Kommentar
Mindestkultur Teil III - Mindestlohn in Museen?!
Ab dem 1. Januar 2015 wird in Deutschland ein Mindestlohn in Höhe von 8,50 /Stunde gelten. In unserer Reihe Mindestkultur lassen wir Vertreter der Kultursparten und verschiedener Bereiche des Kulturmanagements dazu zu Wort kommen. Dr. Joachim Mähnert, Direktor des Ostpreußischen Landesmuseums Lüneburg, zeigt auf, was der Mindestlohn künftig für Museen bedeuten wird.
Ausgerechnet ein großes, öffentlich finanziertes Museum erhielt 2008 die Goldenen Raffzähne und wurde damit zum Abzocker des Jahres gekürt. Die (zweifelhafte) Ehrung wird dabei nicht nur unter deutschen Kultureinrichtungen verliehen, auch Unternehmen der freien Wirtschaft sind im Lostopf. Anlass war ein Angebot für ein sechsmonatiges, unbezahltes Praktikum an eine 29jährige mit abgeschlossenem Magisterstudium. Nicht zuletzt damit steht außer Frage: Der Museumssektor ist nicht frei von den Versuchungen, die schwierige Situation des Arbeit suchenden Nachwuchses im Kulturbereich auszunutzen.
Besteht also Bedarf für ein Mindestlohngesetz? Kann dieses einen zukunftsweisenden Beitrag für den Museumsbereich leisten?
Laut Arbeitsministerin Nahles wird durch das neue Gesetz die Wirtschaft mit 9,6 Milliarden Euro belastet. Allerdings verringern in gemeinnützigen, nicht gewinnorientierten Museen die aus einer Lohnanhebung resultierenden Mehrkosten nicht etwa die Gewinnspannen der Manager und Aktionäre. Auch lassen sie sich aufgrund des Anspruches, eine breite Öffentlichkeit anzusprechen, nicht ohne weiteres mittels Eintrittserhöhungen auf die Museumsbesucher abwälzen. Von einer flächendeckenden Aufstockung der öffentlichen Kulturförderung als Ausgleich solcher, aus dem Mindestlohn resultierender Mehrkosten ist nichts bekannt. Die anfallenden Steigerungen im Personaletat werden daher zu Lasten der flexiblen Mittel gehen, also im Fall von Museen z.B. bei zukünftigen Ausstellungsprojekten fehlen.
Aber wäre das denn überhaupt nötig? Sind Museen wirklich vom Mindestlohngesetz betroffen von unstatthaften Praktikumsverträgen einmal abgesehen?
Museen assoziiert man mit Ausstellungen und Exponaten. Gleichwohl bilden die Personalkosten oft einen großen, wenn nicht den größten Einzeltitel im Haushalt. Die Höhe der Entlohnung hat daher durchaus weitreichende Konsequenzen. Da angesichts knapper Ressourcen bei gleichzeitig wachsenden Ansprüchen an gute Museumsarbeit ein Museumsteam im hart umkämpften Freizeitsektor oft Außergewöhnliches zu leisten hat, sollte angemessene Bezahlung selbstverständlich sein.
In den 2006 formulierten Standards für Museen des Deutschen Museumsbundes (DMB) findet sich diese Selbstverständlichkeit gleichwohl nicht. Zwar werden vom Träger ausreichende Mittel für das Sammeln und Ausstellen als Kriterien für qualitätsvolle Museumsarbeit gefordert, beim Thema Personal steht allerdings nur deren Qualifikation zur Erörterung, nicht deren Entlohnung. Dies kann nicht überraschen. Wenn wir die kleinsten, vielfach ehrenamtlich geführten Museen an dieser Stelle außer Acht lassen, werden die meisten Museen direkt oder indirekt von der öffentlichen Hand finanziert sprich, relativ viele Anstellungsverhältnisse orientieren sich (noch) am TVöD. Selbst in den unteren Lohngruppen des Museumsteams (u.a. Aufsicht, Sicherheitsdienst, Reinigung, Haustechnik, Shop- und Cafépersonal, pädagogische und wissenschaftliche Assistenzkräfte) sollte die Entlohnung daher oberhalb der im Mindestlohngesetz formulierten Grenze liegen so jedenfalls die Theorie.
Haushaltspläne und Fixkosten
Längst haben die Tarifabschlüsse der letzten Jahre sowie die Betriebskostenentwicklung die finanziellen Reserven der Häuser meist aufgebraucht. In vielen Museen sind die Zweckmittel daher abgeschmolzen, wird das operative Geschäft über Drittmittel realisiert.
Verschiedene langfristige Entwicklungen sind so in Gang gesetzt worden. Obwohl Museen qua Definition des DMB nicht gewinnorientiert arbeiten, drängt sich die Wirtschaftlichkeit immer mehr in den Vordergrund. So sehr Korrekturen im Selbstverständnis des Museums in der Vergangenheit fraglos dringend geboten waren, droht nun das Pendel zu Lasten von Wissenschaft und Bildung in die entgegengesetzte Richtung zu schwingen. Der Druck zur Eventisierung bzw. das Ausstellungsprogramm am Mainstream zu orientieren, ist nicht nur eine Reaktion auf eine veränderte Erwartungshaltung potentieller Besuchergruppen. Es ist auch eine politisch gewollte, wirtschaftliche Notwendigkeit, über Besucherzahlen die Eigenmittel aufzustocken und eine hohe Sponsorenzufriedenheit zu gewährleisten. Viele Museen ergeben sich dem widerstandslos.
