23.03.2010

Autor*in

Sigrid Gaisreiter
Rückblick Jahrestagung des Creativity World Forum 2009

Dem Dreiklang aus Wissen, Kreativität und Innovation auf der Spur

Rückblick auf die Jahrestagung des Creativity World Forums in Ludwigsburg im Forum am Schlosspark vom 1.-3.12.2009
Unter dem Motto "...where Creativity meets Technology" stand die gut besuchte Tagung, die vom 2004 gegründeten globalen Netzwerk "Districts of Creativity" getragen wird und abwechselnd von Institutionen aus den Mitgliedsregionen ausgerichtet wird. 2009 war das Land Baden-Württemberg an der Reihe, dem 2010 Oklahoma (USA) folgen wird. Noch mit im Netz sind die Regionen Flandern (Belgien), Rhône-Alpes und Nord Pas Calais (Frankreich), der Lombardei (Italien), Katalonien (Spanien), Schottland (Großbritannien), Tampere (Finnland), Quebec (Kanada), Karnataka (Indien) und Shanghai und Qingdao (China).

Die Vormittage waren mit Vorträgen von Referenten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur ausgefüllt, die aus den Regionen des Netzwerks stammen. An den Nachmittagen wurden einzelne Aspekte in verschiedenen Panels vertieft. Stark darauf ausgerichtet, Wissen und Kreativität als Innovations- und Wachstumstreiber zu positionieren, kreisten alle Veranstaltungen darum, wie das Neue in die Welt kommt, wie es institutionell gefördert werden könne und welchen ökonomischen Ertrag es abwerfen solle. Welcher Art das Neue denn sein solle und ob es Spannungsverhältnisse, etwa zu ökologischen Zielen gäbe, wurde nur am Rande angesprochen.

In Wirtschaft und Politik sind die Begriffe Kreativität, Kreativ- und Kulturwirtschaft, Innovation und Wissensgesellschaft allgegenwärtig, suggerieren sie doch Neuheit und Aufbruchstimmung. So vagabundierten diese, undefiniert gebliebenen, Begriffe durch alle Reden. Das war für das Publikum von Nachteil, da nicht hinreichend deutlich wurde, was unter dem Dreiklang Wissen, Kreativität und Innovation zu verstehen ist und wie er, unter wirtschaftlichen Vorzeichen, sinnvoll ins Verhältnis gesetzt werden soll und kann. Es gab zwar, wie bei Franz Fehrenbach von der Robert Bosch GmbH, einen zaghaften Versuch seinen Vortrag mit einer Theorie zu fundieren, als er die Thesen des Ökonomen Joseph Alois Schumpeter (1883-1950) ins Spiel brachte, allein es fehlte eine Vertiefung des Sachverhalts. Schumpeters Theorie ist inzwischen en vogue, da ihr Gegenstand dem Zusammenhang von ökonomischer Entwicklung und schöpferischer Zerstörung durch Innovation, gilt, aber häufig oberflächlich dargestellt wird. So auch bei Fehrenbach, da unklar blieb, welche der fünf von Schumpeter angeführten Formen der Innovation er ansprach. Dies Manko setzte sich auf der gesamten Tagung fort. So war auch dem Referat des Vizepräsidenten der Nokia Corporation, Esko Aho, nur indirekt zu entnehmen, dass er von Produktinnovationen sprach. Diese unterbliebene Präzisierung ist mißlich, da z.B. Deutschland besonders im Bereich Prozessinnovation erfolgreich ist, in Zukunft, so Forschungen, Wohlstandsgewinne aber vor allem über Produktinnovationen zu erreichen sind.

