Rückblick Tagung Aachen 2007
Kulturwirtschaft aus städtischer Perspektive
Anknüpfend an das Thema eines Workshops vor etwa 2 Jahren in Zürich widmete sich nun eine Tagung in Aachen unmittelbar der städtischen Perspektive der Kulturwirtschaft.
Wobei anzumerken ist, das gerade die Städte die größten Profiteure dieser Entwicklung sind und man sich eher in ländlichen Regionen sorgen sollte, was den unaufhaltsam scheinenden Zuzug der kreativen Klasse in urbane Metropolen betrifft. Hier konnte die Tagung am 12. Dezember in Aachen wichtige Erkenntnisse liefern. Man kann beispielsweise inzwischen von einem Bewusstsein der Menschen für die Euregio Maas-Rhein sprechen, die neben der Region Aachen die Provinzen Limburg (Niederlande + Belgien), Lüttich sowie die deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens umfasst. Bereits vor 20 Jahren begann somit ein technologie- und kulturorientierter Strukturwandel im Herzen der Europäischen Union, wie Aachens Oberbürgermeister Dr. Jürgen Linden unterstrich. So arbeiten viele Orchester und Museen der Euregio länderübergreifend. Besondere Aufmerksamkeit erregte jüngst Aachen mit dem ersten Kreativwirtschaftsbericht einer Stadt. Der Anfang ist also gemacht - Ergebnisse und die Frage, ob sich auch das künstlerisch-kreative sowie wissenschaftliche Potenzial dieser Region richtig entfalten kann, wird man nach Meinung von Dr. Linden wohl erst in 10 oder 15 Jahren einschätzen können.
Für den Vorsitzenden der Euregio Maas-Rhein, Léon Frissen, ist es vor allem eine Herausforderung, in diesem Prozess zwischen dem Wunsch nach Nonkonformität seitens der Vertreter der Creative Industries und dem Bedarf an Steuerung und damit Regelungen auf politischer Ebene zu vermitteln. Er verwies auf die sehr hohe Lebensqualität der Region, räumte aber auch ein, trotz Wunsch nach grenzübergreifender Zusammenarbeit noch immer an bürokratische Grenzen zu stoßen. Die Abgeordnete der Provinz Limburg, Odile Wolf, stellte fest, dass auf dem Weg zu einer Kreativwirtschaft ein Mentalitätswandel sowohl in der Wirtschaft als auch in der Kultur einsetzen müsse.
Michael Söndermann knüpfte an den erwähnten Kulturwirtschaftsbericht Aachens an und begrüsste die vom Oberbürgermeister angekündigte Zusammenarbeit mit der Wissenschaft. Noch immer würde zu wenig in die Ideen- und Konzeptentwicklung von Menschen investiert und zu viel in Immobilien. Söndermann brachte Licht ins Dunkel der Definitionen von Kulturwirtschaft, Kreativwirtschaft und kreativer Ökonomie, gab aber zu, die überstarke Differenzierung in den Begrifflichkeiten führe dazu, dass die Antwort auf die richtige Abgrenzung weiter offen bleibt. Die populärwissenschaftlichen Ansätze eines Richard Floridas wären allerdings nicht 1 zu 1 auf die europäische Situation zu übertragen. Die Kreativbranchen betonen in Ergänzung zur Kulturwirtschaft den Aspekt der Innovation (beispielsweise in den derzeitigen Ansätzen Großbritanniens oder Dänemarks), d.h. solche Bereiche wie Software, Computer, Design, Druck, Rundfunk, Kunst, Werbung oder Kunsthandwerk treten zum traditionellen Begriff der Kulturwirtschaft hinzu. Die kreativen Ökonomien, wie sie jüngst erst wieder von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers angeführt wurden, beziehen dann sogar die Copyright-Industrien ein bis hin zur Vorstellung, dass der "Sound" einer schließenden Autotür ebenfalls zur kreativen Produktion gehöre. Für Söndermann sei bei dem derzeitigen Diskurs zu diesen Themen wichtig, die kulturpolitische Sicht deutlich zu machen. Hier dürfte sicher die Tagung in Loccum im Februar neue Erkenntnisse und Standpunkte bringen. Zudem machte Söndermann deutlich, dass die Kulturwirtschaft nicht nur in urbanen Räumen funktioniere - ländliche Regionen hätten seiner Meinung nach ähnliche Potenziale. Er bezog am Schluss auf Nachfrage von Kulturmanagement Network Stellung gegen den Versuch einiger Bundesländer, die unbestrittene ökonomische Relevanz des Kulturtourismus für eine künstliche Aufwertung ihrer kulturwirtschaftlichen Bilanz und Potenziale zu missbrauchen. Letztendlich besteht die Gefahr, den Kulturbetrieb als Annex zu instrumentalisieren.