Parallel oder alternativ dazu drängt sich der Personalsektor als wirkungsmächtiges Einsparpotential regelrecht auf. Daher lässt sich gerade im Niedriglohnbereich musealer Beschäftigungsverhältnisse eine Verlagerung zu tarifungebundenen, befristeten, freien und eher schlecht bezahlten Anstellungsverhältnissen feststellen, wenn nicht gleich ein gesamters Bereich an einen externen Dienstleister vergeben wird. Hier wird das Mindestlohngesetz wohl nicht selten Mehrkosten zeitigen. Hinzu kommt der diesjährige, relativ großzügige Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst, den die öffentlichen Hände angesichts der Schuldenbremse in der Regel nicht durch Aufstockung der Zuwendungen auszugleichen bereit waren. Den Häusern verbleiben in ihrer Not daher oft wenig Alternativen. Verkürzte Öffnungszeiten, weniger Ausstellungen und erhöhte Eintrittspreise werden möglicherweise dem Museumssektor einiges an Attraktivität rauben. Qualität droht hier zu Lasten von notwendiger Einnahmengenerierung geopfert zu werden gerade das Markenzeichen außerschulischer Lernort ist so gefährdet.
Nicht jeder Museumsmitarbeiter ist Wissenschaftler
Besonders nachteilig wirkt sich die mit dem Gesetz eingehende Unflexibilität aus. Natürlich sollte angesichts der gesellschaftlichen Vorbildfunktion von Museen eine angemessene, den Lebensunterhalt sichernde Entlohnung für Museumsangestellte selbstverständlich sein. Doch längst haben sich Mischformen zwischen klassischer Anstellung und echtem Ehrenamt (mit höchstens einer Aufwandsentschädigung) entwickelt. In vielen Häusern engagieren sich hoch motivierte Menschen, die eine sinnvolle Aufgabe suchen und ggf. ein bereits existierendes Einkommen (z.B. Rente) durch einen Minijob lediglich aufbessern wollen. Hier ist eine für alle Beteiligten vorteilhafte Situation durch zu enge gesetzliche Regelungen gefährdet.
Ähnliches mag für Praktika gelten. Natürlich ist es nicht richtig, dass wissenschaftliche Basisarbeit von unbezahlten Praktikanten mit abgeschlossenem Studium geleistet wird. Hier soll und muss gegengesteuert werden. Jedoch sollte angehenden Geisteswissenschaftlern der Zugang zu möglichst vielen, flexiblen und interessanten Praktika auf der Suche nach Orientierung eher erleichtert als erschwert werden. Die im Gesetz genannte Schwelle von 3 Monaten für ein unbezahltes Praktikum ist für ein interessantes Projekt jedenfalls knapp angesetzt. Praktikumsplätze könnten wegfallen oder auf Hilfsarbeiten reduziert werden, wenn die Zeit für eine angemessene Einarbeitung zu kurz ist. Auch das nutzt niemandem.
Auch bei Volontariatsstellen fällt das Urteil zweischneidig aus. Erst die kommende Rechtsprechung wird klären, inwieweit das Museumsvolontariat unter das Mindestlohngesetz fallen wird. In nicht wenigen Museen kommen Volontäre, immerhin fertige Hochschulabsolventen, eher als billige Wissenschaftler denn als Auszubildende zum Einsatz ein klarer Missbrauch der Volontariatsidee. Der DMB empfiehlt eine Entlohnung von 50% einer E 13-Stelle also oberhalb des Mindestlohns. Faktisch werden aber viele Stellen schlechter bezahlt, mit einer Erhöhung auf Mindestlohn würden so zukünftig nicht wenige wegfallen. Ist damit den angehenden Museumswissenschaftlern gedient? Für museumsbegeisterte Hochschulabsolventen ist ein Volontariat weiterhin die wichtigste Eintrittskarte für eine spätere Festanstellung. Schon jetzt stehen aber Angebot und Nachfrage in keinem Verhältnis. Über 200 Bewerbungen auf eine Stelle sind jedenfalls keine Seltenheit. Solange die Absolventenzahlen sich bei sinkendem Feststellenangebot weiter nach oben entwickeln, ist jede Volontariatsstelle von hohem Wert.
Für das Museum sind angesichts solcher Rahmenumstände tiefgreifende Veränderungen in der Binnen- wie Außenwahrnehmung nicht auszuschließen, die das Mindestlohngesetz nicht ausgelöst hat, aber verstärken dürfte. Der Ruf eines Museums, seine gesellschaftliche Vorbildfunktion, die ihm als steuerfinanzierte Bildungs- und Forschungseinrichtung erwächst, droht nachhaltig beschädigt zu werden, wenn die öffentliche Hand ihre eigenen Handlungsrichtlinien nicht durch eine Zuwendungsaufstockung vorzuleben bereit ist was angesichts gedeckelter Kulturetats die Ausnahme bleiben dürfte. Dabei werden schon heute Stimmen laut, die Mindestlohngrenze zeitnah sogar noch anzuheben. Einer grenzenlosen Kommerzialisierung im Kultursektor wird so Tür und Tor geöffnet.
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