01.08.2022
Autor*in
Julia Jakob
studierte Musikwissenschaft und Kulturmanagement in Weimar. Praktische Erfahrungen im Kulturbetrieb sammelte sie bei unterschiedlichen Festivals und in verschiedenen Veranstaltungsbüros sowie als Agentin bei weim|art e. V. Seit 2021 ist sie die Chefredakteurin des Kultur Management Network Magazins und stellvertretende Leiterin der Redaktion.
Rückblick 11. Kulturpolitischer Bundeskongress
Demokra- was?
Wie wertvoll und wichtig etwas ist, das uns selbstverständlich erscheint, wird immer dann deutlich, wenn dessen Existenz bedroht ist. So in den aktuellen Krisenzeiten etwa die "Demokratie", mit deren Kunst und Bedeutung im Verhältnis zur Kultur sich der 11. Kulturpolitische Bundeskongress Anfang Juni 2022 beschäftigte.
Wenn man - so wie ich - (ein paar Jahre) nach der Wende in Deutschland geboren wurde und aufgewachsen ist, kennt man glücklicherweise nur ein geeintes Deutschland mit einem demokratischen System. In einer Demokratie geboren und aufgewachsen zu sein, macht Menschen natürlich nicht automatisch zu (lupenreinen) Demokrat*innen. Ebenso ist die Demokratie auch dann nichts, was - einmal gegeben - für immer bleibt. Denn dafür muss sich die Mehrheit der Menschen, die in einer Demokratie leben, immer wieder einsetzen, damit sie erhalten bleibt und sich weiterentwickeln kann. Prozesse, die nicht immer easypeasy sind, im Gegenteil: Demokratie ist konfliktreich - und damit mitunter extrem anstrengend, aufreibend und kräftezehrend. So erfordert Demokratie nicht zuletzt eine Ambiguitätstoleranz, um auch andere Meinungen sowie mehrdeutige Situationen und widersprüchliche Handlungsweisen auszuhalten. All das in Kauf zu nehmen, lohnt sich aber definitiv, wenn damit verbunden Gerechtigkeit und Fairness in unserem gesellschaftlichen Zusammenleben das Ziel sind - wozu auch der Kulturbetrieb beitragen kann.
Um zu zeigen, welche Verbindungen zwischen Kultur(-politik) und Demokratie(-politik) bestehen, beschäftigte sich der 11. Kulturpolitische Bundeskongress am 09. und 10. Juni mit der "Kunst der Demokratie. Kulturpolitik als Demokratiepolitik". "Demokratie" wurde hierbei als politisches System, als kulturelles Konzept und als gesellschaftliche Lebensform betrachtet, wobei die "Demokratie in Krisenzeiten" und nicht zuletzt "Demokratie in der Krise" im Fokus stand. Das Ziel: unterschiedliche Symptome und Ebenen der Krise herauszuarbeiten, kontroverse Deutungen sichtbar zu machen und kulturpolitische Handlungsstrategien im Sinne einer "Kunst der Demokratie" aufzuzeigen. Dafür hatten die Veranstalter*innen der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V. (KuPoGe) und der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) in Kooperation mit dem Deutschen Städtetag circa 400 Akteur*innen aus Kulturpolitik, Kulturverwaltung, Kultureinrichtungen, Wissenschaft und Praxis nach Berlin geladen. Auf diese wartetet ein volles Programm bestehend aus drei Panels und drei Forenblöcken mit fünf bis sechs parallel stattfindenden Sessions.
Da ich aus Zeitgründen nicht an allen Veranstaltungsblöcken teilnehmen konnte (da u.a. zeitgleich die re:publica stattfand), gehe ich in diesem Nachbericht auf einen Teil der Inhalte ein, die ich besuchen konnte. Für alle, die sich gern selbst in die Themen vertiefen möchten, seien die Aufzeichnungen des Kongresses empfohlen sowie die Veranstaltungswebseite, auf der ebenfalls weitere wichtige Inhalte zum Bundeskongress zu finden sind.
