07.09.2007

Autor*in

Thomas Mersich
studierte Musik- und Theaterwissenschaft sowie Kulturmanagement an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien. Er ist Gründer und Miteigentümer vom Musikverlag Mersich & Kiess Wien. Als Marketing Manager war er bei den Haydn Festspielen Eisenstadt tätig, beim Liszt Festival Raiding und für das Liszt-Jahr Lisztomania 2011.
Gründung einer Konzertagentur

Nachwuchskünstlern gehört die Zukunft

Mark Stephan Buhl arbeitete 14 Jahre lang bei einer der renommiertesten Künstleragenturen Österreichs und machte sich im vergangenen Jahr mit seiner eigenen Agentur "Mark Stephan Buhl Artist Management in Wien selbständig. Mit dem mittlerweile im international Konzertgeschehen sehr gut etablierten Konzertagenten sprach unser Auslandskorrespondent Thomas Mersich.
Mersich: Herr Buhl, Sie haben im Agenturbereich eigentlich eine Bilderbuchkarriere gemacht: Nach Ihrem Orgelstudium begannen Sie bei einer der renommiertesten Künstleragenturen Österreichs, bei Raab & Böhm in Wien, wo Sie letztendlich über 14 Jahre lang im Management gearbeitet haben. Nun haben Sie sich im Herbst 2006 selbständig gemacht und sind mit einer eigenen Agentur Mark Stephan Buhl Artist Management durchgestartet. Was waren Ihre tiefgreifendsten Erfahrungen in dieser Zeit und was die ausschlaggebenden Beweggründe für Ihren Schritt in die Selbständigkeit?

Buhl: Ich bin vor ca. 25 Jahren auf die Empfehlung eines Bekannten von den USA nach Wien gekommen, um hier am Konservatorium Orgel zu studieren. Wien galt als die Stadt der Musik, und ich habe mich hier von Beginn an sehr wohl gefühlt. Ich habe das Glück gehabt, in den Anfangsjahren viele interessante Leute kennen zu lernen, von denen mich einige auch unterstützt haben. Nach meinem Studienabschluss hat mir mein Orgelprofessor eine Anstellung bei der renommierten Agentur Raab & Böhm vermittelt. Ich arbeitete zunächst im Bereich Instrumentalsolisten und habe dann sehr bald auch die Abteilung Kammermusik übernommen. Obwohl ich von Dr. Böhm über die Jahre in Bezug auf die Agenden meiner Abteilung größt mögliche Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit eingeräumt bekam, sah ich, dass der Plafond meiner beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten quasi erreicht war. Nach mehr als 14 Jahren jedoch habe ich mich daher 2006 entschlossen, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen, zumal mich mit den von mir vertretenen KünstlerInnen aufgrund meiner eigenen musikalischen Ausbildung neben einer geschäftlichen auch eine künstlerische Ebene des Vertrauens verbindet.

Mersich: Sie haben gleich von Beginn an mit sehr renommierten Musikern und Ensembles wie z.B. den Pianisten Tzimon Barto, Boris Berezovsky, dem Duo Labèque und dem Dirigenten Martin Haselböck oder dem Emerson String Quartet zusammen arbeiten können. Wie war es möglich, solche bedeutenden Künstlerpersönlichkeiten für Ihre Agentur zu gewinnen?

Buhl: Nun, viele meiner KünstlerInnen kenne ich natürlich schon seit vielen Jahren aus meiner Zeit bei Raab & Böhm. Ich habe den Musikern damals meinen Entschluss, mich selbständig zu machen, mitgeteilt, und viele haben sich in Folge spontan dazu entschieden, diesen Weg mit mir gemeinsam zu gehen. Aufgrund von intensiven Gesprächen mit Dr. Böhm und einem gewissen Verständnis seinerseits für meine Situation innerhalb der Agentur, war es möglich, mich einvernehmlich zu trennen, so dass wir beide noch heute ein gutes Verhältnis haben und auch hin und wieder zusammen arbeiten.

Mersich: Wenn wir von bekannten Namen und vom Begriff der Künstlervermarktung sprechen, kommt unweigerlich die Frage nach dem Künstler als Marke auf. Wie wichtig ist es denn heutzutage für den Künstler, eine Marke zu sein?

