20.11.2015
Autor*in
Eva Göbel
verantwortet die Drittmittelakquise für den städtischen Eigenbetrieb „JenaKultur“. Zuvor arbeitete sie als Kulturmanagerin u.a. für die IBA Thüringen, als Redakteurin und Journalistin, unter anderem bei Kultur Management Network. Sie studierte Literatur, Kunst und Kultur in Göttingen, Paris und Jena.
Wie ländliche Räume von regionaler Kulturarbeit profitieren können
Provinzkultur Teil V: Stadt, Land, Kunst
Metropolregionen bündeln die kulturellen und wirtschaftlichen Stärken einer Region. Der Begriff sollte aber nicht irreführen viele der elf Metropolregionen in Deutschland bestehen neben Großstädten aus ausgedehnten ländlichen Räumen. Wir sprachen mit dem Leiter des Kulturbüros der Metropolregion Rhein-Neckar, Thomas Kraus, über Strategien, die kulturelle Identität einer so vielfältigen Region erfolgreich zu profilieren.
KMN: Herr Kraus, seit 2011 betreibt das Kulturbüro der Metropolregion Rhein-Neckar regionale Kulturarbeit. Was kann dieses Modell leisten, was kommunale Kulturämter nicht können?
Thomas Kraus: Die Metropolregion Rhein-Neckar erstreckt sich über drei Ländergrenzen - Baden-Württemberg, Rheinlandpfalz und Hessen. Gleiches gilt also auch für die Arbeit des Kulturbüros. Im Zentrum der Rhein-Neckar-Region liegen die drei großen Städte Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg, aber auch zahlreiche Mittelzentren und ausgedehnte ländliche Bereiche. Insgesamt sind es 291 Kommunen. Die Herausforderung ist es, eine gemeinsame Identität für die Region zu schaffen und diese nach außen zu positionieren. Im Kulturbereich ist das eine ganz spezielle Situation, denn schließlich obliegt den Ländern und Kommunen die Hoheit für Kultur. Das Kulturbüro muss sich also zunächst die Frage stellen, welche Rolle Kultur im eigenen, regionalen Aufgabenfeld einnimmt. Die Herangehensweise ist nicht vergleichbar mit der eines Kulturamtes, das viele Institutionen verwaltet. Letztendlich ist das Kulturbüro der Metropolregion eine kreative Institution, die vernetzt und zusammenführt. Wir wollen die Zusammenarbeit unter den Kommunen und Institutionen dort fördern, wo es sinnvoll ist. Das klappt bereits sehr gut bei den Festivals und Museen der Region. Diese Netzwerke ziehen insgesamt vier Millionen Besucher an. Um eine erfolgreiche gemeinsame Arbeitsstruktur zu erreichen, ist es aber wichtig, die kommunale Sichtweise zu verlassen. Die kulturelle Stärke Deutschlands beruht darauf, dass wir in jeder größeren Stadt großartige Institutionen, wie Theater und Museen, haben. Diese einmalige Vielfalt in einem europäischen und internationalen Kontext zu präsentieren, können einzelne Kommunen selbst nicht leisten. Frühzeitig Synergien zu schaffen und gewisse Bereiche zu bündeln, muss bei einer nationalen und internationalen Positionierung deshalb Vorrang haben. Diese können eine gemeinsame Vermarktung stärken aber auch negative Entwicklungen, wie die kulturelle Verarmung einiger ländlicher Region, abfangen.
KMN: Welche Bedeutung kommt dem ländlichen Raum bei der Positionierung der Kulturregion Rhein-Neckar zu?
TK: Die Stadt Weinheim, in der das diesjährige Denkfest des Kulturbüros stattfindet, ist natürlich kein ländlicher Raum. Sie liegt allerdings im Zentrum der ländlich geprägten Bergstrasse und des Odenwaldes. Natürlich gibt es in dieser Region auch die bekannten demografischen Probleme, wie die Abwanderungstendenz vom Land in die Stadt und eine Ausdünnung der Infrastruktur in den Dörfern. Allerdings geht es in unserer Arbeit weniger darum, konkret ländliche Räume zu stärken, sondern diese in den Gesamtkontext der Region einzubetten. Mit dem Denkfest, das durch verschiedene Kommunen wandert, haben wir den Beweis erbracht, dass die Verbindungen innerhalb der Region stark genug sind und die Menschen aus anderen Städten für die Konferenz anreisen. Zudem entdeckt man unglaubliche kulturelle Highlights, wenn man sich mit den Orten fernab der vermeintlichen Leuchttürme einer Region auseinandersetzt. In Michelstadt im Odenwaldkreis hat eine kleine Gruppe junger Leute das Festival "Sound of the Forest" entwickelt, zu dem 8000 Menschen kommen. Auf einem kleinen Bauernhof entstand so ein Musikimperium. Wenn man sich nur in seinen gewohnten Kreisen bewegt, verpasst man solche Entwicklungen. Wir wollen gerade mit solchen jungen Innovatoren zukünftig Partnerschaften eingehen.