Keine Selbstverständlichkeit
Krisen können gemeinhin Chancen sein - sie zeigen aber auch wichtige Verbindungen auf, die wir außerhalb von Krisenzeiten eventuell nicht sehen: So machte Claudia Roth (Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien) zur Eröffnung des Bundeskongresses mit Blick auf den Ukrainekrieg deutlich, wie wichtig Demokratie und Kultur füreinander sind. Denn alles, was für uns in Deutschland so selbstverständlich scheint, wird in der Ukraine gerade von Russland angegriffen und zerstört - darunter etwa 375 ukrainische Kultureinrichtungen (Stand 09. Juni 2022). Dabei werde auch deutlich, dass Kunst und Kultur kein Luxus für gute Zeiten sind, sondern den Menschen in der Ukraine Kraft und Mut zum Kampf für die Freiheit und Demokratie geben. Darauf machten auch unabhängig von Roths Keynote im weiteren Verlauf der Eröffnung Kateryna Miščenko (Autorin, Kuratorin und Mitbegründerin des ukrainischen Verlags Medusa) und Kateryna Stetsevych (Referentin für Mittel- und Osteuropa der bpb) aufmerksam. Für Roth sei damit die Vielfalt an Kultur umso wichtiger - und für Vielfalt in Freiheit zu sorgen, sei Teil einer demokratischen Kulturpolitik, die auch für die notwendige Akzeptanz und Toleranz sorgen müsse. In der Praxis bedeutet das für Roth: Jegliche Kulturformen, -sparten und -einrichtungen zu unterstützen, die das kulturelle Zusammenwirken mit all seinen Widersprüchlichkeiten fördert - und damit auch eine demokratische Gesellschaft. Auch deshalb brauche es für sie - gemäß des Koalitionsvertrags - einen erweiterten Kulturbegriff.
Die zweite wichtige und ebenso mitreißende Keynote des Kongresses kam von Carsten Brosda (Senator für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg und Präsident des Deutschen Bühnenvereins). Ähnlich wie Roth plädierte auch er für die demokratiefördernde Wirkung von Kunst und Kultur. Ansonsten sei Kunst zunächst zweckfrei, könne uns aber verschiedene Ideen und Möglichkeiten aufzeigen und in diesem Sinn demokratisch wirken, indem sie positive Möglichkeitsräume in der Gesellschaft öffnet. Leider kam Brosdas Keynote nur als eingespielte Videobotschaft, denn der Deutsche Bühnenverein veranstaltete parallel zum KuPoGe-Kongress seine Jahreshauptversammlung. Ärgerlich, zumal es für viele Mitglieder des Bühnenvereins sicherlich wichtig gewesen wäre, ebenfalls über die Tagungsthemen zu sprechen bzw. für diese sensibilisiert zu werden. Aber dazu später mehr. Schieben wir diese Überschneidung stattdessen auf die pandemiebedingten Veranstaltungsschwierigkeiten der letzten beiden Jahre.
Keine Selbstüberschätzung, dafür mehr Selbstverantwortung
Zurück zum eigentlichen Thema: Wenngleich Kunst und Kultur wichtige Rollen und Relevanzen haben, sei Kultur kein Rettungsanker. Darauf machte Amelie Deuflhard (Intendantin Kampnagl) im Panel 1: "Demokratie in der Krise" aufmerksam, das Vladimir Balzer (Deutschlandfunk Kultur) moderierte. Mit wohltuender Skepsis gegenüber dem Heilsversprechen, was Kultur alles leisten könne, appellierte sie an die anwesenden Kulturakteur*innen, sich nicht dauernd selbst zu überschätzen. Damit spricht sie keinesfalls Kunst und Kultur die Verantwortung zur Demokratiebildung und -förderung ab. Das stünde auch ihrer Arbeit auf Kampnagl entgegen. Stattdessen machte sie mit Blick auf die Pandemie deutlich, dass sie Kultureinrichtungen in der Verantwortung sieht, den gesellschaftlichen Austausch wiederherzustellen, der pandemiebedingt in die eigenen Bubbles gewandert ist. Dazu müsse die Krise als Chance begriffen werden, um Kultureinrichtungen endlich diverser zu machen - auf der Bühne und im Publikum, um endlich die gesamte Gesellschaft zu repräsentieren und abzuholen.