Buhl: Jeder Künstler ist einzigartig. Somit ist auch jeder Künstler eine Marke. Jedoch muss jeder Künstler auch gewisse Qualitäten haben, denn nur so wird er für den Veranstalter auch interessant bleiben. Es ist zwar nicht immer der beste Künstler die beste Marke, aber es sollte jeder Künstler seinen eigenen Stil entwickeln und kultivieren und seinen eigenen Weg gehen. Und für diesen Weg ist die Zusammenarbeit mit einer Agentur sehr wichtig.

Mersich: Und wie sieht es mit der USP einer Konzertagentur aus? Kann man sich im Umfeld der immer stärker zunehmenden Konkurrenz eine unverwechselbare Stellung verschaffen? Oder machen letztendlich die Künstler die USP einer Agentur aus?

Buhl: Natürlich machen zum Großteil die Künstler das USP einer Agentur aus. Aber das ist bei weitem nicht alles. Es hängt sehr viel auch von der Qualität der Zusammenarbeit und der erbrachten Dienstleistung einer Agentur ab. Man hört schließlich manchmal auch: ein toller Künstler, aber eine weniger gute Agentur, oder eben umgekehrt.

Mersich: Es ist ja kein Geheimnis, dass es sich Agenturen heutzutage nicht mehr leisten wollen oder können, talentierte Nachwuchskünstler aufzubauen und zu fördern. Sie haben z.B. mit dem jungen deutschen Cellisten Leonard Elschenbroich oder der jungen englischen Geigerin Chloë Hanslip einige vielversprechende Talente unter Vertrag. Wie überzeugen Sie die Veranstalter, die schließlich alle auch ihre Häuser füllen müssen, dass diese jungen Musiker ein Engagement verdienen und vielleicht auch einmal Stars werden? Kann eine Agentur überhaupt noch einen direkten Einfluss auf die künstlerische Entwicklung und Vermarktung eines Nachwuchskünstlers nehmen?

Buhl: Ich habe mich bei Raab & Böhm schon sehr früh für junge Künstler interessiert und mich für sie eingesetzt. Da ich selbst als Musiker einmal in dieser Situation war, tue ich mir hier vermutlich ein wenig leichter und habe eventuell das nötige Gespür dafür. Ich habe mir gedacht: Bei so einer großen Agentur kann man es sich doch auch leisten, einige junge Talente zu fördern. Und ich bin bis heute bei dieser Maxime geblieben: Den Nachwuchskünstlern gehört die Zukunft! Es hängt alles jedoch sehr davon ab, wie in welchem Grad man sich mit den jungen Musikern identifizieren kann. Bei den Veranstaltern kann man es nur mit Überzeugungsarbeit versuchen. Hier sind Netzwerke und das Vertrauen der Veranstalter sehr entscheidend. Eine Agentur mit Namen kann natürlich helfen, einen Künstler aufzubauen, aber ob der Künstler letztendlich erfolgreich ist oder nicht, hängt von ihm selbst ab, denn schließlich wird der Künstler wieder eingeladen und nicht die Agentur!

Mersich: Wenn wir über Künstlerverträge sprechen: Wie sieht es denn eigentlich mit der Exklusivität aus? Gibt es heute noch Exklusivverträge mit Künstlern oder wollen sich Musiker nicht mehr an eine Agentur binden?

Buhl: Insgesamt ist der Markt in den letzten Jahren offener, in gewisser Weise demokratischer, geworden. Die Künstler sind nicht mehr bereit, sich jahrelang an eine Agentur zu binden. Aber eine gewisse Exklusivität ist für eine erfolgreiche Aufbau- oder Weiterarbeit durch eine Agentur eben notwendig. So vereinbart man heute in der Regel eine Zusammenarbeit zwar auf unbestimmte Zeit aber mit einer Exklusivität für bestimmte Länder wie z.B. Österreich, Deutschland, Europa oder eben weltweit. Aber auch für den Künstler hat eine Exklusivität Vorteile: Er hat einen Partner seines Vertrauens, der ihm normalerweise eine Vielzahl an Serviceleistungen bietet und der eine gewisse Kontinuität in der Zusammenarbeit ermöglicht und der Veranstalter hat in der Agentur zumeist einen bestimmten Ansprechpartner, was ihm die Sache sehr stark erleichtert.