In allen Reden, die Konferenzsprache war Englisch, kombinierten die Vortragenden virtuos eine Reihe von Schlüsselwörtern wie framework, venture capital, conditions, research, invention, effort, passion, solution, know how, possible approach, tools, capacity, empowerment oder challenge, ohne dass neue Aspekte, die über bereits Bekanntes hinausreichten, zum Gegenstand wurden, obwohl fast alle Redner, neben einer Bilanz, in die Zukunft blickten und viele Faktoren anführten, die ökonomisch von Bedeutung sind. Es fehlte an analytischer Schärfe. Ungeklärt blieb in allen Reden das Verhältnis von technischen Innovationen und ökonomischen Entscheidungen. Im Unterschied zur neoklassischen, ist die Kernaussage der neuen Wachstumstheorie, dass technischer Fortschritt von ökonomischen Entscheidungen abhängig sei. Auch von Seiten der Politik, die durch einige Beiträger vertreten war, erfuhr man nichts, was an institutionenökonomische Forschungsergebnisse heranreicht, die die Wirkung von Institutionen auf Wirtschaftseinheiten untersucht. Wie auch immer, Einigkeit herrschte darin, dass Finanzkapital und institutionelle Innovationsagenturen, beides ist in Deutschland, aber auch andernorts ausreichend vorhanden, allein noch keine Innovationen hervorbrächten. Als entscheidend sahen viele Redner innerbetriebliches Ideenmanagement und frühzeitige Erkennung von Trends an. Die Bedeutung des Eingehens strategischer Partnerschaften sei, auch darin waren sich alle einig, gewachsen. Dies sieht auch die Wissenschaft so. Insofern ist bereits die Gründung des Netzwerks "Districts of Creativity" Ergebnis dieser Entwicklung und die Tagung, die dem Ideenaustausch und der Vorstellung von Projekten, Geschäftsmodellen und Strategien der Standortentwicklung, dienen soll, eine Möglichkeit, Zukunft zu gestalten.

Kreativität, auch dies wurde in Reden deutlich, kann nicht gelernt werden, ja häufig seien Außenseiter und Querdenker besonders schöpferisch. Daher müsse man, so wieder Fehrenbach, diesem Personenkreis Chancen, auch im Betrieb, einräumen. Zunächst einmal jedoch gab es auf der Gesamtveranstaltung des Forums für Teile der Kultur- und Kreativwirtschaft, zu der, nach der Definition der Wirtschaftsminister, die Bereiche Architektur, Software- und Gamesindustrie, Film-, Rundfunk-, Musik-, Presse-, Werbe- und Designwirtschaft, der Kunst- und Buchmarkt und die darstellenden Künste gehören, nur geringe Auftrittsmöglichkeiten. Zwar kamen einige Redner in den Nachmittagsveranstaltungen aus dem Bereich Kreativwirtschaft, im Foyer, einer Ausstellung von Projekten, Institutionen und Organisationen, dominierten jedoch Etablierte und jene Kreativbereiche, die institutionelle Förderung, wie Digital Media, genießen. Außenseiter waren nicht vertreten. Immerhin, zu kurzen Auftritten am Vormittag kamen Gruppen aus den Sparten Musik, Tanz und Mode, die die Redebeiträge umrahmten. Durch das Gesamtprogramm führte die TV-Moderatorin Natascha Berg. Ihr Gespräch mit Esko Aho war interessant, belegte es Forschungsergebnisse vom Wertewandel in puncto Arbeitsmotivation. Während für Berg fun oberste Priorität genoss, betonte Aho alte Werte wie "hard work and passion".

