08.11.2017

Autor*in

Armin Klein
war bis 2017 Professor für Kulturmanagement und Kulturwissenschaft an der PH Ludwigsburg. Er ist Autor zahlreicher Standardwerke zum Kulturmanagement und Mitherausgeber des International Journal of Arts Management. Seit seiner Emeritierung 2017 ist er Berater für Kulturbetriebe und gibt Seminare und Workshops im Fortbildungsbereich. 
Entwicklung des deutschen Kulturmanagements

Neue Herausforderungen

Ebenso wie die Gesellschaft, muss sich auch der Kulturbetrieb auf Veränderungen immer wieder neu einstellen. Reformen sind also keine gelegentlichen Tätigkeitsfelder in der Kultur, sie sind die eigentliche Aufgabe - und zwar gerade für KulturmanagerInnen.
Kulturmanagement als Professionalisierungsaufgabe
 
Im Jahre 1989 wurden fast zeitgleich vier Studiengänge Kulturmanagement in Deutschland gegründet: in Berlin, Hamburg, Ludwigsburg und an der Fernuniversität Hagen. Der damalige Auftrag an das Fach lässt sich gut am Beispiel der Gründung in Ludwigsburg beschreiben: Unter gesellschaftspolitischen und kulturpolitischen Gesichtspunkten zeichnet sich in Baden-Württemberg zunehmend ein Bedarf nach umfassender Ausbildung von Kulturvermittlern und Kulturadministratoren ab. Das Land hat daher einen Handlungsbedarf, den Kommunen zu helfen, ihre Kulturprogramme in eigener Regie zu gestalten und durchzuführen. (...) Ob sie mit ihren Institutionen (z.B. Kulturämtern, Bibliotheken, Volkshochschulen, Kommunale Kinos) ein Kulturprogramm erarbeiten und durchführen können, das von der Bevölkerung angenommen wird, hängt zum großen Teil davon ab, ob ein hinreichend kompetenter und engagierter Kreis von Vermittlern zur Verfügung steht.
 
Im Zentrum der damaligen Neugründungen stand also das Konzept der Professionalisierung. Waren die fünfziger und sechziger Jahre vor allem geprägt durch das Konzept der Kulturpflege (d.h. vor allem Restaurierung der traditionellen Kulturinstitutionen), welches seiner Zeit durchgängig von der klassischen Kulturverwaltung umgesetzt wurde, so firmierte die Kulturpolitik der siebziger und frühen achtziger Jahre unter dem Begriff der Kulturarbeit. Oberstes Ziel dieses stark politisch aufgeladenen Neuansatzes war die Weiterentwicklung des Kulturbegriffs mit neuen kulturellen Erscheinungsformen (Freie Kulturszene, Soziokultur, Stadtteilkulturarbeit, Kulturpädagogik usw.) und eine massive Erweiterung des Kulturpublikums (Kultur für alle). Die bloße Verwaltung war wenig geeignet, diese neuen Ziele umzusetzen; vielmehr galt es mit Engagement, Kritikfreude und Enthusiasmus die Ziele der sich selbst so nennenden Neuen Kulturpolitik umzusetzen.
 
Lernen, die Dinge richtig zu tun
 
Bei allem Engagement der damaligen Akteure ließ sich allerdings nicht übersehen, dass nicht selten der Enthusiasmus die Professionalität überstieg; Lernen fand häufig in der Form des learning by loosing statt (und öffentliches Geld war damals noch reichlich vorhanden, um die gemachten Fehler auszubügeln). Um hier gegenzuhalten (nicht zuletzt angesichts sich abzeichnender sinkender öffentlicher Mittel im Zuge des deutschen Einigungsprozesses) wurde der Neuansatz Kulturmanagement entwickelt. Eingebettet in eine grundlegende Reform des öffentlichen Sektors generell (Stichworte: New Public Management, Neue Steuerungsmodelle, Dezentraler Ressourceneinsatz usw.) sollte nun auch der Kunst- und Kulturbereich besser gemanagt werden was immer dies im Einzelnen heißen sollte. Es ging also, um es holzschnittartig auf ein Schlagwort zu bringen, darum, die Dinge richtig zu tun: Strategisches Kulturmarketing statt traditioneller Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, wirksames Controlling statt bloßer rückwärtsgewandter kameralistischer Haushaltskontrolle, multidimensionale Kulturfinanzierung (Sponsoring, Fundraising usw.) statt eindimensionaler öffentlicher Kulturförderung usw.
 
