20.07.2007

Autor*in

Marcel Falk
Rückblick "Oberrheinkonferenz" 2007

Wie viel Festival braucht das Land?

Ein trinationaler Gedankenaustausch zur Rolle von Festivals in der Kulturlandschaft am Oberrhein Abschlussdokumentation der Fachtagung im Rahmen des Forums Kultur der Oberrheinkonferenz am 4. Juli 2007 in Lörrach
Auf reges Interesse stiess die von der Basellandschaftlichen Kulturabteilung kulturelles.bl veranstaltete Fachtagung mit dem Titel "Wie viel Festival braucht das Land", die am 4. Juli im Rahmen des Forums Kultur der D-F-CH-Oberrheinkonferenz im Burghof Lörrach stattfand. Vertreterinnen und Vertreter der Kulturressorts beider Basel, aus Südbaden und dem Elsass, Festivalmacher sowie Sponsoren waren eingeladen, der Position von Festivals in der heutigen und hiesigen trinationalen Kulturlandschaft am Oberrhein nachzugehen. Besonderes Augenmerk wurde auf die Wechselwirkung zwischen dem stetig wachsenden Festival- und Eventangebot und dem institutionellen kontinuierlichen Kulturbetrieb gelegt. Zudem wurden Fragen zur Förderung von Festivals mit öffentlichen Mitteln sowie zu qualitativen Kriterien für Festivals erörtert.
 

Festivals als gewichtiger kulturpolitischer Faktor


Niggi Ullrich, Kulturbeauftragter des Kantons Basel-Landschaft, eröffnete die Fachtagung und wies in zehn Thesen auf das immense Gewicht von Festivals in der heutigen Kulturlandschaft hin. Neben der wirtschaftlichen Bedeutung von Festivals und Festspielen - aus Gründen der Abgrenzung beschränkte er sich auf die performing arts - habe in den letzten Jahren die kulturpolitische Relevanz dieser Art Veranstaltungen enorm zugenommen. Viele Festivals hätten durch Kooperationen mit etablierten Institutionen und durch Schärfung eines eigenen Profils mit Eigenproduktionen und -projekten ihr Nischendasein verlassen. Ullrich beobachtet gar erste Anzeichen einer Umverteilung dahin, dass sich "die Politik vorstellen kann, Mittel aus dem institutionellen Bereich in den Festivalbereich" zu transferieren.
Da geht das Kulturamt Freiburg im Breisgau angesichts eines strukturellen Haushaltsdefizits gänzlich andere Wege. Der stellvertretende Kulturamtsleiter Johannes Rühl erläuterte die Gründe dafür, die Unterstützung der städtisch bezuschussten Festivals in Freiburg im Breisgau für ein Mal auszusetzen. "Wir stehen dazu, dass uns die Erhaltung der kulturellen Infrastruktur mehr am Herzen liegt als die unbedingte Erhaltung der nach außen viel wirkungsvolleren Schwerpunktveranstaltungen". Rühl sieht trotz oder gerade wegen dieser Maßnahmen in Freiburg zarte Festivalpflanzen wachsen, die mit grösster Sorgfalt großzuziehen lohnenswert scheinen. Allerdings stellt er vor dem Hintergrund gewisser Orientierungsprobleme inhaltlicher resp. finanzieller Art der "drei grossen alten Damen der Freiburger Festivallandschaft", dem ZMF, dem Fest der Innenhöfe und des Theaterfestivals, die Frage der Weiterentwicklung eines Festivals, wenn der Zenit des Erfolges überschritten zu sein scheint.
 

Balanceakt für Festivalmacher

Ein Thema, das von verschiedenen Referenten immer wieder angestoßen wurde, war die Frage nach der Definition dessen, was ein Festival ausmacht und welche qualitativen Kriterien für eine Unterstützung mit öffentlichen Mitteln anzulegen seien. Der Leiter des Basler Kulturressorts Michael Koechlin gelangte in seinen Ausführungen wie sein französischer Kollege François Laquièze, Directeur régional des affaires culturelles d'Alsace Strasbourg, zu der Überzeugung, dass ein Festival mehr seine müsse als die Summe von Einzeleindrücken in Abgrenzung beispielsweise zu einer Konzertreihe. Förderungswürdig seien Festivals, denen es gelingt, innovative Ideen und thematische Schwerpunkte in einer Gesamtszenographie zu vereinen, im Idealfalle verknüpft mit einer breiten Publikumsansprache. Die Tatsache, dass dazu noch Finanzpartner aus der Privatwirtschaft wünschenswert seien, macht die Gratwanderung, denen Festivalmacher ausgesetzt sind, noch schmaler.
 
