28.06.2021

Themenreihe Berufsbild

Autor*in

Uwe Wagner
studierte Wirtschaftsinformatik, Kulturmanagement und International Music Management. Nach verschiedenen Stationen in der privatwirtschaftlichen Kulturförderung und im öffentlichen Kulturbereich ist er Kulturamtsleiter der Stadt Gersthofen. Zuvor war er unter anderem Geschäftsführer der Neunkircher Kulturgesellschaft gGmbH und Verwaltungsleiter beim Rheingau Musik Festival. 
Berufsbilder im Kulturbereich

Kulturamtsleitung

Kulturverwaltung klingt erst einmal nach einem wenig kreativen Berufsfeld. Tatsächlich eröffnen ein Kulturamt und gerade dessen Leitung aber viele Gestaltungsmöglichkeiten sowohl auf inhaltlicher als auch auf managerialer Ebene, wie Uwe Wagner erklärt, Kulturamtsleiter der bayrischen Stadt Gersthofen.

Themenreihe Berufsbild

Würden Sie uns Ihre wichtigsten beruflichen Stationen beschreiben? Welche haben Sie auf besondere Weise geprägt?
 
Uwe Wagner: Wichtig waren für mich gleich zu Beginn die Erfahrungen als Student der Wirtschaftsinformatik bei einem großen Finanzdienstleister: Wie funktionieren große Unternehmen, wie gelingt strukturiertes Vorgehen in Schnittstellenfunktionen oder was bedeutet es, als Dienstleister*in seine Arbeitszeit sekundengenau mit Auftraggeber*innen abzurechnen? Diese Erfahrungen prägen mich bis heute. 
 
Auch mein erster Job im Kulturbereich beim Rheingau Musik Festival war von großer Bedeutung für meinen Werdegang. Ich war sehr jung in einer führenden Position bei einem absoluten Premiumprodukt der Europäischen Festivallandschaft gelandet - eine unglaublich spannende Erfahrung. Danach war ich fünf Jahre lang als Geschäftsführer einer kommunalen Kultur gGmbH im Saarland tätig und hatte quasi diametrale Rahmenbedingungen - neun verschiedene kulturelle, völlig unterfinanzierte Institutionen zu führen, in einem Umfeld, welches den Wert und die Potentiale dieser GmbH nicht immer wahrnahm. Auch wenn diese Zeit sicher von großen Herausforderungen geprägt war, würde ich sie dennoch als äußerst lehrreich betrachten. 
 
Letztendlich wird mein Werdegang bis heute durch meine Erfahrungen sowohl in der Kultur als auch in der Wirtschaft und der daraus resultierenden Vermittlerrolle geprägt. Eine Konstellation, die ich als sehr bereichernd empfinde.  
 
Welche Aufgaben fallen in Ihren derzeitigen Tätigkeitsbereich? Wie sieht ein typischer Arbeitstag von Ihnen aus und was erfüllt Sie dabei mit besonderer Freude?
 
UW: Als Kulturamtsleiter in Gersthofen, einer wirtschaftsstarken Stadt in direkter Nachbarschaft zu Augsburg, bin ich verantwortlich für die Stadtbibliothek, das weltweit erste Ballonmuseum und die überregional renommierte Stadthalle. Für diese bin ich darüber hinaus auch noch direkt für das Programm zuständig, agiere also in einer Art Intendantenfunktion. Diese Bereiche werden in fachlicher, organisatorischer und personeller Verantwortung von mir geführt. Hinzu kommt die Vernetzung mit Kultur, Wirtschaft und Politik und die strategische Weiterentwicklung der einzelnen Bereiche.  
 
In Gersthofens Stadtverwaltung agieren unter der Leitung des Bürgermeisters die verschiedenen Fachbereiche mit ihren jeweiligen Spitzen. Wir sind als Fachbereichsleiter*innen für die generelle Ausrichtung unserer Bereiche federführend verantwortlich und können unsere Stadt so aktiv mitgestalten - eine sehr spannende Facette meiner Tätigkeit. Enge Abstimmungen mit unserem Bürgermeister sowie gemeinsame Entscheidungsfindungen mit der Politik gehören hier selbstverständlich dazu.
 
