15.04.2008

Autor*in

Dirk Heinze
Rückblick Kulturpolitisches Kolloquim 2008

Die wahre Kulturwirtschaft

Neu gewonnene Erkenntnisse beim Kulturpolitischen Kolloquium vom 15. bis 17.2.2008 in Loccum
Nachdem letzten November bereits eine große Veranstaltung in Berlin die Kulturwirtschaft als kulturpolitisches Thema behandelt hatte, war der eine oder andere Teilnehmer vor dieser Veranstaltung möglicherweise skeptisch, ob er mit neuen Erkenntnissen konfrontiert werden würde. Es darf zu einem guten Teil dem besonderen Geist der Evangelischen Akademie Loccum (Niedersachsen) zuzuschreiben sein, dass diese Tagung ein Erfolg wurde und neue Akzente zu setzen wußte. Loccum hat ohnehin einen festen Platz im kulturpolitischen Dialog und ist für viele Mitglieder der Kulturpolitischen Gesellschaft zweifellos das Mekka, zu dem man jährlich pilgert.

Das 53. Kolloquium im Februar knüpfte auch personell unmittelbar an die Berliner Tagung 2007 an und bezog jene Referenten ein, die dann auf den Ergebnissen aus Berlin anknüpfen konnten. Dieter Haselbach, seit Jahresbeginn nach dem Wechsel von Manfred Gaulhofer in den eigenen Familienbetrieb neuer Geschäftsführer der ICG Culturplan, machte deutlich, dass sich mit der Kreativwirtschaft noch immer Ängste, aber auch überzogene Hoffnung verbinden. Während es einerseits eine Selbstverständlichkeit sein sollte, dass in der Kultur auch gewirtschaftet wird, sei die Kulturpolitik nun bei der Entscheidung gefordert, welche Kultureinrichtungen gefördert werden soll. Zum Teil ist diese öffentlich subventionierte Infrastruktur wichtige Voraussetzung für die private Kulturwirtschaft. Umgekehrt setzen häufig Akteure der "kleine Kulturwirtschaft" stärkere Akzente durch neue Kunstformen oder Berufsbilder.

Oliver Scheytt, derzeit eher in der Praxis als unermüdlicher Vernetzer für Ruhr 2010 in Essen denn als kulturpolitischer Debattenführer beschäftigt, erhofft sich auf Bundesebene endlich Kulturwirtschaftsaktivitäten. "Wir leisten uns allein auf Länderebene den Luxus von 16 Filmförderanstalten", so Scheytt kritisch. Man merkte auch allmählich den Einfluss Dieter Gornys bei seiner Argumentationskette um das Für und Wider eines stärkeren Schutzes geistigen Eigentums.

Einer, der sowohl für die private wie die öffentliche Kultur gearbeitet hatte, ist Volker Heller. Er fragte selbstkritisch, ob man in Loccum über Kulturpolitik rede, die wir tatsächlich betrieben oder die wir betreiben wollten. Es fehlten häufig die Kriterien und Ziele bei der Frage, was und wen man fördere. Der Leiter der Kulturabteilung beim Berliner Senat brach eine Lanze für die Akteure der privaten Kulturwirtschaft, die in den letzten 50 Jahren im Unterschied zum öffentlichen Kulturbetrieb die wesentlichen Impulse für Kunst und Kultur gesetzt haben. Insofern muss sich die Kulturpolitik fragen lassen, ob sich ihre Ziele - so sie denn einmal formuliert sind - mit Hilfe auch der Kulturwirtschaft erreichen ließen. Stattdessen verfolge sie bisher eher eine Abgrenzungsstrategie, indem sie meist nur fördert, was es schwer hat, was Qualität hat, der Vermittlung und Teilhabe dient und von gesellschaftspolitischer Bedeutung sei. Volker Heller wünschte sich mehr Disponibilität der Kulturetats, also mehr Handlungsspielraum und die Fähigkeit, Ressourcen umzusteuern. Warum fließen die Fördergelder eigentlich im Zweifelsfall an die Institutionen?

Hellers Amtskollege aus dem benachbarten Land Brandenburg, Hajo Cornel, meinte, zu jeder Herausforderung gehöre ein Herausforderer und ein Herausgeforderter. Im Falle der Kulturwirtschaft sei noch nicht ganz klar, wer welche Rolle einnehme. In jedem Fall, so Cornel lakonisch, ginge es um Geld. Er erkannte Widersprüche im prominent gesetzten Kapitel zur Kulturwirtschaft beim jüngst vorgelegten Enquete-Bericht zur Kultur. Die Ablehnung von Subvention bei der privaten Kulturwirtschaft sei für ihn durchaus nicht gesetzt. Der "Basso continuo" der Kulturwirtschaft in diesem Bericht könne, so Cornels Prophezeiung, bald den Akteuren allerorten als Steinbruch dienen, um ihre Eigeninteressen zu verfolgen.