Hier liegen für die beiden erfolgreichen Festivalleiter Helmut Bürgel, Kulturreferent der Stadt Lörrach und Leiter des Stimmen-Festivals, sowie Philippe Ochem, Leiter des Festivals Jazz dor Strasbourg, Schwierigkeit und Herausforderung zugleich. Auf der einen Seite den wirtschaftlichen Erfolg im Nacken, auf der anderen Seite den Anspruch einer inhaltliche Konzentration und Verdichtung ihrer Festivals, idealerweise in Gestalt von Eigenproduktionen und -kreationen. Nicht zuletzt aus diesem Grunde sei laut Bürgel ein "langer Atem einer nachhaltigen kulturellen Aufbauarbeit" notwendig, um ein Festival dergestalt zu etablieren. In seinem Falle ist das Stimmen-Festival gar zum Türöffner für die institutionalisierte Kultur geworden und hat der Entwicklung des Lörracher Kultur- und Veranstaltungshauses Burghof den Weg geebnet. Buürgel wie auch Ochem wiesen zudem auf die immens gestiegenen Gagenforderungen zugkräftiger Namen hin, die ein Festival notwendigerweise auch brauche. Dieser Markt sei, so Helmut Bürgel, durch die unüberschaubare Festivalflut völlig aus den Fugen geraten.
 

Vermindertes Sponsoren-Interesse an Festivals

Der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Lörrach-Rheinfelden Bernhard Pauls wies auf die Bedürfnisse der sponsernden Unternehmen hin. Nach seiner Erfahrung hätten noch immer viele Festivals nicht verstanden, worin der Mehrwert eines Sponsoring-Engagements für das sponsernde Unternehmen bestünde. Die Folge sei, und diese Entwicklung sei momentan zu beobachten, ein Rückzug vieler Unternehmen aus dem Sponsoring zugunsten eines verstärkten Werbe-Engagements. Dieses sei im Gegensatz zum Sponsoring messbarer und risikofreier. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund appellierte Pauls an die verantwortlichen Festivalmacher, die Leistungen für sponsernde Unternehmen professionell und qualifiziert zu erbringen.
 

Abschlussdiskussion

Die Fachtagung wurde mit einer einstündigen Podiums-, resp. Publikumsdiskussion beendet, die von dem Basler Journalisten Roger Ehret moderiert wurde. Podiumsgäste waren Sibylle Ott, Leiterin Festival Wildwuchs Basel, Dieter Bös, Koko- Entertainment Konstanz, Gudrun Heute-Bluhm, Oberbürgermeisterin Lörrach, Vorstand Regio Tri Rhena, Achim Könneke, Kulturamtsleiter Freiburg und Urs Wüthrich, Regierungspräsident und Vorsteher der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion Basel-Landschaft, Präsident der Oberrheinkonferenz.
Sibylle Ott erläuterte die Gründe für die Festivalform ihres Festivals Wildwuchs. Dies sei das beste Gefäss für eine adäquate Präsentation der Inhalte, nachdem der Bedarf an Öffentlichkeit für das Thema klar gewesen sei.
Urs Wüthrich sieht Festivals als Impulsgeber, die für mehr Kulturbewusstsein und -interesse sorgen und letztlich auch den Kulturinstitutionen dienen. Er sieht in der Mitfinanzierung von Festivals für den Flächenkanton Basel-Landschaft die Chance, mit regionaler Kulturpolitik bis über die Landesgrenzen hinaus zu wirken. Da dieser Gedanke in beide Richtungen gelte, mache es auch Sinn, Festivals außerhalb der Landesgrenzen mit zu finanzieren.
 

