19.02.2009
Autor*in
Finn Ole Heinrich
Finn Ole Heinrich, geboren '82, autor und filmemacher, immer auf der suche nach geschichten. lebt derzeit in hamburg und unterwegs. zuletzt erschien der roman "räuberhände" im mairisch verlag. baut seiner heimat ein zuhause.
Stadtschreiber-Literaturpreis
Literatur hör- und sichtbar machen
Interview mit Finn Ole Heinrich, Träger des Stadtschreiberpreises der Stadt Erfurt 2008
Das Gespräch führte Veronika Schuster.
KM Magazin: Herr Heinrich, wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Finn Ole Heinrich: Ernsthaft zu schreiben habe ich begonnen mit 17 Jahren und im Laufe der Zeit die ganze Jugendliteraturförderung durchschritten. In Hannover habe ich in diesem Sommer mein Filmstudium abgeschlossen. Über die Zusammenarbeit mit dem mairisch Verlag bin ich dann zu Veröffentlichungen gekommen. Es wurde also sehr schnell ernster. Die öffentlichen Bühnen dagegen habe ich immer gesucht, wenn ich etwas geschrieben habe. In Hamburg konnte ich hierfür die vielfältigen Möglichkeiten der Stadt nutzen: Poetry Slams, Lesebühnen etc. Es war der Schritt in die Öffentlichkeit, und es saßen die richtigen Leute im Publikum.
KM: Welche Möglichkeiten bot Ihnen der Stadtschreiberpreis in Erfurt? Welche Erfahrungen nehmen Sie aus dieser Zeit mit?
FOH: Es war immer ein Traum, eine Stadt schreibend zu erkunden und dann noch in einer derart "luxuriösen" Situation mit einer kostenfreien Wohnung und einem monatlichen Budget also frei von jedem Druck, an meinen Themen arbeiten zu können. Ich hatte mich beworben und niemals damit gerechnet, dass ich auch ausgewählt werde. Es war eine unglaublich tolle Zeit, in der ich auf viele, sehr offene Menschen getroffen bin. Ich hatte sehr viel Arbeit, musste schreiben, u.a. eine Kolumne für die Zeitung, und habe sehr viele Lesungen veranstaltet. Das war alles möglich, da die Menschen mir gegenüber aufgeschlossen waren und mich unterstützten. Ein anderer Effekt dieses Preises war, direkt nach dem Studium einen Einstieg zu finden. Denn als Autor bei einem kleinen Verlag kann man nicht von den Verkäufen leben. Durch ein solches Stipendium kann man vier Monate schreiben, ohne auf den Markt schauen oder nebenher arbeiten zu müssen.
KM: Wie wichtig ist Ihnen die Vermittlung Ihrer Arbeit? Wie versuchen Sie das Interesse an Ihrer Literatur zu wecken? Welchen Stellenwert hat Vermittlung für Sie?
FOH: Einen sehr hohen. Zum einen weil es für mich unbedingt notwendig ist, um auf mich aufmerksam zu machen. Denn wenn man als Autor überleben will, muss man wahrgenommen werden. Zum anderen und das ist ein allgemeiner Trend sind Lesungen mein eigentlicher Verdienst. Vergleichbar mit dem Musikgeschäft, in dem Bands sich kaum noch über Plattenverkäufe, sondern über Konzerte finanzieren. Somit ist es schon aus wirtschaftlicher Sicht wichtig, Lesungen zu machenund sich aktiv darum zu kümmern, dass Literatur wahrgenommen wird.
Zudem lese ich gerne und spüre die Reaktionen des Publikums. Es ist für mein Schreiben nicht unwichtig: Ich lerne dabei und es formt meine Sprache. Bereits im Schreibprozess frage ich mich, wie es sich anhören wird, oder ich höre es beinahe, wie es klingt, wenn ich es vorlese. Zudem ist es ein gutes Korrektiv, darüber nachzudenken, ob ein Satz so gut ist, dass er vor einem Publikum bestehen kann.