Für Brigitte Geißel (Professorin für Politikwissenschaft und Leiterin der Forschungsstelle "Demokratische Innovationen" an der Goethe Universität Frankfurt am Main) können Kunst und Kultur zeigen, was Demokratie ist und (bewirken) kann. Denn Demokratie sei mehr als Wahlen - wenngleich sie ebenso darauf aufmerksam machte, zum Demokratieerhalt die Politikverdrossenheit (und damit die Nichtwähler*innen) ernst zu nehmen ( - hey Kulturbetrieb, war da nicht was mit Nichtbesucher*innen?!). Damit verbunden braucht es sicherlich auch mehr Vertrauen in die Menschen, die in und an der Demokratie teilhaben (sollen) - Stichwort "Selbstwirksamkeit erleben". Dafür sprach sich neben Geißel auch Dirk Neubauer (Bürgermeister der Stadt Augustusburg/Sachsen) aus, wobei dazu für ihn gehöre, Bürokratie und Förderstrukturen anzupassen. Denn nicht zuletzt stoße auch er selbst in seiner Arbeit als Bürgermeister immer wieder auf bürokratische Hürden - die ebenfalls dafür sorgen, dass sich auch die Demokratie mitunter zäh und zeitfressend anfühlt.
(Noch k)eine Fairteilung?
Gesellschaftliche Teilhabe
Das Schlüsselwort, das mit sämtlichen Öffnungsprozessen und damit auch mit der "Kunst der Demokratie" einhergeht, ist gesellschaftliche Teilhabe. Aber was bedeutet das in der konkreten Umsetzung? Im dritten Kongresspanel, moderiert von Michael Angele (Ressortleiter Debatte, Der Freitag), ging es genau darum, auch wenn der Titel "Kultur als Austragungsort politischer Konflikte" zunächst nicht darauf hindeutete. Allerdings saßen mit Max Czollek (Lyriker und Publizist), Aladin El-Mafaalani (Professor und Inhaber des Lehrstuhls für Erziehung und Bildung in der Migrationsgesellschaft an der Universität Osnabrück) und Paulina Fröhlich (Leiterin des Programmbereichs Zukunft der Demokratie, Das Progressive Zentrum) drei Menschen auf dem Podium, die Expert*innen zur Frage nach gesellschaftlicher Teilhabe sind. Etwas deplatziert wirkte Bernd Stegemann (Professor für Theatergeschichte und Dramaturgie an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch) als vierter Podiumsgast.
Wenngleich "gesellschaftliche Teilhabe" notwendig für demokratische Prozesse und nicht nur deswegen absolut erstrebenswert ist, wird deswegen nicht alles angenehm flauschig und entspannt. So machte El-Mafaalani darauf aufmerksam, dass durch mehr gesellschaftliche Teilhabe natürlich mehr Konflikte entstehen. Er griff hier immer wieder das Bild eines Tisches auf, an den sich immer mehr Menschen setzen, je mehr gesellschaftliche Teilhabe wir erreichen (ein Bild, dass er auch in seinen Publikationen immer wieder aufgreift, die Ihnen nicht nur deswegen allesamt empfohlen seien). Laut El-Mafaalani würden insbesondere jene unsicher, die schon länger am "Tisch sitzen" und "vom Kuchen essen" durften. Generell können aber auch nur all jene, die am Tisch sitzen, das Rezept des Kuchens kritisieren, wie Paulina Fröhlich anmerkte. Dadurch entstehe auch ein Kulturkonflikt, denn auch Kulturinstitutionen und Zivilgesellschaft mischen sich mit ein. El-Mafaalani betonte, dass es gut und wichtig sei, diese Konflikte als Gesellschaft auszuleben. Denn nur so können wir weiterkommen. Das Problem an der bisherigen Konfliktaustragung ist für Max Czollek, dass wir diese vor allem auf symbolischer Ebene führen. Um voranzukommen, müssen wir sie aber auf einer materiellen und strukturellen Ebene austragen. Für den Kulturbetrieb bedeutet das, laut Czollek, auch die Rückseiten der Häuser zu erneuern, nicht nur die Vorderseite - womit wir wieder bei der Forderung wären, sich nicht selbst zu überschätzen und stattdessen Verantwortung in diesen gesellschaftlichen Debatten zu übernehmen, die auch schon Amelie Deuflhard aussprach. Denn - und damit wird auch deutlich, warum es sich lohnt, all diese Konflikte in Kauf zu nehmen und austragen: "Wenn neue Menschen an den Tisch kommen, werden sie auch neue Fragen stellen - basierend auf ihrer Lebensrealität - die letztlich neue Perspektiven aufwerfen, die bisher am Tisch und damit in unserer Gesellschaft fehlen", wie El-Mafaalani es ausdrückte - Stichwort Repräsentation.