Vor dem Hintergrund der aktuellen Krise stattfindend, war auf der Tagung auch von dieser die Rede. Pessimismus aber sei, so Aho, nicht angesagt, da sich in der Krise immer auch Chancen böten. Diese Aussage untermauerte Aho mit einer eindrucksvollen Zahl: 50 % der Unternehmen seien in Krisenzeiten gegründet worden. In Deutschland allerdings ist die Neigung zu Gründungen von Unternehmen jedoch generell zurückgegangen, wie die jüngste Studie der Leibniz-Universität, die sich auf Zahlen des "Global Entrepreneurship Monitors (GEM)" von 2009 bezieht, feststellt, nicht jedoch die Redner. Darin nimmt Deutschland unter den 18 untersuchten hochentwickelten Ländern den vorletzten Platz ein. Wichtig ist dieser Aspekt deshalb, da Unternehmensgründungen als Triebfeder für Strukturwandel, Wachstum und Beschäftigung gelten. Zu diesem Aspekt hätte man gern etwas, von der, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung entsandten, Referentin Eva Schulz-Kamm, die ein Referat im Panel "Public Innovation Policy" hielt, gehört. Eine Referierung der wichtigsten Aspekte der High-Strategie der deutschen Regierung, ist zwar für diejenigen interessant, die diese Initiative nicht kennen, indes, so wieder Aho, können politische Programme. so wichtig sie sein mögen, kulturelle Defizite, angesprochen wurde der Innovationsfaktor positive Fehlerkultur, nicht kompensieren. Ökonomen widmen sich daher, nicht erst seit David Landes bahnbrechender Untersuchung Wohlstand und Armut der Nationen, den kulturellen Bedingungen wirtschaftlichen Wachstums mehr Aufmerksamkeit, als auf dieser Tagung angesprochen wurde. Und es fehlt noch mehr und betrifft die Rolle der Wissenschaft auf dieser Tagung. Dass Technik- und Naturwissenschaften klar das Feld dominieren, war zu erwarten, dass aber Ökonomen, Kultur- und Sozialwissenschaftler kaum oder gar nicht vertreten waren, zeugt von einer gewissen Ignoranz gegenüber Ergebnissen der Innovationsforschung. So stellte eine OECD-Studie heraus, dass alle Wissenschaften positiv mit Innovationen und Wirtschaftswachstum verknüpft seien. Immerhin, eine Organisation, die RKW Baden-Württemberg, ein Anbieter im Bereich Unternehmensberatung und Weiterbildung, stellte ein Konzept "Wissensbilanz" vor, das geänderten Bedingungen und Forschungen Rechnung trägt. Die klassischen Wirtschaftsfaktoren, Boden, Kapital und Arbeit und neuerdings auch Bildung, fächert das Unternehmen auf und setzt mit intellektuelles Kapital einen neuen Begriff, der "Human-, Struktur- Beziehungs und finanzielles / materielles Kapital" umfasst. Zwar von der Wissenstheorie überholt, unter Wissen vor allem Kognition zu verstehen, liegt hier ein gut strukturierter Ansatz vor, der jenes innerbetriebliche Moment, das Ideenmanagement, von dem Fehrenbach sprach, konkretisiert. Der RKW-Ansatz nimmt zudem jene Tiefenbohrungen analytisch und begrifflich vor, die auf der Tagung unzureichend vorgenommen wurden und bietet selbst Innovatives. Zugeschnitten auf Unternehmen als Kunden, wäre der Blick auf andere soziale Träger von Kreativität, Wissen und Innovationen zu weiten. Zivilgesellschaftliche Akteure, so gut wie der geniale Tüftler oder Künstler, bringen Erstaunliches hervor, da auch dazu inzwischen Forschungen aus der Technik- und Wissenssoziologie vorliegen, obwohl als Gradmesser für Kreativität und Innovation nach wie vor die Zahl angemeldeter Patente gilt. Deutschland steht, das Gros kommt von Großunternehmen mit langer Tradition wie Bosch, Daimler und Siemens, international gut da, aber, davor warnt Fehrenbach, Großunternehmen können auch schwerfällig werden. Zukunftsweisend sind daher Initiativen, die das Potenzial kleinerer und mittlerer Unternehmen im Blick im Blick haben und Förderungen bereit stellen. Erkannt wurde auch, dass Frauen im Bereich Erfindung unterrepräsentiert sind und sie daher, wie in Norwegen, zu fördern seien. Diesem Aspekt galt auch ein Referat.

Der Gastgeber, das Land Baden-Württemberg, nutzte seine Chance zu einen Großauftritt und präsentierte sich in den Foyers unter dem Motto "This land is our brand" mit zahlreichen Institutionen, Organisationen und Informationsmaterial. Angesichts globaler Herausforderungen setzen inzwischen jedoch viele Länder auf die Ressourcen Wissen und Kreativität. Der Wettbewerb um Talente ist entbrannt und ein wenig verwundert es schon, dass von einer Aussenwissenschaftspolitik so gar nicht die Rede war. Trotzdem, viele interessante Aspekte wurden auf der Tagung angesprochen, die Ideen allerdings auf der Tagung prickelten nicht so stark , wie sich die Gastgeber das erhofft hatten, als sie Tüten mit Brausepulver verteilten, auf denen zu lesen stand: Get the ideas bubbling! Dass dem Sprudeln von Ideen aufgeholfen werden kann, davon war Ulrich Weinberg überzeugt und gründete, sehr innovativ, Europas erste Erfinderschule, die am Hasso Plattner Institut in Potsdam beheimatet ist und mit der Stanford University kooperiert, leider auf der Tagung aber nicht repräsentiert war. Es wäre spannend gewesen, auf Fehrenbachs Rede, dass Kreativität nicht erlernbar sei, Weinberg zu lauschen, da sich in seiner Praxis bereits gezeigt hat, dass Erfinden gelernt werden kann. Auf die nächste Tagung, die in Oklahoma vom 15.-17.11.2010 stattfindet, darf man gespannt sein, vorausgesetzt man ändert das Konzept und setzt auf kontroverse Beiträge. Auch diese können Kreativität und Innovatives freisetzen. In Ludwigsburg fehlten Querdenker.
 

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