Die Aufgaben als Kulturamtsleiter sind sehr vielfältig, einen typischen Arbeitsalltag gibt es eigentlich nicht - ein Grund, weshalb mich mein Beruf so ausfüllt. Unter der Woche ist man tagsüber in viele Gespräche, Konferenzen und Treffen eingebunden, ist in Kontakt mit Agenturen und Künstler*innen, zudem ist es mir ein Anliegen, immer in engem Austausch mit meinen Mitarbeiter*innen zu stehen. Die Abende und die Wochenenden sind häufig von Veranstaltungen in Stadthalle oder Museum, Treffen politischer Gremien oder Netzwerkveranstaltungen im Großraum Augsburg geprägt.
 
Welche Aspekte Ihrer Ausbildung haben Ihnen bei Ihrer beruflichen Laufbahn am meisten geholfen?
 
UW: Zunächst einmal war die Diversität meiner Studiengänge mit BWL und IT im Bachelor und Kulturmanagement im Master für mich ein sehr großer Vorteil. Auch die vielen Erfahrungen in Unternehmen - sei es durch ein duales Studium, längere Praktika oder eine feste Anstellung - waren für mich sehr bereichernde Phasen. Zudem war der Abstecher im Studium nach Finnland wichtig, wo ich die Funktionsweisen des internationalen Pop-Business kennen lernen durfte - gerade im Kontrast zum eher klassisch geprägten Kulturmanagement-Studium. Da ich bis zum Musikabitur die komplette klassische musikalische Ausbildung durchlaufen und viel Zeit in Probenräumen und Konzertsälen zugebracht habe, ist mir bis heute die Künstler*innenperspektive sehr präsent. Letztendlich ist es genau diese Mischung aus den diversen Erfahrungen, die mir bis heute sehr hilft. 
 
Im Kulturmanagement-Studium habe ich mir vor allem ein gutes Netzwerk aufgebaut, das bis heute sehr hilfreich ist. Darüber hinaus wird man meiner Erfahrung nach leider nur bedingt auf spätere Aufgaben vorbereitet, etwa in der Kulturverwaltung, als Führungskraft oder auch als Auftraggeber*in für Freelancer*innen. Das ist umso unverständlicher, als man gerade im Kulturbereich schnell Verantwortung über kleinere Teams erhält und Vergaben schnell Bestandteil des Arbeitsalltags sind. Eine entsprechende Vorbereitung auf diese Aufgaben im Studium ist daher aus meiner Sicht unerlässlich und würde manchen Absolvent*innen nicht nur unangenehme Situationen, sondern auch eine falsche Stellenwahl ersparen. 
 
Welche Bereiche haben Ihnen in Ihrer Ausbildung gefehlt und wie haben Sie diese Kompetenzen stattdessen erworben?
 
UW: Für mich waren schon immer die praktischen Bestandteile wertvoll, da ich diese direkt im beruflichen Umfeld anwenden kann und muss. Ich hatte das große Glück, dass sich diese Erfahrungen im Laufe meines Werdegangs sozusagen automatisch angesammelt haben, gerade weil ich Wirtschaftsinformatik dual studiert habe. Und wenn Unternehmen in ein duales Studium oder anderweite hochwertige Weiterbildungsmaßnahmen investieren, tun sie dies auch in dem Wissen, die Mitarbeiter*innen als spätere Führungskräfte an sich zu binden. Davon konnte ich persönlich sehr profitieren und fände solche Konzepte auch für den Kulturbetrieb im Allgemeinen sehr wichtig. Ich durfte so bereits vor meinem Kulturmanagement-Studium exzellente Workshops und Fortbildungen zu Themengebieten wie bspw. Personalführung oder Markenbildung besuchen, die in meinem beruflichen Alltag heute eine große Rolle spielen. 
 
Nur durch das Kulturmanagement Studium und ohne dieses Wissen hätte ich mich nicht ausreichend auf mein späteres Aufgabenfeld vorbereitet gefühlt. Dies war zum einen dem zu dominanten Theoriebezugs des Studiums geschuldet, zum anderen dem Mangel im Curriculum an Inhalten zu wichtigen Einsatzgebieten von Kulturmanager*innen, wie der öffentlichen Verwaltung, einem privatwirtschaftlichen Kulturbetrieb oder der freien Wirtschaft. Ich denke, dass man Studierende hier viel mehr führen müsste, mit ihnen individuelle Profile erarbeiten und diese mit den Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt abgleichen. Voraussetzung für diese Schritte wäre natürlich, dass das Lehrpersonal mit diesen Themen vertraut und up to date ist. 
 
