07.11.2010

Autor*in

Anja Schwarzer
studierte in Halle und Sarajevo Interkulturelle Europa- und Amerikastudien sowie Betriebswirtschaftslehre an der FernUni Hagen. In ihrer Zeit in Weimar betreute sie u.a. als wissenschaftliche Assistenz die AG Kulturkonzept der Landeshauptstadt Erfurt. Neben Ihrer Tätigkeit als Referentin bei KMN studiert sie berufsbegleitend CrossMedia an der FH Magdeburg-Stendal.
Rückblick The Audience is the Message 2010

The Audience is the Message

Das Team des Zentrums für Kulturmanagement der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften, Winterthur (ZHAW) hat für ihre diesjährige Tagung ein Thema gewählt, dem sich aktuell scheinbar kein Kulturmanager mehr entziehen kann: Social Media in der Kultur.
Die Tagung "The Audience is the Message" in der Zürcher Hochschule der Künste zeigte, dass sich die meisten Kulturbetriebe in den deutschsprachigen Ländern mit dem Thema auseinander setzen (müssen). Die Schweizer sind, wie nicht anders zu erwarten war, jedoch die Skeptiker unter ihnen.
 
Die Frage ist dann auch gar nicht, ob Social Media für Kulturbetriebe nützlich ist, sondern eher: Können Kulturbetriebe es sich überhaupt leisten, Plattformen wie Facebook oder Twitter nicht zu nutzen? Obwohl noch an vielen Stellen Unsicherheit und Unerfahrenheit herrschen, eint alle auf der Tagung scheinbar jedoch eine Feststellung: Keiner kommt zurzeit an Social Media vorbei. Die Erwartungshaltung der (jungen) Nutzer ist groß.
 
Nach einer kurzen Einführung durch Bruno Seger vom Zentrum für Kulturmanagement in Winterthur referierte Prof. Klaus Siebenhaar, Leiter des Zentrum für Audience Development an der Freien Universität Berlin, zur digitale Bewusstseins-Industrie im Kulturbetrieb - eine recht abstrakte, für den Beginn eher trockene Einführung in das Tagungsthema, deren Inhalt er auf den Theorien Hans Magnus Enzensbergers aufbaut. Siebenhaar bescheinigte den heutigen Konsumenten keine gute "Bewusstseins-Industrie". Trotz Web 2.0, dem sog. Mitmach-Web, besteht die Mehrzahl der User nur aus Konsumenten, die in der vorgelagerten Wertschöpfungskette von Produkten nur selten einen aktiven Platz haben. Ein erfrischendes Gegenbeispiel nannte er jedoch zum Ende des Vortrags. Unter dem Titel Blumenladen 2.0 zeigte er ein märchenhaftes Bespiel, wie Social Media auch im unternehmerischen Sinne genutzt werden kann. Eine erfolgreiche Kampagne, die aber auch erkennen lässt: ohne klassische Medien wäre eine Aktion dieser Art nicht so erfolgreich gewesen.
 
Sein Kollege und Forschungsassistent Elias Sievernich der BerlinMediaProfessionalSchool (FU Berlin) führte diesen Grundgedanken in seinem Vortrag fort und stellte die aktuelle Lage dar: Partizipation ist augenscheinlich nicht gewünscht, weder vom Produzenten noch vom Zuschauer. Die Motivation der Internetnutzer ist eher der Informations- und Wissenserwerb, und auch Kulturbetriebe frönen nur einer angetäuschten Dialogorientierung. Die Angst vor Verlust der Deutungshoheit liegt tief.
 
Etwas praxisorientierter war da der Vortrag von Helge Kaul, Projektleiter und Dozent an der ZHAW, der seine Social Marketing Studie zur Frage: "Welche strategische Bedeutung hat Social Media für die Marketing-Praxis einer 'user-generated culture'?" vorstellte. Alle Web 2.0-Interessierten, die nicht zwei Wochen vorher an der stART.10 teilnahmen, konnten so ein Teil dieser Konferenz hier, wenn auch in einer etwas verschnupfteren Version, nachholen. Eine Erkenntnis beruhigte und beeindruckte zugleich: Social Media alleine hat keine Bedeutung für Kulturinstitutionen. Unbedachte Nutzung kann sogar negative Folgen fürs Image haben. Im Zusammenhang mit einem passendem Marketingplan gibt es aber sehr viele Vorteile, die insbesondere crossmedial genutzt werden können.
 
Als nächstes wurde das Forschungsprojekt: "Audience+: Museen und das partizipative Web", von Bettina Minder und Dr. Axel Vogelsang vom Institut Design der Hochschule in Luzern vorgestellt. Da der Einsatz von sozialen Medien im Museumskontext der Schweiz noch ganz am Anfang steht, konzentrierten beide sich auf deutsche und internationale Beispiele für Social Media Nutzung, wie das NRW Forum (Montagsfrage auf Facebook) und das Brooklyn Museum in New York.
 
Nach der Mittagspause folgten die Social Media Ateliers: In kunstspartenorientierten Gruppen sollten die Teilnehmer über Konsequenzen dieses Wandels im Bereich Marketing diskutieren. Antje Mohrmann vom Theaterhaus Stuttgart konnte in dem Atelier "Tanz/Theater" auf anschauliche und sympathische Weise zeigen, wie Social Media - selbst in den Anfängen - für ein Theater funktionieren kann. Schnell wurde klar: Technologie und Know-How sind sicher ein wesentlicher Teil. Wichtiger jedoch sind Vertrauen, Mut, und Spaß. Der Content, also das "Storytelling", sollte stimmig sein. Offenheit und Vielfalt müssen auch online demonstriert werden.
 
 
Zu guter Letzt zeigte Christian Holst am Beispiel der startconference, wie Social Media im Konferenzmanagement funktionieren kann. Die Projektkommunikation erfolgte ausschließlich über Social Media Anwendungen wie z.B. Skype. Das thematisch eigentlich spannende Referat wurde leider durch ein paar technische Pannen beeinträchtigt. Bedauerlicherweise fiel der Vortrag zum Ende etwas aus dem Rahmen, da er Themen behandelte, die eher dem Web 1.0 zuzuordnen sind.
 
In der abschließenden Diskussion wurde der roten Faden aufgerollt und folgende Frage in den Raum gestellt: "Sind wir zum Twittern verdammt?". Die semi-lebendige, leicht kontroverse Diskussion am Abend wurde stark von Prof. Klaus Siebenhaar dominiert, der davon überzeugt war, dass Geschäftsmodelle im Web 2.0. "Quatsch" seien. Ein Statement, dem Dr. Stefan Haefliger (Social Media Atelier "Bildende Kunst") widersprach: Innovative Marketingkampagnen, die klug mit dem "Normalgeschäft" verstrickt werden, können letztendlich auch Geld generieren. Seine eigene Firma (etoy.CORPORATION) oder Kulturmanagement Network sind mit Sicherheit gute Beispiele dafür.
 
Respekt vorm Nutzer, Offenheit und guter Content entzaubern weder die "Kunst" noch müssen sich die Experten durch mehr Transparenz angegriffen fühlen.
 
Zum Schluss ein bekannter Tweed von Twitter-User Avinash Kaushik, der auch die Grundstimmung dieser Tagung gut wiedergibt: "Social media is like teen sex, Everyone wants to do it. No one actually knows how. When finally done, there is surprise it's not better."
 

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