Gerechte Verteilung
Mit Teilhabe geht also immer auch die Frage nach der gerechten Verteilung von Macht und Verantwortung einher (wobei "Macht" im Deutschen eher negativ konnotiert scheint und man hier eher ans Englische "Power (to the people)" denken sollte, um die Bedeutung klarer zu machen). Wie solche Verteilungsprozesse gestaltet werden können, um der Repräsentationskrise entgegenzuwirken, diskutierte die Session "Macht (fair)teilen. Kollaboration gegen die Repräsentationskrise" in einem der parallelen Foren. Moderiert wurde die Session von Birgit Mandel (Professorin für Kulturmanagement und Kulturvermittlung am Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim und Vizepräsidentin der Kulturpolitischen Gesellschaft).
Um "Kollaboration" als positives Buzzword mit Leben zu füllen, machte Paulina Seyfried (Kunstwissenschaftlerin und Kulturproduzentin) deutlich, was damit alles verbunden ist, um überhaupt entsprechende Strukturen zu schaffen: Zeit, Vertrauen, finanzielle Sicherheit, Interesse und Konfliktbereitschaft. All diese Punkte konnte Matthias Rauch (Leiter des Bereichs "Kulturelle Stadtentwicklung & Kultur- und Kreativwirtschaft" bei NEXT Mannheim) am Beispiel der kollaborativen Prozesse der Stadtentwicklung aus der Praxis bestätigen. Dabei nannte er als Herausforderungen: die Dauer der Prozesse, Wissen der Beteiligten, Wechsel der Beteiligten und ganz wichtig: Vertrauen. Denn echte Kollaboration bedeute vor allem, Kontrolle abzugeben. Damit sich diese Kontrollabgabe nicht wie ein Kontrollverlust anfühlt, seien personenunabhängige Strukturen, Moderation und Übersetzung in einer Kollaboration notwendig, um Augenhöhe zwischen den Beteiligten zu schaffen. Weiterhin nannte Rauch die Honorierung als essenziell, wenn die Kultur in der Stadtentwicklung Kollaboration mit ermöglichen will. Das heißt: Mitwirkende Kulturarbeiter*innen müssen bezahlt werden und Förderstrukturen dürfen Innovationen nicht blockieren. Weiterhin berichtete er von seiner Arbeit bei NEXT Mannheim, dass Künstler*innen und Kreative bisher am wenigsten Probleme hätten, im Sinne der Kollaboration ergebnisoffen zu arbeiten, da das ihre gewohnte Arbeitsweise sei. Wenngleich Kollaboration eine ergebnisoffene Herangehensweise braucht, sind kollaborative Prozesse nicht ziellos. Vielmehr gehe es darum, wie u.a. der Weg dorthin gestaltet wird, so Rauch weiter. Ein weiteres Praxisbeispiel für kollaboratives Arbeiten im Kulturbereich lieferte Volker Heller (Direktor der Stiftung Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) und Bundesvorsitzender des Deutschen Bibliotheksverbands (dbv)): So gestalte die ZLB partizipative und kollaborative Prozesse für die Zusammenarbeit mit Besucher*innen, indem beispielsweise Medienbestände, die die Häuser noch nicht haben, von Communities kuratiert werden, die diese nutzen. Ebenso machte er auf die Organisation More in Common aufmerksam, wenn es darum geht, Prozesse zu gesellschaftlichem Zusammenhalt zu schaffen.
Wenngleich der Stadtentwicklungsprozess der NEXT Mannheim sowie das Arbeiten der ZLB gelungene Beispiele dafür sind, dass auch entsprechende Entscheider*innen bereit sind, kollaborative Prozesse zu unterstützen, kam aus dem Plenum eine wichtige Frage für den Arbeitsalltag im Kulturbetrieb: Woher soll all das genommen werden (Zeit, Vertrauen etc.), was Kollaboration braucht? Und wie kommuniziert man diese Notwendigkeiten an entsprechende Entscheider*innen und Beteiligte? Ein Umdenken in den bestehenden Förderstrukturen und -logiken sowie in der Arbeitsweise der Häuser selbst ist hier sicherlich ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg. Hierbei wäre es wünschenswert gewesen, die KuPoGe selbst hätte entsprechende Maßnahmen zum Anstoß solcher Transformationsprozesse im Rahmen der Tagung formuliert und konkrete Handlungsanweisungen zur weiteren Arbeit für die teilnehmenden Kulturakteur*innen formuliert.
