23.09.2024

Themenreihe Karriere

Autor*in

Birgitta Borghoff
ist forschend, lehrend, beratend und selbst unternehmerisch unterwegs. Sie liebt es, Brücken zu bauen zwischen Menschen, Unternehmen und Kulturen. Als Forscherin und Bildnerin an der ZHAW engagiert sie sich v.a. in den Bereichen Kommunikation, Kreative Agilität, Innovation Design und Entrepreneurial Storytelling. Als Creagile Entrepreneur von brückenwege und INNOVANTIQUA begleitet sie Menschen und Organisationen bei der Kultivierung von resilienzstärkenden Werten wie Spiritualität, Organisationsweisheit und Kreativität. Birgitta engagiert sich zudem ehrenamtlich als Stiftungsrätin der Sulzberg Stiftung.
KMN Kultur-Karrieren

Einblicke in den beruflichen Werdegang ehemaliger KMN-Mitarbeitenden Teil I

Das 20-jährige Firmenbestehen von KMN ist für uns untrennbar mit einer Vielzahl von Kultur-Karrieren verbunden: Denn über diese Jahre hinweg haben wir viele junge Menschen als HiWis, Praktikant*innen oder Volos bei ihrem Start in die Kulturwelt begleitet. Wie es für einige von ihnen danach weiterging und wo sie heute beruflich stehen, darin geben sie uns in dieser Reihe anlässlich unseres Jubiläums Einblicke. Den Auftakt macht Birgitta Borghoff, die bislang auf eine vielfältige Kultur-Karriere zurückblicken kann.

Themenreihe Karriere

Was war dein Traumberuf als Kind?
 
Schwierige Frage. Ein Traumberuf für mich gab es nicht. Ich kann bis heute mit diesem Wort nicht viel anfangen, weil sich die Wörter "Traum" und "Beruf" für mich widersprechen. Ein Beruf ist etwas Handfestes und Greifbares. Träume sind hingegen oft diffus, kreativ, visionär und im besten Falle luzid. Ich erinnere mich aber, dass ich tief in mir wusste, dass ich etwas tun wollte, bei dem ich lebenslang lernen und mich entwickeln kann. Die Songs "You live, you learn" und "The only way out is through" von Alanis Morrisette versinnbildlichen, wie ich mein berufliches Wirken und Leben erfahre.
 
Wie verlief dein beruflicher Werdegang bisher? Inwieweit hat dich deine Tätigkeit bei KMN hierbei geprägt?
 
Mein beruflicher Werdegang ist vielfältig und reich an Erfahrungen in verschiedenen Kontexten. Aufgrund meiner vielseitigen Interessen und der fehlenden Bereitschaft, mich für ein Studienfach nach dem Abitur zu entscheiden, absolvierte ich zunächst eine 3-jährige Ausbildung als Hotelfachfrau in Deutschland. Diese bot mir neben praktischen Fachkompetenzen wertvolle Einblicke in die Tiefen und Untiefen der menschlichen Psyche, denn im täglichen Umgang mit Menschen gibt es viel zu entdecken und erleben. Nach der Lehre studierte ich Tourismus im Allgäu und absolvierte drei Auslandssemester bzw. -praktika in den USA, Schottland und Peru. Anschließend "zügelte" ich in die Schweiz und erlebte den "Niedergang" der damaligen Swissair 2002 mit. Aufgrund meiner musischen und kreativen Vorlieben absolvierte ich zudem von 2003 bis 2005 das Kulturmanagementstudium an der ZHAW. Am Flughafen Zürich gründete ich 2002 v.a. aus "Langeweile" das OFZ Orchester Flughafen Zürich mit einem befreundeten Piloten. Das OFZ feierte 2022 sein 20-jähriges Jubiläum, was mich mit Stolz erfüllt. 2003 wechselte ich zum LUCERNE FESTIVAL und baute die LUCERNE FESTIVAL ACADEMY unter der damaligen Leitung von Pierre Boulez mit auf.
 
Meine direkte Verbindung zum KMN begann als Projektleiterin an der ZHAW, wobei ich von 2008-2012 den Aufbau und die Entwicklung einer Online-Plattform und Gründung einer Redaktion für die Region Schweiz unterstützte. In diesem Zusammenhang war ich selbst auch als Korrespondentin und Redakteurin für das KMN unterwegs und interviewte spannende Persönlichkeiten aus der Schweizer Kultur- und Kreativszene. Ein Highlight meines KMN-Engagements war die Entwicklung des redaktionellen Konzepts für den Themenschwerpunkt "Nachhaltigkeit" der 64. Ausgabe des KM Magazins im Februar 2012 zusammen mit der Nachhaltigkeitsexpertin Prof. Dr. Annett Baumast, mit der ich aktuell in einem internationalen Projekt zu "Creagile Skills & AI Literacy" zusammenwirke (s. Impressionen am Ende des Interviews).
 
