KM Kolloquium

Vom Knowing How zum Knowing Why - Veränderung von Lehrkonzepten im Kulturmanagement

Kulturmanagement als wissenschaftliches Fach an Hochschulen im deutschsprachigen Raum kann inzwischen auf eine gut 25-jährige Geschichte zurückblicken. Bestand der zentrale Auftrag Anfang der 90er Jahre darin, Kenntnisse der allgemeinen Managementlehre auf den reformbedürftigen, öffentlich finanzierten Kultursektor zu übertragen und Kulturmanager herauszubilden, die in der Lage sind, (öffentliche) Kulturbetriebe effizient und effektiv zu gestalten, so haben sich die Herausforderungen in Kulturleben und Gesellschaft inzwischen erheblich verändert. Es müssen neue Handlungsoptionen entwickelt werden, um das öffentliche Kulturleben diverser zu gestalten und Menschen unterschiedlicher kultureller und sozialer Herkunft nicht nur Teilhabe zu ermöglichen, sondern auch Einfluss und Gestaltungsmöglichkeiten.
Damit sind die Aufgaben des Kulturmanagements komplexer geworden: Es geht nicht mehr in erster Linie um Wachstum und Ausbau des Bestehenden, sondern um Veränderung und Neujustierung und die damit verbundene, auch streitbare Moderation von unterschiedlichen Ansprüchen und Interessen.

Die Studiengänge in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die für Kulturmanagement qualifizieren, haben auf diese Veränderungen mit neuen Konzepten reagiert. Deutlich wird dies u.a. in den aktuellen Selbstdarstellungen der im Fachverband Kulturmanagement vertretenen Hochschulen in der Serie KM Kolloquium im Magazin von kulturmanagement.net. In jedem der dort präsentierten Studiengangsprofile und Überlegungen zum Fach wird die kritische Reflexion des Rollenverständnisses von Kulturmanagement betont, ebenso wie die Beschäftigung mit gesellschaftstheoretischen Fragestellungen über den Kultursektor hinaus als Basis für kulturmanageriales Handeln. Vom Knowing what zum Knowing why, so beschreibt die Karlshochschule diese Veränderung (Zierold, Karlshochschule, Juni 2014).

Auslandsaufenthalte sind integraler Bestandteil aller Studiengänge, ebenso wie die Reflexion kultureller Diversität und interkultureller Differenzen im eigenen Land. Hervorgehoben wird in vielen der Beiträge der Erkenntnisgewinn durch kulturwissenschaftliche Theorien für ein umfassendes gesellschaftspolitisches Verständnis von Kulturmanagement. Theorie trägt dazu bei, Handeln in größere Bedeutungskontexte einzubetten, zu begründen, systematisch zu reflektieren und konzeptionell zu denken. Umgekehrt entfalten Theorien im Kulturmanagement erst durch reflektierte Praxis ihr Potential und ihre Relevanz. Trotz der notwendigen Akademisierung basiert Kulturmanagement, anders als andere Wissenschaftsfelder, auf einem engen Theorie-Praxis-Verhältnis und impliziert immer auch eine Handlungsebene.

Die Verbindung von Lehre und Forschung wird in vielen Artikeln als wesentliches Lehrformat benannt, um Theorie und Praxis zu verbinden und die Studierenden zu eigenen Fragestellungen anzuregen. Einige der Studiengänge (wie Ludwigshafen und Hildesheim) sprechen sich auch explizit für die Integration künstlerischer Strategien und künstlerischer Forschung in das Kulturmanagement aus. Künstlerisches Denken und Handeln kann in besonderer Weise dazu anregen, bestehende Formen und Strukturen kultureller Produktion und Rezeption zu hinterfragen, Widersprüche auszuhalten und produktiv zu machen, neue Modelle zu entwickeln und zu erproben (Mandel, Uni Hildesheim, Februar 2014).

In einigen Studiengängen wird explizit als Ziel genannt, die Absolventen zu befähigen, zukünftige Entwicklungen des kulturellen Lebens proaktiv zu gestalten. Denn die technischen, ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen für künstlerische Produktion, Distribution, Kommunikation und Rezeption verändern sich aktuell so rasant, dass es die Fähigkeit braucht, diese Veränderungen nicht nur wahr- zunehmen, sondern mitzugestalten. Nicht mehr nur die Veränderungen innerhalb des Kunst- und Kulturbetriebs, sondern der Einfluss, den Kunst und Kultur insgesamt ausüben können in der Gestaltung gesellschaftlicher Veränderungen ist Thema in den Seminaren und Forschungsprojekten. Die Funktionen von zeitgenössischer Kunst und Kultur in der Entwicklung von kommunikativen, sozialen und sozio-ökonomischen (Zwischen-)Räumen, Öffentlichkeiten und Cultural Citizenship (Lang, Uni Salzburg, Juli 2014, S. 57) stehen im Fokus.

Kulturmanager nicht nur als Kulturbetriebsmanager, sondern als zentrale Akteure kultureller Produktion zu begreifen, ist Leitbild eines Großteils der Studiengangs- Konzepte. Deutlich haben sich damit die Rollenmodelle des Kulturmanagers erweitert: Das Bild des Spezialisten für ökonomische Fragen, des Fundraisers und des Mittlers zwischen verschiedenen Sprachen, Perspektiven, zwischen Kunst und Publikum, wird erweitert durch das des Kurators, Ko-Produzenten, Transformators.

Fazit
Die Konzepte von Kulturmanagement, die den dargestellten Studiengängen zugrunde liegen, sind also weniger auf das effiziente und effektive Managen in Kulturbetrieben fokussiert, als viel mehr auf die pro-aktive kulturelle Gestaltung eines sich verändernden gesellschaftlichen Lebens.

Es wird sich zeigen, inwieweit die neuen Absolventen-Generationen dazu beitragen, kulturelle und kulturpolitische Strukturen zu verändern ebenso wie als Interspace-Manager (Föhl/Wolfram) den Einfluss von Kunst und Kultur auf gesellschaftliche Prozesse in verschiedensten Feldern zu stärken.

Prof. Dr. Birgit Mandel ist Präsidentin des Fachverbands für Kulturmanagement und leitet das Kulturmanagement Programm der Universität Hildesheim.

Dieser Beitrag erschien in ausführlicher Form zuerst im KM Magazin 6/2015.

Weitere Informationen zu dem Thema:

Vom 22. bis 24. September 2015 findet auf dem Campus der FernUniversität in Hagen in Kooperation der Institute für Soziologie, Philosophie und Kulturwissenschaften mit dem Distance and Independent Studies Center (DISC) der Technischen Universität Kaiserslautern die interdisziplinäre Fachtagung Kultur interdisziplinäre Zugänge statt. Weitere Informationen erhalten Sie im KM-Kalender oder auf der Website der Veranstalter der Tagung.

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