14.04.2021
Buchdetails
Cultural Leadership – Führung im Theaterbetrieb
von Jürgen Weintz
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Seiten: 380
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Autor*in
Birgit Mandel
ist seit 2019 Leiterin des Instituts für Kulturpolitik der Universität Hildesheim und dort Professorin für den Bereich Kultur und Management sowie Kulturvermittlung.
Buchrezension
Cultural Leadership. Führung im Theaterbetrieb
Die aktuellen Führungspraktiken in vielen, vor allem öffentlichen Kulturbetrieben werden immer häufiger kritisiert. Alternativen dazu gibt es viele, wie das Buch "Cultural Leadership" anhand des Theaterbereichs aufzeigt.
Wie können neue Leadership-Ansätze aus den Managementwissenschaften für Kulturorganisationen im Allgemeinen produktiv gemacht werden und wie können sich öffentliche Theaterbetriebe im Speziellen mithilfe von Prinzipien des Cultural Leadership neu aufstellen? Das zu beantworten ist Anliegen der Publikation von Jürgen Weintz, Professor für Kulturmanagement und Theater an der Hochschule Niederrhein, die 2020 im Springer Verlag erschienen ist.
Weintz diagnostiziert den öffentlichen Theatern in Deutschland eine tiefgreifende Krise, aus der sich diese nur mit einem veränderten Führungsverständnis befreien könnten: von der allein entscheidenden allwissenden, charismatischen Leitungsfigur zum systemisch-postheroischen Führungsverständnis (S. 10). "Welche konkreten Anregungen bieten aktuelle Positionen innerhalb der Managementlehre und der Cultural Leadership Debatte für das Verständnis von Führung und Organisation im Theaterbetrieb sowie für eine angemessene Führungspraxis?", so die zentrale Forschungsfrage (S. X).
Weintz identifizierte drei zentrale Krisen der Stadt- und Staatstheater: die finanzielle Krise, v.a. bedingt durch die hohen Personalkosten, die strukturelle Krise aufgrund einer reformbedürften Organisations- und Führungsstruktur und die kulturpolitische Krise durch mangelnde politische Unterstützung und sinkende Legitimation in der Gesellschaft (S. 375 ff.). Dabei lässt er keinen Zweifel daran, dass er selbst ein großer Verfechter des öffentlichen Theatersystems in Deutschland ist, für dessen Erhalt jedoch ein verändertes Führungssystem erforderlich sei.
Aufbau und zentrale Inhalte
Das Buch ist in drei zentrale Teile gegliedert: Ansätze von Führung und Leadership in Organisationen, die besonderen Herausforderungen von Führung in Kultureinrichtungen und Führung im Theater. Dieser Aufbau führt zwangsläufig zu einigen Wiederholungen.
Akribisch werden die unterschiedlichen Begrifflichkeiten im Kontext von Führung, Management, Leadership und Organisationsentwicklung in ihren Interdependenzen auf Basis der einschlägigen, auch englischsprachigen Fachliteratur dargestellt. Dabei verfolgt das Buch nicht den Anspruch einer empirischen wissenschaftlichen Arbeit, sondern oszilliert zwischen wissenschaftlichem Handbuch und Praxis-Ratgeber.
Ein großer Verdienst der Publikation besteht darin, dass sie den bislang eher indifferent genutzten Begriff des Cultural Leadership sehr genau definiert unter Berücksichtigung eines breiten Spektrums der einschlägigen Literatur: "Der neue Leitbegriff des Kulturmanagements, das Cultural Leadership, (...) integriert transaktionale, tranformationale und relationale Führung innerhalb eines Gesamtmodells und intendiert damit eine neue Kultur des Führens, die Organisationen, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik gleichermaßen transformieren will" (S. 46), so sein zusammenfassendes Verständnis des Begriffs.
Weintz zeigt, dass Führung im Theater auf verschiedenen Ebenen stattfindet: auf der Ebene der Kulturpolitik, der Intendanz, der mittleren Führungsebene und der Regie-Führung (vgl. S. 70). Für diese analysiert er jeweils zentrale Herausforderungen und Lösungsansätze. So beschreibt er Ansätze der aktiven kulturpolitischen Steuerung und erklärt unterschiedliche Modelle von "Shared Leadership" mit unterschiedlichen Partizipationsgraden in Theatern. An aktuellen Praxisbeispielen zeigt er, auf welche Weise Theater in Deutschland strukturelle Organisationsentwicklungen eingeleitet haben.
In seinem Fazit fasst er seine zentralen Argumente noch mal zusammen, um dann sehr kleinteilig ein weiteres mal mögliche Veränderungen auf den verschiedenen Ebenen der Theaterorganisation vorzuschlagen: "Wenn die vornehmste Aufgabe der Theater als öffentliche Kultureinrichtungen und als ästhetische, soziale und politischer Kraftzentren der Städte darin besteht, neben künstlerischer Qualität und Innovation eine wertebasierte Sinnorientierung zu bieten, dann sollten sie sich nicht darauf beschränken, moralische Imperative nach außen zu vertreten, sondern sollten diese Maßstäbe auch an die eigene Organisation anlegen. Dazu braucht es vor allem die Bereitschaft der Intendanz, einen Teil der Entscheidungsbefugnis abzugeben, sowie der Kulturpolitik, der Träger, der Verbände und auch der Mitarbeiterschaft, dies aktiv zu unterstützen", so sein abschließendes Plädoyer (S. 388).
Fazit
Das Buch ist sehr klar und anschaulich geschrieben, was für wissenschaftliche Literatur in Deutschland keineswegs selbstverständlich und deswegen positiv hervorzuheben ist.
Die Publikation hat mit ihren grundlegenden Inhalten und der Zusammenstellung des Status quo über weite Stellen Lehrbuchcharakter. Sie bietet Studierenden wie Lehrenden einen guten Überblick der bislang im deutschsprachigen Kulturmanagement stark vernachlässigten Ansätze im Bereich Personal- und Organisationsführung und wendet diese auf Kulturorganisationen im Allgemeinen und die Stadt- und Staatstheater im Besonderen an. Dabei zeigt sie auch praxisnahe Anregungen zur Neu-Gestaltung von Führung im Sinne eines transformativen Cultural Leadership mit dem Ziel, die institutionalisierten, starren Strukturen in öffentlichen Theatern aufzubrechen.
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