KMN: Als kulturpolitische Strategie erlebt die Kulturentwicklungsplanung gerade eine Renaissance. Ist das auch Thema für die Arbeit des Kulturbüros?
TK: Ich würde es anders formulieren. Denn von Planung hören Kulturschaffende nicht gerne und ich empfinde das Wort trifft nicht den Sachverhalt. Ich würde sagen, wir verfolgen eine strategische Zielsetzung, damit wir in der Region gemeinsam etwas erreichen können, was der einzelne nicht leisten kann. In einer großen divergenten Region wie der Rhein-Neckar-Region, in der es zu vielen Doppelungen bei kulturellen Angeboten kommt, muss man strategische Linien entwickeln, wie wir uns als Region positionieren wollen. Von daher haben wir eine "Kulturvision Rhein-Neckar" entwickelt, die für unsere Arbeit zugleich Leitlinie als auch Arbeitsgrundlage ist.
KMN: Welche Impulse und Handlungsaufträge entstehen während des Denkfestes für die Region und insbesondere für den ländlichen Raum?
TK: Nach jedem Denkfest entstehen neue Impulse. Eigentlich war das Denkfest 2011 als einmalige Veranstaltung ausgelegt, aber der Wunsch nach mehr regionalem Austausch war so groß, dass wir es zu einem jährlich stattfindenden Format weiterentwickelt haben. Beim zweiten Denkfest in Heidelberg entstand die Initiative, ein großes Netzwerk der Schlösser und Museen aufzubauen. Das wurde dann auf dem dritten Denkfest in die Tat umgesetzt. Beim letzten Denkfest in Bensheim haben wir die Gedanken, die wir im Vorfeld für die Kulturvision Rhein-Neckar entwickelt haben, in die Öffentlichkeit getragen und die kulturellen Player dazu befragt. Aus diesem Partizipationsprozess entstand eine klare Handlungspartitur für unsere Region. Es hat sich durch das Denkfest tatsächlich so etwas wie eine Familie entwickelt, die sich immer besser kennen lernt.
KMN: Das Kulturbüro legt viel Wert darauf, dass diese Familie die kulturelle Vielfalt der Region widerspiegelt. Tatsächlich waren bei dem Denkfest in Weinheim kaum Menschen mit Migrationsbiografien auf Seiten der ReferentInnen und BesucherInnen vertreten. Sollte die Vielfalt der Region nicht auch die Interkulturalität ihrer Einwohner widerspiegeln?
TK: Die Frage ist ja, welche Zielgruppe man erreichen will. Für uns steht das Zusammenkommen der kulturinteressierten Menschen in der Region im Vordergrund. Ob sich Menschen mit migrantischem Hintergrund für eine Veranstaltung wie das Denkfest interessieren, hängt natürlich von den Themen ab, die man setzt. Sicher gibt es Zielgruppen, die wir noch mehr erreichen wollen. Auch VertreterInnen der Wissenschaft und der Wirtschaft könnten in einem breiteren Spektrum vertreten sein. Das sind sicherlich Aufgaben, die wir uns für die Zukunft stellen.
KMN: Das Kulturbüro der Metropolregion Rhein-Neckar wurde vor fast fünf Jahren gegründet. Welche Entwicklungen haben Sie erfolgreich vorangetrieben und was ist Ihre Zielsetzung für die Zukunft?