Das Kulturmanagementstudium, die internationale Projektzusammenarbeit mit dem KMN sowie mein forschendes und lehrendes Wirken als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Studienleiterin des MAS Arts Management am ZKM Zentrum für Kulturmanagement in Winterthur haben mich bewogen, zusammen mit einem Studienkollegen im 2005 unser eigenes Kulturunternehmen INNOVANTIQUA zu gründen. Ein KMN-Beitrag zum letzten Winterthurer Musikfestival 2014 findet sich hier, zur Video-Dokumentation auf arttv.ch geht’s hier. Die Kollaboration mit dem KMN hat mir insbesondere ermöglicht, meine Fähigkeiten in der Organisationsentwicklung und im Projektmanagement weiter auszubauen. Und sie hat mich darin bestärkt, Theorien aus Kulturmanagement und Cultural Entrepreneurship in die eigene kulturunternehmerische Praxis zu integrieren, wozu ich u.a. 2005 meine MAS-Arbeit am ZKM verfasste.
 
Wie sieht dein Arbeitsalltag heute aus? Ist er so, wie du ihn dir vorgestellt hast?
 
Aufgrund meiner vielfältigen Interessen absolvierte ich mit Anfang 40 ein Masterstudium in Angewandter Linguistik/Organisationskommunikation und wechselte 2016 vom ZKM ans IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft am ZHAW Departement Angewandte Linguistik. Als Forscherin, Dozentin, Beraterin, Coach und Trainerin an der ZHAW bin ich aktuell in den Bereichen Organisationskommunikation und Öffentlichkeit und Entrepreneurship tätig, insbesondere für und in Projekten mit diskursanalytischen und/oder designerisch-kreativen Fragestellungen, v.a. in den Bereichen Storytelling, Diskurs und Design, Innovation und Kreative Agilität. In einem Erasmus+ Projekt zu "Kreativer Agilität" (2021-2023) haben ich zusammen mit Projektpartnern aus Deutschland, Österreich und Liechtenstein erkundet, wie kunstbasierte Strategien die digitale und analoge Kommunikation in Organisationen transformieren. Im Oktober diesen Jahres startet ein internationales Folgeprojekt. Getreu dem Motto "Transformation by Creagilization - Designing the Future with Creagile Skills & AI Literacy" (CreAIgile Literacy, 2024-2026) entwickeln und erproben wir als Kommunikations-, Sprach- und Innovationsforscherinnen der ZHAW mit Forschungs- und Praxispartnern aus der Schweiz, Deutschland und den USA mehrsprachige Lehr- und Trainingsangebote zur gezielten Förderung kreagiler Kompetenzen im verantwortungsvollen Einsatz von KI im Bildungssektor und in der Reiseindustrie; ebenso auch die Erstellung von Qualitäts- und Beurteilungskriterien für das Monitoring zusammen mit den Startup Rflect, das sich auf die Integration der IDGs (Inner Development Goals) in die Aus- und Weiterbildung spezialisiert hat.. 
 
Es ist ein großes Glück, meine vielseitigen kreagilen, kommunikativen und innovativen Fähigkeiten am IAM forschend, vermittelnd und beratend zu verbinden. So kann ich tagtäglich aus meiner Freude am lebenslangen Lernen und Experimentieren sowie aus permanenten Perspektivwechseln schöpfen, gestalten und Neues bewegen. Neben meinem Teilzeitpensum an der ZHAW begleite ich Menschen und Organisationen mit meinem Unternehmen brückenwege bei der Integration von resilienzstärkenden Werten wie Spiritualität, Weisheit und Achtsamkeit, weil ganzheitliche Seelen-, Persönlichkeits- und Organisationsentwicklung nur Hand in Hand gehen. Seit 2021 engagiere ich mich zudem ehrenamtlich als Stiftungsrätin der Stiftung Sulzberg, wo ich zusammen mit meinen Kolleg*innen die Kulturarealentwicklung Sträuli strategisch mitentwickle.
Wie strategisch hast du deine Karriere geplant? Hattest du an bestimmten Punkten Zweifel oder sind unvorhergesehene Dinge geschehen? Wie bist du damit umgegangen?
 
Dass sich mein Arbeitsalltag so abwechslungsreich und dynamisch gestaltet, hätte ich in meinen jungen Jahren wohl nie gedacht. Als kreativer, sehr intuitiver und sensibler Mensch fragte ich mich immer wieder, wo gerade mein Platz im Leben ist? Woher weiß ich, ob ich aus der damaligen und heute noch größeren Vielfalt an Möglichkeiten, das für mich Richtige wähle? Das, was Sinn ergibt und womit ich der Welt am besten dienen kann? 
 