Trend zur finanziellen Umverteilung

Achim Könneke sieht kein Problem in der grossen Anzahl verschiedener Festivals, der Markt regle dies langfristig selbst. Zudem wies Könneke darauf hin, dass mit der wachsenden Bedeutung von Festivals keinesfalls ein Schritt in die Richtung eines Verzichts der kulturellen Grundversorgung getan
sei. Für die Kulturpolitik einer Kommune sei die Basisarbeit wichtiger. Jedoch nimmt Könneke im Trend zur finanziellen Umverteilung durchaus die Gefahr der Zerstörung von langjährig Gewachsenem wahr.
Michael Koechlin sieht für Basel-Stadt diese Gefahr nicht und betont, dass keinerlei Bestrebungen einer Umverteilung von Geldern zugunsten von Festivals angedacht seien.
Niggi Ullrich bestätigte dies für die hiesige Region, empfahl jedoch in Anbetracht an Grenzen stoßender Fördertöpfe sich frühzeitig mit derartigen Fragestellungen auseinander zu setzen. Er verwies auf Beispiele wie die Zürcher Festspiele oder das KKL Luzern.
Gudrun Heute-Bluhm schilderte die Entwicklung des Stimmen- Festivals und seine Funktion als Türöffner. Das Festival habe zu einem öffentlichen Bewusstsein darüber verholfen, was eine aktive Kulturpolitik bewirken kann. Allerdings habe es auch Vorbehalte bei Kulturschaffenden in der Stadt gegeben. Beides sei wichtig: in der Breite zu fördern und zu fokussieren. Zudem betonte sie, dass die Kooperation zwischen öffentlicher Hand und einem privaten Veranstalter beim Stimmen-Festival anfangs ein viel diskutiertes Thema gewesen sei. Jedoch stand für sie stets eine inhaltliche Qualitätsdiskussion zuungunsten langjähriger Fördertraditionen im Mittelpunkt.
Dieter Bös sieht sich als kommerzieller Veranstalter in diesem Zusammenhang nicht in der Rolle desjenigen, der öffentliche Gelder von Institutionen abzieht. Sofern er an Festivals mit öffentlich geförderten Geldern beteiligt sei, gewährleiste sein Programm eine große Breite an Inhalten.
 

Unterstützungsabos


Mit unseren Unterstützungsabos unterstützen Sie unsere Redaktion mit einem festen Betrag pro Monat – und damit alle unsere kostenfreien Inhalte, also unser Magazin, unseren Podcast, die Beiträge und die Informationen zu Büchern, Veranstaltungen oder Studiengängen auf unserer Website. 

5€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 5€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 5,00 EUR / 1 Monat(e)*

15€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 15€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 15,00 EUR / 1 Monat(e)*

25€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 25€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 25,00 EUR / 1 Monat(e)*
* Alle Preise sind inkl. der gesetzl. Mehrwertsteuer, zzgl. evtl. anfallenden Gebühren
Kommentare (0)
Zu diesem Beitrag sind noch keine Kommentare vorhanden.

Unterstützungsabos

Mit einem Unterstützungsabo unterstützen Sie die kostenfreien Inhalte unserer Redaktion mit einem festen Betrag pro Monat – also unser Magazin, unseren Podcast, die Beiträge und die Informationen zu Büchern, Veranstaltungen oder Studiengängen auf unserer Website. 

5€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 5€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 5,00 EUR / 1 Monat(e)*

15€-Unterstützungsabo Redaktion

25€-Unterstützungsabo Redaktion

* Alle Preise sind inkl. der gesetzl. Mehrwertsteuer, zzgl. evtl. anfallenden Gebühren
Cookie-Einstellungen
Wir setzen auf unserer Website Cookies ein. Einige von ihnen sind notwendig (z.B. für den Stellenmarkt), während andere uns helfen, unsere Angebote (Redaktion, Magazin) zu verbessern und wirtschaftlich zu betreiben. Einige Angebote können nur genutzt werden, wenn Cookies gesetzt wurden.
Sie können die nicht notwendigen Cookies akzeptieren oder per Klick auf die graue Schaltfläche ablehnen. Nähere Hinweise erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Ich akzeptiere
nur notwendige Cookies akzeptieren
Impressum/Kontakt | AGB