Während die bisherigen Referenten eher die Gemeinsamkeiten betonten und so eine Konsenslastigkeit drohte, war Armin Klein, immerhin auch ein Mitglied der KuPoGe, offenkundig erstmals aus Ludwigsburg nach Loccum gereist, um mit seinen Thesen zu provozieren. Für ihn folge der privatwirtschaftliche Sektor in der Kultur einzig und allein der Handlungslogik der Gewinnmaximierung. Qualität sei kein Überlebenskriterium, sondern der Markt und die Kunden. Der öffentliche Sektor sei vor allem für die meritorischen Güter da, also für jene Dinge, die eine Gesellschaft zu ihrem Funktionieren unbedingt brauche, die aber die Wirtschaft nach ihrer Logik nicht produzieren kann. Dies habe immerhin Adam Smith gesagt, der gewissermaßen als Begründer der Marktwirtschaft nicht für ein allzu großes staatliches Engagement bekannt war. In einer Zeit, in der die öffentliche Kulturförderung offenkundig in einer Krise stecke, gerade die Kultur als Staatsziel ins Grundgesetz schreiben zu wollen, ist nach Meinung Armin Kleins problematisch. Wer modisch Subvention in Investition umwidmen möchte, setzt sich zwangsläufig einer Renditeerwartung aus. Und: Der Kulturbetrieb funktioniere als Behörde und folgt somit der Logik einer Institution und nicht der der Künstler. Das Fazit des umtriebigen Dozenten und Autors: die Förderung kultureller Einrichtungen gehöre umgebaut, weil sie nicht mehr zukunftsfähig seien.

Es bedurfte nicht noch mehr Thesen, um die Debatte gehörig anzuheizen. Volker Heller stellt prompt jene von der Gewinnmaximierung infrage und setzte dagegen die Selbstverwirklichung als Triebkraft eines gerade jungenKulturunternehmers, der freilich Gewinn orientiert arbeite. Ein Vertreter des Schlachthof Wiesbaden, eines erfolgreichen sozio-kulturellen Zentrums, sprach von Wertschaffungs- statt Wertschöpfungskette. Prof. Rolf Ernst von der Kunsthochschule Weißensee entlarvte gar Prof. Kleins Thesen von der Gewinnmaximierung als Theorien, die in der Betriebswirtschaftslehre bereits seit 30 Jahren überholt seien. Für welchen Markt und wie bilden die einschlägigen Studiengänge eigentlich aus, war die Frage eines eigenen Panels. Prof. Birgit Mandel von der Universität Hildesheim ist es wichtig, Spielräume zu schaffen, dem "möglicherweise die Korsetts der Bachelor- und Masterabschlüsse entgegenstehen". Für Prof. Hermann Voesgen von der FH Potsdam seien die Studiengänge Kulturarbeit oder Kulturmanagement ohne unternehmerisches Denken und Handeln unvorstellbar, denn sie seien selbst aus der Kritik des Kulturbetriebs heraus entstanden. Prof. Karen van den Berg von der Zeppelin University Friedrichshafen konnte sich mehr Inszenierung von Kultur vorstellen mit dem Ziel, neue Produkte auf den Markt zu bringen. Das unternehmerische Risiko sei originärer Teil des Kulturmanagement-Studiums. Ähnlich innovative Wege wie in Friedrichshafen ist man in Oldenburg gegangen. Prof. Binas-Preisendörfer erläuterte, wie man am Institut für Musik ihrer Universität aus einem klassischen Musikwissenschaftsstudium neue Studiengänge entwickelt hat, die endlich auf die veränderten Bedingungen wie Technologien und Nutzerverhalten reagieren. Mindestens ebenso wichtig wie die Beschäftigung mit Werk und Komponisten seien soziale und wirtschaftliche Prozesse. Bernd Wagner vom Institut für Kulturpolitik stellte schlussendlich eine wachsende Annäherung der Studiengänge im Bereich Kulturmanagement bei den Curricula fest - was im Gegensatz zu der Vielfalt der Bezeichnungen stünde.

Weitestgehend einig war man sich in Loccum bei der Ablehnung des Begriffs Kreativwirtschaft, da es offenbar kulturell möglicherweise aufgrund bestimmter Milieus nachvollziehbar, aber ökonomisch sinnlos sei. Kreativität sei kein Privileg der Kultur, sondern gehöre in jedes Unternehmen. Und hier war sicherlich nicht die Buchführung gemeint.


Zur Tagung erscheint im Laufe dieses Jahres eine Dokumentation, in der Sie weitere Ergebnisse und Diskussionspunkte insbesondere aus den einzelnen Foren lesen können.
 

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