Daher: Nein, es gab keinen Plan und es gibt auch jetzt keinen. Das Leben selbst hat mich an all die Orte und Plätze geführt, um weiter zu lernen und mich zu entwickeln - so, wie ich es mir immer gewünscht hatte. Meine Seele brannte schon früh für spirituelle und philosophische Fragen über Gott und die Welt, mein Herz sehnte sich nach der Auseinandersetzung mit Bewusstseins- und Kommunikationsthemen, Denken, Fühlen, Sprechen und Sprache. 
 
Dennoch habe ich damals mit dem BWL-Studium zunächst einen sehr "bodenständigen" Weg gewählt. Die Musik und das Schreiben waren und sind Balsam für meine Seele, weil ich damit dem "nicht Ausgesprochenen" und Unsichtbaren eine Form geben kann. Auch wenn mein Weg im Kulturmanagement mit Anstrengungen und Herausforderungen verbunden war, bin ich sehr dankbar für all die Lernerfahrungen, Situationen und Menschen, denen ich begegnet bin. Die Selbstdisziplin, Ausdauer und Beharrlichkeit, die ich so entwickeln konnte, haben mein Selbstvertrauen und das Vertrauen ins Leben enorm gestärkt. Heute folge ich mehr denn je den Impulsen meines Herzens und meiner Seele. Ich bin dankbar und glücklich, das erlernte Berufshandwerk mit meinen sensitiven Gaben zu verbinden und dadurch immer wieder neue, ungewöhnliche Wege zu gehen.
 
Welche Tipps oder Ratschläge würdest du anderen Kulturmanager*innen für eine Karriere im Kulturbetrieb mitgeben? Welche Rolle können dabei Nebentätigkeiten/Praktika/Volontariate wie deine bei KMN spielen?
 
Mein erster Tipp wäre, stets offen für neue Erfahrungen und Lernmöglichkeiten zu bleiben. Der Kulturbetrieb ist dynamisch und erfordert Flexibilität und Anpassungsfähigkeit - also Kreative Agilität. Nebentätigkeiten, Praktika und Volontariate z.B. bei euch (KMN) sind hervorragende Gelegenheiten, um praktische Erfahrungen zu sammeln und ein Netzwerk aufzubauen. Denn meine Zeit bei KMN hat mir nicht nur wertvolle Kenntnisse vermittelt, sondern auch wichtige Kontakte in der Branche ermöglicht. 
 
Ein zweiter Tipp ist, den Mut zu haben, die eigene Komfortzone immer wieder zu verlassen und etwas zu tun, was man sich eigentlich nicht traut. Offen zu bleiben für ganz neue Erfahrungen. So wächst man, entwickelt das eigene Potenzial und gewinnt ein Vertrauen, dass einem niemand nehmen kann. Die Kultur- und Kreativbranche entwickelt sich ständig weiter, und es ist essenziell, neue Entwicklungen zu verfolgen oder neue Trends selbst zu setzen. Kreativität und Innovationsgeist sind in diesem Bereich besonders gefragt. Am meisten rate ich jedem, auf die innere Stimme zu hören, authentisch zu bleiben und seinen eigenen Weg nicht nur zu finden, sondern auch zu gehen. Die Arbeit im Kulturbetrieb kann herausfordernd sein, aber sie bietet auch die Möglichkeit, bedeutende und erfüllende Arbeit zu leisten.
 
Bist du Kulturmanager*in?
 
Ja, definitiv! Heute vielleicht weniger im operativen Sinne. Ich sehe mich eher als eine Brückenbauerin zwischen den unterschiedlichsten Disziplinen, Praxisfeldern, Perspektiven und Menschen. Mein Wirken umfasst nach wie vor viele Aspekte des Kulturmanagements, insbesondere in den Bereichen Kommunikation, Innovation, Organisationsentwicklung und Kreative Agilität. Letztlich ist es mir ein Herzensanliegen, Menschen näher zu sich selbst und ihren Seelenaufgaben zu bringen. Diese ganzheitliche Perspektive ist für mich von zentraler Bedeutung und prägt sowohl meine beratenden Tätigkeiten sowie die Projektarbeit in den unterschiedlichen Wirkungsfeldern auf vielfältige Weise.
 
Impressionen aus Birgitta Borghoffs bisherigem Werdegang
 
 
Weitere Infos zu Birgitta Borghoff
 
Anm. d. Red.: Weitere Portraits zu ehemaligen KMN-Mitarbeitenden finden Sie über diese Karriere-Reihe hinaus auch in der 179. Ausgabe des KMN Magazins anlässlich unseres 20. Firmenjubiläums sowie weitere Eindrücke des aktuellen Kernteam in der 10. Plauschfolge unseres Podcasts "Dienstags im Koi".
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