Mersich: Wie Sie schon erwähnt haben, sind Sie in den USA geboren und kamen dann nach Wien um Orgel zu studieren. Verfolgen Sie auch die Situation in den USA? Ist das Agenturwesen dort ähnlich wie bei uns in Europa oder gibt es da Unterschiede?

Buhl: In den USA ist es ebenso wie im angelsächsischen Raum noch sehr traditionell: Verträge werden hier meistens über einen bestimmten Zeitraum abgeschlossen und auch die Handhabung der Verträge ist viel strikter und rigoroser, auch in Bezug auf den Umsatz.

Mersich: Gibt es auch innerhalb von Europa Unterschiede, wenn wir z.B. die Künstlersozialversicherung betrachten? Als ehemaliger Musiker müssten Sie sich ja auch mit deren Einführung auseinandergesetzt haben. Wie beurteilen Sie die Situation aus der Sicht der Künstler?

Buhl: Die Künstlersozialversicherung per se ist an und für sich eine gute Sache. In Deutschland ist die Umsetzung meiner Meinung nach ganz gut gelungen, in Frankreich gibt es sogar ein vorbildliches System. In Österreich hingegen ist die Umsetzung leider nicht ideal verlaufen. Aktuelle Fälle zeigen, dass die Versicherung eine viel zu große finanzielle Belastung darstellt. Sehr viele Künstler leben hier am Existenzminimum, und da kann man ihnen nicht noch etwas wegnehmen, wenn sie ein Bisschen über einer recht bescheidenen Verdienstgrenze einnehmen. Die Künstlersozialversicherung wurde in Österreich leider der Realität nicht angepasst. Hier wurde man meiner Meinung nach von Seiten der Politik unglücklicherweise nicht sonderlich kompetent beraten.

Mersich: Michael Russ, Präsident des Verbandes der Deutschen Konzertdirektionen, betonte im letzten KM Magazin, dass die in den letzten Jahren immer stärker hervorkommenden kleinen Betriebe im Agenturwesen wie z.B. auch Buhl Artists Management große Vorteile haben, obwohl größere Konzertdirektionen meistens auf viel mehr Ressourcen wie z.B. juristische Beratung, oder Wirtschafts- bzw. Steuerberater zurückgreifen können. Hier geht es vor allem um die Kompetenzen individuelle Betreuung, Verlässlichkeit und Vertrauen. Wie sehen Sie diese Situation?

Buhl: Ich kann Herr Russ hier nur zustimmen. Größere Agenturen sind normalerweise langsam gewachsen und ihre Betreiber haben deutlich mehr Erfahrung. Das hat natürlich Vorteile. Für kleinere Agenturen sind jedoch die Schnelligkeit, mit der sie handeln und reagieren können, sowie der immer gleiche Ansprechpartner für den Künstler und den Veranstalter beispielsweise wertvolle Qualitäten. Aber ob groß, klein oder mittel, letztendlich hängt es nicht so sehr von der Größe ab, sondern vom Vertrauen, das man einem Künstler entgegen bringt, und von Verlässlichkeit und Professionalität der eigenen Arbeit.

Mersich: Sie arbeiten ja hauptsächlich mit Instrumentalsolisten, Kammerensembles und Dirigenten zusammen. Sind dies nicht eher Bereiche, wo nur wenig zu verdienen ist? Wäre es nicht einfacher, z.B. Sänger, und vor allem Orchester, zu vermitteln?

Buhl: Bei Projekten, wo viel Geld im Spiel ist, kann man natürlich mehr verdienen, allerdings einiges ebenso verlieren. Eine Orchestertournee zu managen ist keine einfache Sache. Man braucht dazu viel Zeit, Energie, Geschick sowie etwas Glück. Mein Motto ist hier: Klein aber fein mit dem Ziel der bestmöglichen Qualität.

Mersich: Ein immer wieder und überall zitiertes Schlagwort sind die berühmten Netzwerke. Wie baut man sich solche Netzwerke auf, wie pflegt man sie und was bringen sie einem wirklich? Ist hier nicht wieder der Künstler als Marke für ein Engagement entscheidend und weniger die guten Beziehungen im weltweiten Konzertwesen?

