werden, das heißt dessen Nutzenempfinden widerspiegeln, der mit Bedürfnissen wie Distinktion, Service, Bildung, Unterhaltung, Erlebnis usw. sehr vielfältig sein kann. Dabei geht es keineswegs immer um Maximierung. Die Preispolitik muss auch im Audience Development mit-gedacht werden. Sollen beispielsweise junge Menschen erreicht werden, wie es sich fast jeder Kulturbetrieb wünscht, sind entsprechende inhaltliche Angebote (samt Vermittlungsarbeit) ebenso relevant wie die passenden Rabatte, Sonderangebote (z.B. Studententag) oder unkonventionelle Preisaktionen (z.B. Pay-what-you-want). Ist hingegen ein wenig preissensibles Publikum zu erwarten, etwa bei Opernpremieren, Ballettgalas, an Silvester oder am letzten Wochenende einer Sonderausstellung, darf auch die Preispolitik einer anderen Logik folgen.
Fazit
Die Preispolitik ist wie das gesamte Kulturmarketing ein Prozess mit einer gewissen Komplexität, an dessen Ende ein Maßnahmen-Set steht, das einerseits im Großen und Ganzen denken und andererseits aus möglichst konkreten Zielen abgeleitet sein sollte. In der Kommunikationspolitik sind viele Kulturbetriebe schon sehr weit, mit pfiffigen PR-Aktionen und teils ganz eigenen und berauschenden Ästhetiken. Das Publikum nimmt uns Experimente nicht übel. Warum nicht auch, frei nach einem Leitspruch der Kulturpolitischen Gesellschaft vor einigen Jahren, mehr Preispolitik wagen?
Dieser Artikel erschien zuerst im KM Magazin Nr. 112: Preisfrage
Zum Weiterlesen:
Tom Schößler, Preispolitik für Theater: Strategische Preisgestaltung zwischen Einnahmesteigerung und öffentlichem Auftrag, Springer VS, 2016
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