Weitere erhellende Fakten und Standpunkte konnte danach Christoph Backes vermitteln, der mit den Ideenlotsen zurzeit erfolgreich jungen Unternehmen der Kreativwirtschaft berät. Was eine lebendige Gründerszene allerdings brauche, seien Bürgschaften, Gründerprogramme, Plattformen zu Koordination, "Market Making", um Zugänge zu schaffen, sowie eine leistungsfähige Infrastruktur. Er nannte das Beispiel der International Culture Industry Fair in China, einer Kulturwirtschaftsmesse, die seit 2004 mit etwa 7000 Ausstellern auf sage und schreibe 1 Mill. qm Fläche inzwischen einen Milliardenumsatz erziele. Sein Fazit: kaum ein Politikfeld könne heute ohne Kulturwirtschaft auskommen. An die Adresse der Kulturpolitik richtete er die Hoffnung, dass sie aufzeigen könne, das Kulturwirtschaft durchaus auch für gesellschaftspolitische Ziele nutzbar ist. Sie müsse ihren Blick stärker auf Kulturberufe und künstlerische Aktivitäten werfen. Zum Teil mangele es an der Identifikation der Akteure in der Kulturwirtschaft. Die Politik habe so keine direkten Ansprechpartner, was angesichts der Ressortstruktur zu Zuständigkeitsproblemen führe. Noch immer herrschen Vorbehalte und Unkenntnis seitens der Akteure gegenüber Förderinstitutionen und Beratungsprogramme der Wirtschaft. Projektorientierte Förderung nehme zu. Ungenutzte Potenziale sieht Backes in der Nutzung von Technologien im Kultur- und Kreativbereich. Kreativwirtschaft habe sich im übrigen auch ohne Politik 20 Jahre gut entwickelt, was insofern wichtig sei zu wissen, da der derzeitige Hype um den Begriff Kulturwirtschaft auch einmal vorbeiginge.
Wie die Kreativen neue Impulse für Regionen schaffen können, die in einer Wirtschafts- und damit auch Identitätskrise lägen, zeigte der Vertreter von Koekoek BV ((sprich: Kuckuck Bee Vee, www.koekoek.de) aus der Stadt Venlo (NL). Koekoek ist eine Kreativinitiative mit einer ungewöhnlichen Mischung der Bereiche Kunst, Mode, Software und Video. Es gelang ihr innerhalb kurzer Zeit, die Atmosphäre in der Stadt merklich zu verändern und den Braindrain, also den Wegzug junger Menschen und von Eliten zu stoppen. Inzwischen erhält man selbst Anfragen aus Amsterdam. Aber wichtig ist vor allem der Austausch zwischen den Akteuren unterschiedlicher Sparten wie z.B. der Designer, die nun auch für die Bühnengestaltung des Theaters arbeiten.
Wieder einmal zeigte sich auf einer Tagung die starke Wirkung der kreativen Akteure selbst für die Erkenntnis, wie Kultur- und Kreativwirtschaft tatsächlich funktioniert. Das macht Mut und entschädigt für manche Durststrecken, sowohl die bei den allzu theoretisierenden politischen Statements als auch die praktischen Durststrecken, die man durchleben muss, bis das eigene Projekt erfolgreich ist. Es bleibt also spannend bei der Entwicklung von Kreativwirtschaft und neuem Kulturunternehmertum.
Für den Vorsitzenden der Euregio Maas-Rhein, Léon Frissen, ist es vor allem eine Herausforderung, in diesem Prozess zwischen dem Wunsch nach Nonkonformität seitens der Vertreter der Creative Industries und dem Bedarf an Steuerung und damit Regelungen auf politischer Ebene zu vermitteln. Er verwies auf die sehr hohe Lebensqualität der Region, räumte aber auch ein, trotz Wunsch nach grenzübergreifender Zusammenarbeit noch immer an bürokratische Grenzen zu stoßen. Die Abgeordnete der Provinz Limburg, Odile Wolf, stellte fest, dass auf dem Weg zu einer Kreativwirtschaft ein Mentalitätswandel sowohl in der Wirtschaft als auch in der Kultur einsetzen müsse.