KM: Welche Vermittlungswege gäbe es Ihrer Meinung nach, um den Nicht-Leser zu erreichen? Sind Lesungen dabei ein Weg?
FOH: Das können sie sein, darum bemühe ich mich und es war in Erfurt ein konkretes Anliegen. Es war ja auch für die Stadt ein Experiment, einen so jungen Autoren wie mich zu nehmen, der vorhat, in der Stadt viel zu veranstalten und Literatur hör- und sichtbar zu machen. Ich habe mich deshalb bemüht, sehr ungewöhnliche Lesungen zu veranstalten, mit neuen Konzepten oder Orten wie in einer verrufenen Bar, einem Omnibus etc. aufzufallen Orte, an denen man klassische Literatur nicht vermuten würde. Auf diese Art habe ich versucht, neues, anderes Publikum aufzuschließen, die Milieus zu vermischen und auch: Orte neu zu besetzen. Ein besonders wichtiger Teil der Vermittlungsarbeit ist, in Schulen zu gehen und den Schülern zu zeigen, dass Lesen, dass Literatur Spaß machen kann. Das hat in meiner Schulzeit vollkommen gefehlt. Ich hab erst sehr spät angefangen, mich für Literatur zu interessieren, eigentlich erst, als ich mich von der muffigen Schulliteratur emanzipiert hatte.
KM: Haben Sie bei der Wahl der ungewöhnlichen Orte in Erfurt auch ein anderes Publikum als sonst kennen gelernt?
FOH: Das war definitiv so. Doch der größte Teil war das klassische, kulturinteressierte Publikum, das eine derartige Lesung spannend fand. Aber es war auch ein Teil dabei, der sicher nicht bei einer Lesung in einer Kunsthalle erschienen wäre.
KM: Sie haben auch Film studiert. Wie beeinflussen sich für Sie diese beiden Kunstgattungen?
FOH: Gerade darüber habe ich im Augenblick sehr viel nachgedacht, denn dieser Aspekt, dass mein Schreiben sehr filmisch wäre, wird sehr häufig in Rezensionen genannt. Offensichtlich gibt es hier eine Verknüpfung. Zu Beginn habe ich das etwas abgetan. Aber ich glaube, dass etwas Wahres daran ist. Ich habe bemerkt, dass ich beim handwerklichen Herangehen an den Roman ähnlich gearbeitet habe, wie wenn ich einen Film drehe. Ich habe erst alle Stränge des Romans in Rohform geschrieben, so wie man beim Film erst einmal das Rohmaterial dreht, aus dem dann im Schnitt der Film entsteht. Diese Teile habe ich dann, sozusagen "im Schnitt" ineinander verwoben. Ganz ähnlich gehe ich eben auch beim Film vor.
Die eigentlich Schnittstelle dabei ist aber, dass mich Geschichten interessieren und ich lediglich prüfe, welches Medium für die Geschichte angemessen ist, ob ich die Tiefe besser mit Worten oder mit Bildern ausloten kann.
KM: Welche Projekte beschäftigen Sie gegenwärtig?
FOH: Ich arbeite an einem Drehbuch für einen befreundeten Regisseur, der sich für eine Geschichte aus meinem ersten Erzählband interessierte und mich fragte, ob ich diese für ihn zu einem Langfilm umschreiben könnte. Zudem arbeite ich an einem neuen Erzählband, und wir nehmen im Moment noch ein Hörbuch auf, das diesem beiliegen soll. Im Rahmen eines Stipendiums des Bremer Literaturhauses arbeite ich von jetzt bis Dezember außerdem an einer Website: www.heimathuckepack.de dort will ich Menschen, Begegnungen, Momente festhalten, betrachtbar machen, meiner Heimat ein Zuhause bauen. Es gibt Texte, Fotos und kleine Filme...
KM: Herr Heinrich, vielen Dank für das Gespräch!
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