Rückblick Tagung Kulturwirtschaft 2006
3. Jahrestagung Kulturwirtschaft 2006
Das Bewusstsein einer wachsenden Bedeutung der Kulturwirtschaft steigt. Dies war nicht nur der Eindruck von Hans Joachim Otto MdB, derzeit Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Medien beim Deutschen Bundestag, der die 3. Tagung Kulturwirtschaft am 26.10.2006 eröffnete. Veranstaltet wurde die Tagung wieder von der Friedrich-Naumann-Stiftung und dem Büro für Kulturpolitik und Kulturwirtschaft (Bonn).
Das Bewusstsein einer wachsenden Bedeutung der Kulturwirtschaft steigt. Dies war nicht nur der Eindruck von Hans Joachim Otto MdB, derzeit Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Medien beim Deutschen Bundestag, der die 3. Tagung Kulturwirtschaft am 26.10.2006 eröffnete. Auch die insgesamt etwa 200 Teilnehmer waren der zahlenmäßige Beweis dafür, dass die Kulturwirtschaft für Akteure in Kultur, Politik und Wirtschaft ein immer wichtigeres Thema ist. Für Otto sei es an der Zeit, nach der Vielzahl an Kulturwirtschaftsberichten der Bundesländer endlich die Grundlagen für eine bundesweite Bestandsaufnahme zu schaffen. Eines der Ziele eines solchen Bundeskulturwirtschaftsberichts sei es, die unterschiedlichen Begrifflichkeiten zusammenzuführen und zu klären, welche Bereiche man zur Branche der Kulturwirtschaft rechnet. Eine Absage erteilte der FDP-Politiker Bestrebungen des Staates, sich mehr und mehr aus der öffentlichen Kulturförderung zurückzuziehen, um die Haushalte zu sanieren. Diese Kulturförderung schaffe erst die notwendigen Investitionen und den Nährboden, auf den die Kulturwirtschaft angewiesen ist. Mit Spannung erwarte er im Übrigen die für Ende des Jahres zu erwartenden Untersuchungen der EUKommission zur europäischen Kulturwirtschaft.
Wer besucht eigentlich die Kunst? Wer nutzt die kulturellen Angebote im Land? Diesen Fragen ging Prof. Günther Schulze vom Institut für Allgemeine Wirtschaftsförderung an der Universität Freiburg nach. Zunächst bestätigte er den Eindruck einer bundesweit zunehmenden Überalterung und Intellektualisierung des Publikums. Er belegte mit Zahlen des 8. Kulturbarometers (Zentrum für Kulturforschung Bonn) den Wegfall von Besuchergruppen mittleren Alters und sog. jüngerer Senioren. Demgegenüber stünden beispielsweise gestiegene Besucherzahlen der Berliner Museen von rund 50% zwischen 1994 und 2004. 17% der Besucher verdienten monatlich mehr als 3000 Euro, 39% mehr als 2000 Euro. Prof. Schulze bilanzierte nüchtern: wir subventionierten vornehmlich die Reichen und die Alten. Er unterstrich zudem, dass der Staat ob nun gewollt oder ungewollt bestimmte Bereiche der Kultur weitaus stärker fördere als andere. Die Subventionsquote der Volksoper läge beispielsweise bei mehr als 83 %. Der Eingriff des Staates in das Preissystem führe damit zu ungewünschten, aber in Kauf genommenen Verteilungswirkungen, in der Praxis also zur Subventionierung eher vermögender Besuchergruppen.
Hat Kultur nun den Charakter eines öffentlichen oder privaten Guts, fragte der Kulturökonom Prof. Schulze weiter. Für Ersteres spräche zumindest ein Umstand, den die Ökonomen die Nichtrivalität im Konsum nennen. Damit ist gemeint, dass ein kulturelles Angebot von mehreren genutzt werden kann, es aber den Einzelnen nicht störe, wenn es auch von Anderen genutzt wird. Wenn die Bevölkerung nun die Kunst über ihre individuelle Nutzung hinaus wertschätzt, so kommt ihr der Charakter eines öffentlichen Guts zu. So wird von vielen Einwohnern einer Stadt häufig betont, der Erhalt des Theaters sei ihnen wichtig, obwohl sie selbst nicht ins Theater gehen. Sie sind aber für diese Einrichtungen, um deren Nutzung beispielsweise durch ihre Kinder sicherzustellen oder schätzen den Wert des Theaters für das kulturelle Klima und Image der Stadt.