Mittlerweile gibt es über 100 Studiengänge die sich, je nach Schwerpunkt und Betitelung, mit dem Thema Kulturmanagement befassen; ein eigener Fachverband bietet eine Plattform für entsprechende Diskussionen. Kaum eine Kultureinrichtung kann es sich heute noch leisten, so dilettantisch vor sich hinzuwerkeln, wie dies in den Achtzigern noch möglich war auch wenn seither vielleicht vielerorts das Engagement und der Enthusiasmus der siebziger und achtziger Jahre auf der Strecke blieben!
 
Lernen, die richtigen Dinge zu tun
 
Doch dies ist nur die eine Seite der Medaille. Seit der Jahrtausendwende hat sich die Gesellschaft bzw. die Umwelt der Kultureinrichtung disruptiv verändert. Was bis dahin brav analog daherkam (die gute alte Vinylplatte bzw. die CD, die Videokassette, das gedruckte Buch usw.) wurde auf einmal in den Sog der Digitalisierung gezogen: an die Stelle des materiellen Produktes trat und tritt das Immaterielle: Das Streaming, das E-Book, Netflix, Spotify usw. Spätestens durch das Internet 2.0 ist kulturelle Kommunikation keine Einbahnstraße mehr, sondern echte Kommunikation im Sinne eines Austausches von Sendern und Empfängern.
 
Während dieser Prozess vor allem den kommerziellen Kulturbetrieb komplett umkrempelte und manchen Sektor an den Rand seiner Existenz trieb und treibt, machte vor allem der öffentliche Kulturbetrieb mehr oder weniger weiter wie bisher. Er musste ja auch nicht lernen, weil seine Existenz weitestgehend von der Öffentlichen Hand garantiert wurde. Wenn beispielsweise die öffentlichen Theater rund 82 % ihres Budgets vom Land und/ oder der Kommune bekommen, müssen sie sich nicht auf das Neue einstellen. Denn Lernen ist anstrengend und oft mit dem Verzicht auf Machtpositionen verbunden wer macht so was schon gerne und freiwillig?
 
Lernen, die neuen richtigen Dinge zu finden
 
Somit verschob und verschiebt sich die Fragestellung des Kulturmanagements von "Machen wir Dinge richtig" auf "Machen wir noch die richtigen Dinge?". Das beginnt etwa bei der relativ simplen Frage, ob die öffentliche Hand nicht viele Dinge tut, die der private Kulturbereich sehr viel effektiver lösen könnte.
 
Liest man in Interviews über die Pläne und Perspektiven von neu berufenen LeiterInnen, dann kann man fast unisono feststellen, dass sie für ihre Häuser neue Aufgabenfelder suchen: Alles soll kommunikativer, offener, diskursiver und wie die Schlagworte alle heißen werden, alles soll Begegnung-, Erkenntnis- und Austauschort sein, wo sich die Gesellschaft diskursiv neu orientiert. So weit so gut es scheint eine inhaltliche Tendenz im Kulturbetrieb zu sein (man schaue sich nur die diesjährige documenta in Kassel oder die Diskussionen um die Volksbühne in Berlin an).
 
Andererseits zieht man weder die kulturpolitischen noch kulturmanagerialen Konsequenzen dieser Entwicklung, sondern steckt unverdrossen weiter Hunderte von Millionen in den Neubau bzw. die Renovierung der traditionellen Kultureinrichtungen: rund 350 Millionen in Karlsruhe, 450 in Stuttgart, gar eine Milliarde in Frankfurt für die Theater, über 700 Millionen in Hamburg in die Elfie usw. Man braucht kein Kulturmanagementabsolvent zu sein, um die naive Frage zu stellen: Wenn die Künste tatsächlich zunehmend die gleichen Ziele verfolgen, macht es dann noch Sinn, diese immensen Beträge in traditionelle Gebäude zu stecken oder wäre es nicht rationaler, gemeinsame Zentren zu schaffen? Und weit über das Architektonische hinausgehend: Was bedeutet das für den Betrieb solcher Häuser? Braucht es da noch allmächtige IntendantInnen oder mit Professorentitel ausgestattete MuseumsdirektorInnen oder benötigt man nicht völlig neue Typen von DramaturgInnen, KuratorInnen, LektorInnen und auch KulturmanagerInnen?
 
Fragen über Fragen, die gerade für den öffentlich getragenen bzw. finanzierten Kulturbetrieb auf der Tagesordnung stünden. Doch dies würde Lernbereitschaft und ein tiefgreifendes Umdenken sowie eine Aufnahmebereitschaft erfolgreicher Modelle aus anderen Ländern bedeuten. Doch hier scheint aktuell wenig Licht am Horizont. Der Vorhang fällt und viele Fragen bleiben offen!
 
Dieser Beitrag erschien zuerst im KM Magazin Viva la Reformation!

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