TK: Zunächst mussten wir innerhalb der Metropolregion die Position der Kultur definieren und konnten diese erfolgreich bestimmen. Wir haben mit mehreren Kommunen eine enge Zusammenarbeit geschlossen und gemeinsam die Kulturvision für die Region entwickelt. Demnächst wird die Frage sein, wie wir verstärkt eigene Projekte umsetzen wollen und wie wir uns national und international positionieren können. Es kann nicht darum gehen, mit München oder Hamburg zu konkurrieren, dafür sind wir als Region viel zu unterschiedlich, aber auf der anderen Seite auch zu ähnlich. Ich möchte unsere Kulturregion international besser vermarkten und in internationalen Austausch und Netzwerke investieren. Mit dem Projekt "Machbox" haben wir zum Beispiel gezielt internationale Künstler in unsere Kommunen für langfristig angelegte Projekte geholt und somit Multiplikatoren gewonnen, die bei ihrer Rückkehr in ihre Heimatländer beispielsweise begeistert vom Odenwald und den kulturellen Projekten dort erzählen.
KMN: Lieber Herr Kraus, wir bedanken uns für das Gespräch!
Thomas Kraus: Die Metropolregion Rhein-Neckar erstreckt sich über drei Ländergrenzen - Baden-Württemberg, Rheinlandpfalz und Hessen. Gleiches gilt also auch für die Arbeit des Kulturbüros. Im Zentrum der Rhein-Neckar-Region liegen die drei großen Städte Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg, aber auch zahlreiche Mittelzentren und ausgedehnte ländliche Bereiche. Insgesamt sind es 291 Kommunen. Die Herausforderung ist es, eine gemeinsame Identität für die Region zu schaffen und diese nach außen zu positionieren. Im Kulturbereich ist das eine ganz spezielle Situation, denn schließlich obliegt den Ländern und Kommunen die Hoheit für Kultur. Das Kulturbüro muss sich also zunächst die Frage stellen, welche Rolle Kultur im eigenen, regionalen Aufgabenfeld einnimmt. Die Herangehensweise ist nicht vergleichbar mit der eines Kulturamtes, das viele Institutionen verwaltet. Letztendlich ist das Kulturbüro der Metropolregion eine kreative Institution, die vernetzt und zusammenführt. Wir wollen die Zusammenarbeit unter den Kommunen und Institutionen dort fördern, wo es sinnvoll ist. Das klappt bereits sehr gut bei den Festivals und Museen der Region. Diese Netzwerke ziehen insgesamt vier Millionen Besucher an. Um eine erfolgreiche gemeinsame Arbeitsstruktur zu erreichen, ist es aber wichtig, die kommunale Sichtweise zu verlassen. Die kulturelle Stärke Deutschlands beruht darauf, dass wir in jeder größeren Stadt großartige Institutionen, wie Theater und Museen, haben. Diese einmalige Vielfalt in einem europäischen und internationalen Kontext zu präsentieren, können einzelne Kommunen selbst nicht leisten. Frühzeitig Synergien zu schaffen und gewisse Bereiche zu bündeln, muss bei einer nationalen und internationalen Positionierung deshalb Vorrang haben. Diese können eine gemeinsame Vermarktung stärken aber auch negative Entwicklungen, wie die kulturelle Verarmung einiger ländlicher Region, abfangen.
KMN: Welche Bedeutung kommt dem ländlichen Raum bei der Positionierung der Kulturregion Rhein-Neckar zu?
TK: Die Stadt Weinheim, in der das diesjährige Denkfest des Kulturbüros stattfindet, ist natürlich kein ländlicher Raum. Sie liegt allerdings im Zentrum der ländlich geprägten Bergstrasse und des Odenwaldes. Natürlich gibt es in dieser Region auch die bekannten demografischen Probleme, wie die Abwanderungstendenz vom Land in die Stadt und eine Ausdünnung der Infrastruktur in den Dörfern. Allerdings geht es in unserer Arbeit weniger darum, konkret ländliche Räume zu stärken, sondern diese in den Gesamtkontext der Region einzubetten. Mit dem Denkfest, das durch verschiedene Kommunen wandert, haben wir den Beweis erbracht, dass die Verbindungen innerhalb der Region stark genug sind und die Menschen aus anderen Städten für die Konferenz anreisen. Zudem entdeckt man unglaubliche kulturelle Highlights, wenn man sich mit den Orten fernab der vermeintlichen Leuchttürme einer Region auseinandersetzt. In Michelstadt im Odenwaldkreis hat eine kleine Gruppe junger Leute das Festival "Sound of the Forest" entwickelt, zu dem 8000 Menschen kommen. Auf einem kleinen Bauernhof entstand so ein Musikimperium. Wenn man sich nur in seinen gewohnten Kreisen bewegt, verpasst man solche Entwicklungen. Wir wollen gerade mit solchen jungen Innovatoren zukünftig Partnerschaften eingehen.