Ich bin aber auch der Meinung, dass viele wichtige Aspekte in unserem Berufsfeld nicht direkt von einer Ausbildung abgedeckt werden können. Als Beispiel möchte ich die Kommunikation mit der Politik nennen: In einem Studium lässt sich diese nicht direkt erlernen, man muss irgendwann einmal vor einem Stadtrat, einem Kulturausschuss oder ähnlichen Gremien ins kalte Wasser geworfen werden. Allerdings könnte und sollte man Aspekte wie diese durch mehr Praxisbezug im Studium unbedingt verstärkt einbringen, sei es durch mehr Berichte aus der Praxis oder bspw. einer Exkursion zu einer Stadtratssitzung. 
 
Wie hat sich Ihr Berufsbild in den letzten Jahren verändert? Und wie wird es sich voraussichtlich in den nächsten Jahren entwickeln?
 
UW: Wie in vielen anderen Gebieten hat auch die Dynamik in unserem Bereich zugenommen und m.E. wird sich dieser Trend in den nächsten Jahren verstärken. Wir müssen auf der einen Seite unser klassisches, konservativ geprägtes Publikum bewahren und ihm eine Heimat bieten, gleichzeitig aber auch junge und neue Zielgruppen erreichen. Von Kulturamtsleiter*innen wird erwartet, fit zu sein in Themen wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit oder sozialer Teilhabe und Trends am besten schon zu kennen, bevor sie in unseren Alltag treten. Die dynamische Entwicklung setzt sich in vielen Teilbereichen fort: auch Sponsoring wird heute anders als vor 10 Jahren betrieben. Personalführung wird im Jahr 2030 sicher anders aussehen als heutzutage und nachhaltigen Themen werden wir schon bald anders begegnen. Es wird daher eine immer größere Herausforderung werden, das "große Ganze" zusammenzuhalten und im Gesamten weiter zu entwickeln. Eine intensivere interdisziplinäre Vernetzung und die konsequentere Einbindung von Expert*innen wird daher aus meiner Sicht noch unerlässlicher werden.  Sicher ist, unsere Arbeit wird nicht weniger fordernd, damit aber auch nicht weniger spannend und abwechslungsreich. 
 
Gab es Situationen in Ihrer Karriere, in denen Sie das Gefühl hatten, das Ziel nicht mehr zu erreichen? Welchen Rat können Sie jungen Kulturmanager*innen in solchen Situationen mit auf den Weg geben?
 
UW: In der Nachbetrachtung wirkt ein Karriereweg ja oft, als sei alles genau so geplant und durchdacht gewesen. Aus eigener Erfahrung kann ich nur vom Gegenteil berichten - ich habe vom ersten Studiumstag als Wirtschaftsinformatiker an keinen der weiteren Schritte kommen sehen. Eine gewisse Offenheit für perspektivische Weiterentwicklungen scheint mir daher gerade im Kulturbereich unerlässlich.
 
Darüber hinaus ist der Arbeitsmarkt in unserem Bereich ja bekanntlich kein einfacher. Je mehr man die Suchkriterien einengt, desto schwieriger ist es, bei gefragten Arbeitsbereichen in einem bereits engen Wettbewerb erfolgreich zu werden. Auch im Kulturbereich gibt es natürlich gefragte Spezialisierungen, aber (geografische) Flexibilität ist hier ebenfalls notwendig, um eine passende Stelle zu finden. Eine entsprechend aktive Vernetzung ist deshalb nicht nur hilfreich, sondern häufig zwingende Voraussetzung, um sich überhaupt erst einmal die Möglichkeiten zur beruflichen Weiterentwicklung zu erarbeiten. Und - Geduld haben. Manchmal ist es sinnvoll, Zwischenschritte auf dem Weg zu einer Wunschposition einzulegen oder aktiv, sich informierend und vernetzend einfach einmal zu warten. Wir arbeiten schließlich in einem dynamischen, sich immer wieder neu suchenden und verändernden Umfeld - die Entstehung von immer neuen Chancen und Möglichkeiten ist daher sozusagen systemimmanent! 

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