Was machen wir nun damit?
Die faire Verteilung von Macht in Kultureinrichtungen betrifft allerdings nicht nur die Zusammenarbeit mit den Besucher*innen und Stakeholdern der Stadtgesellschaft. Blickt man hinter die Kulissen, müssen zunächst die Strukturen so geändert werden, dass Mitarbeiter*innen der Häuser partizipieren können - und all jene, die bisher Macht haben und partizipieren, diese nicht weiterhin missbrauchen. Man denke nur an die Machtmissbrauchsdebatten und -skandale im Theaterbetrieb - nicht nur deswegen wäre es wichtig gewesen, dass auch Vertreter*innen des Deutschen Bühnenvereins am Bundeskongress der KuPoGe hätten teilnehmen können. Ein Punkt, der leider auf dem Podium der Session "Macht (fair)teilen" gefehlt hat, glücklicherweise aber von einer Theatermacherin aus dem Plenum angesprochen wurde. Denn: Wollen und sollen Kultureinrichtungen die "Kunst der Demokratie" umsetzen und Demokratie fördern, sollten sie selbst in ihrem Inneren demokratisch organisiert sein - und: Demokratie leben. Dafür muss man sich aber bewusst sein, was "Demokratie" überhaupt in der Umsetzung bedeutet.
Auch hier hätte der Bundeskongress mit gutem Beispiel voran gehen und Formate anbieten können, in denen die Kultureinrichtungen sich selbstkritisch unter die Lupe nehmen. Damit verbunden wären auch Austauschformate zwischen Entscheider*innen und kulturausübenden Akteur*innen wichtig gewesen. In solchen Formaten könnte man all jene Punkte ansprechen, die bisher in den Häusern die "Kunst der Demokratie" in jeglicher Hinsicht erschweren und dann über entsprechende Erwartungen, Bedarfe und Möglichkeiten miteinander reden. Damit verbunden hätte es auch noch mehr Menschen auf den Podien gebraucht, die bisher am "Tisch" noch unterrepräsentiert sind, um Themen anzusprechen, denen bisher noch zu wenig Gehör geschenkt wird oder die in der gesamtgesellschaftlichen Debatte generell fehlen. Ebenso haben kulturpolitische Akteur*innen gefehlt, wie etwa Vertreter*innen des ensemble netzwerks, der GDBA oder von Das Bündnis gefehlt, die sich mit ihrer (zum Teil ehrenamtlichen!) Arbeit erfolgreich für die "Kunst der Demokratie" im Kulturbetrieb engagieren, ohne diesen Wortlaut explizit zu verwenden. Dafür hätten es gern weniger der bisherigen Gatekeeper*innen auf den Podien sein können, die stattdessen im Plenum aufmerksam zuhören sollten, um letztlich Bedarfe und Forderungen zu verstehen, die außerhalb ihres eigenen Horizontes liegen.
So wurden viele wichtige, kulturpolitische Themen zwar hervorragend auf einer Metaebene besprochen - was das aber konkret für die Umsetzung in der (kulturpolitischen) Kulturarbeit bedeutet, blieb offen. Das ist besonders ärgerlich, denn wo, wenn nicht auf einem kulturpolitischen Bundeskongress kommen sonst so viele wichtige Akteur*innen zusammen und können sich nicht nur miteinander austauschen, sondern auch in die Verantwortung genommen werden? Wo, wenn nicht auf einem solchen Kongress, können gemeinsam Maßnahmen und Forderungen entwickelt werden, die im Sinne einer "Kulturpolitik als Demokratiepolitik" sind, die Transformationsprozesse in der Praxis wirklich unterstützen und letztlich voranbringen? Wenn so etwas nur auf einer Metaebene diskutiert wird und dort bleibt, bleiben auch sämtliche Buzzwords inhaltsleer und ohne Nachhall. Und dafür sind Demokratie und demokratische Prozesse zu wertvoll.
Es bleibt daher zu hoffen, dass eine Vielzahl der Teilnehmenden des Kongresses den diskutierten Input selbstverantwortlich mit in ihre Arbeit nehmen und sich dort (weiterhin) für die "Kunst der Demokratie" einsetzen.
Mitschnitte des 11. Kulturpolitischen Bundeskongresses
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