Kaum ein anderes Thema wird derzeit in der Kulturökonomie heißer diskutiert als das der Kreativität als Motor wirtschaftlicher Entwicklung. Wenn man dann noch an den Aspekt des Bildungsauftrags denkt, wird deutlich, welches spannende Thema Schulze hier angesprochen hat.
Michael Söndermann, gefragter Experte für Kulturstatistik nicht nur in Deutschland, sprach erstmals auch in seiner neuen Funktion als Mitglied im Verwaltungsrat der UNESCO beim Institut für Statistik in Montréál. Er benannte seinen Vortrag in Anlehnung an eine jüngste Aussage des Berliner Regierenden Bürgermeisters: Kreativwirtschaft Arm, aber sexy? Für ihn sei zwar unstrittig, dass das Thema Kultur- und Kreativwirtschaft gerade allerorten populär sei, aber damit nicht zwangsläufig schon die Branche selbst boome.
Söndermann wies darauf hin, dass die Kulturdiskussionen in den einzelnen Bundesländern stark darüber bestimmen, wie man Kulturwirtschaft überhaupt definiert. Er nutzte die Gelegenheit der Tagung, hier eine fachlich begründete Systematik vorzulegen, nachdem die folgenden Branchen den Kern der Kulturwirtschaft ausmachen:
- Verlagsgewerbe
- Filmwirtschaft
- Rundfunkwirtschaft
- Musik, visuelle und darstellende Kunst
- Journalisten-/Nachrichtenbüros
- Museumsshops, Kunstausstellungen
- Einzelhandel mit Kulturgütern
- Architekturbüros
- Designwirtschaft
(Industrie- Produkt, Kommunikationsdesign)
Bei der Erweiterung zum Begriff der Kreativwirtschaft kämen seiner Auffassung nach die Bereiche Werbung und Software (insbesondere PC- und Videospiele) hinzu. Gerade diese beiden Branchen hätten allerdings eine Stagnationsphase hinter sich Söndermann verwies hier auf die Verluste in der Verlags- und Medienindustrie in der Zeit zwischen 2000 und 2004.
Mit den 9 genannten Branchen der Kulturwirtschaft käme man auf 680.000 Erwerbstätigen, mit den 2 zusätzlichen Branchen der Kreativwirtschaft sogar auf ca. 1 Millionen Erwerbstätige. Am Eindrucksvollsten ist dann die errechnete Bruttowertschöpfung der Kreativwirtschaft von 58 Mrd. Euro (2,6 % des BIP) gegenüber den 64 Mrd. der Automobilwirtschaft. Die Nachteile der Branche sind nach Meinung von Michael Söndermann u.a. die schwache Wertschöpfung je Mikrounternehmen und der mangelnde Zugang zu Kapital. Der Verweis auf die internationalen Entwicklung brachte wieder positive Prognosen: für 2010 schätzt man einen Umsatz der Kreativwirtschaft weltweit von 4,1 Billionen (John Hawkins, Intellectual Property Forum, Shanghai).
Einen nicht geringen Anteil davon erhofft man sich hier für Europa ein Kontinent, der wie kein anderer auf diese Zukunftsbranche angewiesen ist, um seinen hohen Lebensstandard und die kulturelle Vielfalt zu sichern. Keine Überraschung daher, dass Europa der Schwerpunkt der 4. Jahrestagung Kulturwirtschaft am 3. und 4. Mai 2007 sein wird. Kulturmanagement Network wird anlässlich dieser Tagung eine Studie über die Arbeitsmarktsituation und Berufsbilder der Kulturwirtschaft vorstellen. Eine erste Analyse am Beispiel des Kulturmanagement Stellenmarktes stieß bereits am Rande dieser 3. Jahrestagung auf großes Interesse.
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