Buhl: Netzwerke sind Beziehungen, die man sehr pflegen muss und die daher viel Zeit brauchen. Sie sind ganz entscheidend für den Erfolg jeder Agentur. Wenn sie ganz berühmte Künstler haben aber keine Netzwerke, werden Sie zunächst vermutlich ein wenig mehr Mühe haben. Netzwerke sind schließlich kein Austausch von Visitenkarten! Was Sie brauchen, ist viel Zeit, sodass das Netzwerk wie ein Puzzle langsam zusammenwächst.

Mersich: Bei Ihrer Zusammenarbeit mit dem internationalen Konzertbetrieb: arbeiten Sie hier hauptsächlich mit Stammkunden zusammen, für die Sie auch individuelle Programme entwickeln, oder kommen immer wieder neue Veranstalter auf Sie zu?

Buhl: Ich arbeite sehr viel mit Stammkunden zusammen, aber natürlich nicht nur. Für diese entwickle ich dann immer wieder eigene Programme, die auf die spezifische Natur des Veranstalters oder des Festivals abgestimmt sind. Viele neue Kontakte kommen jedoch auch von den Künstlern selbst, oder auch von Empfehlungen seitens diverser Partner oder Agenturkollegen.

Mersich: Inwieweit können neue Technologien, wie das Internet oder spezifische Datenbanken helfen, die eigenen Netzwerke zu verbessern? Nutzen Sie z.B. eine eigene Software, die Sie bei der Dokumentation Ihrer Kommunikationsabläufe unterstützt?

Buhl: Ich sehe die neuen Technologien als ein Instrument, das uns Agenten das Leben erleichtern soll, vorausgesetzt, sie sind leicht zu handhaben. Datenbanken sind hier sehr wichtig. In Deutschland und England werden zunehmend eigene Softwares für Künstleragenturen entwickelt, die durchaus zu empfehlen sind. Ich bin gerade dabei, eine davon auszuprobieren. Mit diesem Tool kann man z.B. Bankdaten abrufen, Verträge aufsetzen, Provisionen berechnen oder Repertoirelisten erstellen. Auch meine Website wurde eigens für meine Bedürfnisse konzipiert. Diese hat zwar einiges an Zeit und Geld gekostet, aber die Investition hat sich gelohnt.

Mersich: Eine ehemalige Managerin von Lorin Maazel meinte, als Agent müsste man eigentlich gleichzeitig Diplomat, Sklave, Kung-Fu-Experte, Datenbankgenie und Jongleur sein, sollte mindestens vier Sprachen sprechen, zu jeder Tageszeit erreichbar sein und natürlich auch eine große Leidenschaft für seinen Beruf haben. Muss ein Musikagent eine Art Universalgenie sein oder welche Eigenschaften glauben Sie sind für diesen Beruf entscheidend?

Buhl: Dieses Zitat ist wirklich treffend, das kann ich nur unterstreichen. Für mich ist die wichtigste Eigenschaft eines Agenten die Leidenschaft für den Beruf. Man hat im Laufe seines Lebens mit so vielen Problemen zu kämpfen und erlebt Situationen, mit denen sonst nur wenige konfrontiert sind. Im Umfeld dieser nahezu tagtäglichen Kämpfe kann man nur mit seiner Begeisterung für die Sache überleben. Jedoch hat der Beruf trotz großer Anstrengungen auch sehr viele positive Seiten: Man lernt unter Anderem viele interessante Menschen kennen, kommt sehr viel in der Welt herum und erlebt künstlerische Höhepunkte, die wirklich einmalig sind.

Mersich: Herr Buhl, Sie sind nun fast ein Jahr als Musikagent selbständig tätig. Wenn Sie das Jahr Revue passieren lassen: Sind Sie froh über Ihre Entscheidung, nun Ihr eigener Chef zu sein?

Buhl: Ich bin heute sehr froh über meine Entscheidung. Was für mich zählt ist die Tatsache, dass ich von fast allen Seiten ein positives Feedback bekomme. Von den Künstlern, von den Veranstaltern, ja selbst von meinen Agenturkollegen habe ich sehr viel Zuspruch bekommen. Das hätte ich anfangs niemals erwartet, damit hätte ich nicht gerechnet. Ich hoffe, dass es so weiter geht.

Mersich: Vielen Dank für das Interview und noch alles Gute für Ihre Zukunft!

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