KMN: Als kulturpolitische Strategie erlebt die Kulturentwicklungsplanung gerade eine Renaissance. Ist das auch Thema für die Arbeit des Kulturbüros?
TK: Ich würde es anders formulieren. Denn von Planung hören Kulturschaffende nicht gerne und ich empfinde das Wort trifft nicht den Sachverhalt. Ich würde sagen, wir verfolgen eine strategische Zielsetzung, damit wir in der Region gemeinsam etwas erreichen können, was der einzelne nicht leisten kann. In einer großen divergenten Region wie der Rhein-Neckar-Region, in der es zu vielen Doppelungen bei kulturellen Angeboten kommt, muss man strategische Linien entwickeln, wie wir uns als Region positionieren wollen. Von daher haben wir eine "Kulturvision Rhein-Neckar" entwickelt, die für unsere Arbeit zugleich Leitlinie als auch Arbeitsgrundlage ist.
KMN: Welche Impulse und Handlungsaufträge entstehen während des Denkfestes für die Region und insbesondere für den ländlichen Raum?
TK: Nach jedem Denkfest entstehen neue Impulse. Eigentlich war das Denkfest 2011 als einmalige Veranstaltung ausgelegt, aber der Wunsch nach mehr regionalem Austausch war so groß, dass wir es zu einem jährlich stattfindenden Format weiterentwickelt haben. Beim zweiten Denkfest in Heidelberg entstand die Initiative, ein großes Netzwerk der Schlösser und Museen aufzubauen. Das wurde dann auf dem dritten Denkfest in die Tat umgesetzt. Beim letzten Denkfest in Bensheim haben wir die Gedanken, die wir im Vorfeld für die Kulturvision Rhein-Neckar entwickelt haben, in die Öffentlichkeit getragen und die kulturellen Player dazu befragt. Aus diesem Partizipationsprozess entstand eine klare Handlungspartitur für unsere Region. Es hat sich durch das Denkfest tatsächlich so etwas wie eine Familie entwickelt, die sich immer besser kennen lernt.
KMN: Das Kulturbüro legt viel Wert darauf, dass diese Familie die kulturelle Vielfalt der Region widerspiegelt. Tatsächlich waren bei dem Denkfest in Weinheim kaum Menschen mit Migrationsbiografien auf Seiten der ReferentInnen und BesucherInnen vertreten. Sollte die Vielfalt der Region nicht auch die Interkulturalität ihrer Einwohner widerspiegeln?
TK: Die Frage ist ja, welche Zielgruppe man erreichen will. Für uns steht das Zusammenkommen der kulturinteressierten Menschen in der Region im Vordergrund. Ob sich Menschen mit migrantischem Hintergrund für eine Veranstaltung wie das Denkfest interessieren, hängt natürlich von den Themen ab, die man setzt. Sicher gibt es Zielgruppen, die wir noch mehr erreichen wollen. Auch VertreterInnen der Wissenschaft und der Wirtschaft könnten in einem breiteren Spektrum vertreten sein. Das sind sicherlich Aufgaben, die wir uns für die Zukunft stellen.
KMN: Das Kulturbüro der Metropolregion Rhein-Neckar wurde vor fast fünf Jahren gegründet. Welche Entwicklungen haben Sie erfolgreich vorangetrieben und was ist Ihre Zielsetzung für die Zukunft?
TK: Zunächst mussten wir innerhalb der Metropolregion die Position der Kultur definieren und konnten diese erfolgreich bestimmen. Wir haben mit mehreren Kommunen eine enge Zusammenarbeit geschlossen und gemeinsam die Kulturvision für die Region entwickelt. Demnächst wird die Frage sein, wie wir verstärkt eigene Projekte umsetzen wollen und wie wir uns national und international positionieren können. Es kann nicht darum gehen, mit München oder Hamburg zu konkurrieren, dafür sind wir als Region viel zu unterschiedlich, aber auf der anderen Seite auch zu ähnlich. Ich möchte unsere Kulturregion international besser vermarkten und in internationalen Austausch und Netzwerke investieren. Mit dem Projekt "Machbox" haben wir zum Beispiel gezielt internationale Künstler in unsere Kommunen für langfristig angelegte Projekte geholt und somit Multiplikatoren gewonnen, die bei ihrer Rückkehr in ihre Heimatländer beispielsweise begeistert vom Odenwald und den kulturellen Projekten dort erzählen.
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