Michael Söndermann knüpfte an den erwähnten Kulturwirtschaftsbericht Aachens an und begrüsste die vom Oberbürgermeister angekündigte Zusammenarbeit mit der Wissenschaft. Noch immer würde zu wenig in die Ideen- und Konzeptentwicklung von Menschen investiert und zu viel in Immobilien. Söndermann brachte Licht ins Dunkel der Definitionen von Kulturwirtschaft, Kreativwirtschaft und kreativer Ökonomie, gab aber zu, die überstarke Differenzierung in den Begrifflichkeiten führe dazu, dass die Antwort auf die richtige Abgrenzung weiter offen bleibt. Die populärwissenschaftlichen Ansätze eines Richard Floridas wären allerdings nicht 1 zu 1 auf die europäische Situation zu übertragen. Die Kreativbranchen betonen in Ergänzung zur Kulturwirtschaft den Aspekt der Innovation (beispielsweise in den derzeitigen Ansätzen Großbritanniens oder Dänemarks), d.h. solche Bereiche wie Software, Computer, Design, Druck, Rundfunk, Kunst, Werbung oder Kunsthandwerk treten zum traditionellen Begriff der Kulturwirtschaft hinzu. Die kreativen Ökonomien, wie sie jüngst erst wieder von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers angeführt wurden, beziehen dann sogar die Copyright-Industrien ein bis hin zur Vorstellung, dass der "Sound" einer schließenden Autotür ebenfalls zur kreativen Produktion gehöre. Für Söndermann sei bei dem derzeitigen Diskurs zu diesen Themen wichtig, die kulturpolitische Sicht deutlich zu machen. Hier dürfte sicher die Tagung in Loccum im Februar neue Erkenntnisse und Standpunkte bringen. Zudem machte Söndermann deutlich, dass die Kulturwirtschaft nicht nur in urbanen Räumen funktioniere - ländliche Regionen hätten seiner Meinung nach ähnliche Potenziale. Er bezog am Schluss auf Nachfrage von Kulturmanagement Network Stellung gegen den Versuch einiger Bundesländer, die unbestrittene ökonomische Relevanz des Kulturtourismus für eine künstliche Aufwertung ihrer kulturwirtschaftlichen Bilanz und Potenziale zu missbrauchen. Letztendlich besteht die Gefahr, den Kulturbetrieb als Annex zu instrumentalisieren.
Weitere erhellende Fakten und Standpunkte konnte danach Christoph Backes vermitteln, der mit den Ideenlotsen zurzeit erfolgreich jungen Unternehmen der Kreativwirtschaft berät. Was eine lebendige Gründerszene allerdings brauche, seien Bürgschaften, Gründerprogramme, Plattformen zu Koordination, "Market Making", um Zugänge zu schaffen, sowie eine leistungsfähige Infrastruktur. Er nannte das Beispiel der International Culture Industry Fair in China, einer Kulturwirtschaftsmesse, die seit 2004 mit etwa 7000 Ausstellern auf sage und schreibe 1 Mill. qm Fläche inzwischen einen Milliardenumsatz erziele. Sein Fazit: kaum ein Politikfeld könne heute ohne Kulturwirtschaft auskommen. An die Adresse der Kulturpolitik richtete er die Hoffnung, dass sie aufzeigen könne, das Kulturwirtschaft durchaus auch für gesellschaftspolitische Ziele nutzbar ist. Sie müsse ihren Blick stärker auf Kulturberufe und künstlerische Aktivitäten werfen. Zum Teil mangele es an der Identifikation der Akteure in der Kulturwirtschaft. Die Politik habe so keine direkten Ansprechpartner, was angesichts der Ressortstruktur zu Zuständigkeitsproblemen führe. Noch immer herrschen Vorbehalte und Unkenntnis seitens der Akteure gegenüber Förderinstitutionen und Beratungsprogramme der Wirtschaft. Projektorientierte Förderung nehme zu. Ungenutzte Potenziale sieht Backes in der Nutzung von Technologien im Kultur- und Kreativbereich. Kreativwirtschaft habe sich im übrigen auch ohne Politik 20 Jahre gut entwickelt, was insofern wichtig sei zu wissen, da der derzeitige Hype um den Begriff Kulturwirtschaft auch einmal vorbeiginge.
Wie die Kreativen neue Impulse für Regionen schaffen können, die in einer Wirtschafts- und damit auch Identitätskrise lägen, zeigte der Vertreter von Koekoek BV ((sprich: Kuckuck Bee Vee, www.koekoek.de) aus der Stadt Venlo (NL). Koekoek ist eine Kreativinitiative mit einer ungewöhnlichen Mischung der Bereiche Kunst, Mode, Software und Video. Es gelang ihr innerhalb kurzer Zeit, die Atmosphäre in der Stadt merklich zu verändern und den Braindrain, also den Wegzug junger Menschen und von Eliten zu stoppen. Inzwischen erhält man selbst Anfragen aus Amsterdam. Aber wichtig ist vor allem der Austausch zwischen den Akteuren unterschiedlicher Sparten wie z.B. der Designer, die nun auch für die Bühnengestaltung des Theaters arbeiten.
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