Kontra Creative Industries
Enttäuschte Hoffnungen eines schillernden Konzepts
Vor ungefähr zehn Jahren ist das Konzept "Creative Industries" in der kulturpolitischen Agenda westlicher Industriestaaten aufgetaucht. Seitdem ist ein nicht enden wollender Boom an Fallstudien zu bemerken, der nachweist, wie sehr die Creative Industries zum Wohlstand einer Region oder einer Stadt beigetragen haben. Wobei hier anzumerken ist, dass "Creative Industries" nach wie vor eine außerordentlich unscharfe Kategorie ist, die verschiedenartige Felder wie Design (Grafik-, Web- und Produktdesign), Film, Musik, Multimedia ebenso umfasst wie in manchen Fällen den gesamten Mediensektor, Softwareproduktion und Kulturtourismus. Wenn es um eine günstige Darstellung des wirtschaftlichen Potenzials geht, werden mitunter auch sämtliche Schritte entlang der Wertschöpfungskette eines Produktes mitgezählt, so dass dann auch Computerproduktionswerke als kreative Cluster gesehen werden.
Dies ist auch die Kernaussage der meisten Fallstudien: Creative Industries schaffen Beschäftigung, sie sind ein wichtiger Wirtschaftsmotor, dessen Wachstumsraten weit über dem der restlichen Wirtschaft liegen. Andere Studien betonen den Aspekt, dass Creative Industries in der Stadtentwicklung eingesetzt werden können, vor allem, wenn es um die Revitalisierung aufgelassener Industriezonen geht. In diesem Kontext beginnen sich nun auch zusehends sogenannte Entwicklungsländer für die CI zu interessieren, was beispielsweise von der UNESCO unterstützt wird. Und dann gibt es noch die Thesen von Richard Florida, der zum kulturpolitischen Superstar aufgestiegen ist, auch wenn sich seine Befunde eher durch rhetorische Überzeugungskraft als durch analytische Tiefenschärfe auszeichnen. Florida entwickelte eine Art neue Wachstumsthese, die er auf den externen Effekten der Creative Industries aufbaut. Durch die Anwesenheit von Kreativen (die bei Florida allerdings eine weite Gruppe darstellen - von GrafikerInnen bis FinanzdienstleisterInnen) entsteht ein innovatives, produktives Klima, das andere Unternehmen anzieht und somit den Wohlstand einer Region fördert.
Floridas Thesen, die zur Zeit zum Standardrepertoire jeder Kulturpolitikerin und jedes Stadtentwicklers zu gehören scheinen, wurden in der Zwischenzeit mehrfach empirisch widerlegt - eine höhere Anzahl von Kreativen korreliert nicht zwangsläufig mit höheren Wachstumsraten ebenso wie auch die Bereiche, die von den Creative Industries profitieren, lokal stark eingegrenzt sind - meistens handelt es sich dabei um wenige Straßenzüge oder Teile der Altstadt. Dazu kommt, dass die - wenigen - Fallstudien, die Arbeitsbedingungen in den Creative Industries untersuchen, zu ernüchternden Ergebnissen kommen: Die Arbeits- und Einkommensbedingungen in der profitorientierten Kreativwirtschaft unterscheiden sich so gut wie gar nicht vom traditionellen Kunstfeld. Das heißt konkret: Überdurchschnittlich ausgebildete Personen arbeiten zu Niedrigstlöhnen, in vielen Fällen mit unzulänglicher sozialer Absicherung. Durch kurzfristige Projekte und multiple-jobholding ist eine langfristige Lebensplanung schwierig bis unmöglich. Die Kreativen (im engeren Sinne und nicht wie oben erwähnt in Floridas Auslegung) leben unter ähnlich prekären Bedingungen wie nicht profitorientierte KünstlerInnen. Es gilt der Grundsatz: je kreativer, desto ärmer. Gelder werden vorwiegend in der Massenproduktion oder der Distribution kreativer Güter erzielt. Bedauerlicherweise setzen aber viele Städte wie beispielsweise Wien unbeirrt Hoffnungen auf diesen Bereich, indem Förderprogramme eingerichtet und sogenannte Cluster top-down verordnet werden. Noch bedauerlicher ist in diesem Kontext auch, dass dringend nötige Verbesserungen für kreative und künstlerische Arbeit nicht unternommen werden - im Gegenteil. Jede kreative Arbeit braucht entwicklerische Vorarbeit, die sich immer weniger leisten können. Kulturpolitik aber auch Kulturmanagement sollten sich primär der Aufgabe widmen, jene Rahmenbedingungen und Freiräume zu schaffen, in denen Kreative ohne direkten Druck entwickeln können.
Elisabeth Mayerhofer ist Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich (Email: mayerhofer@igkultur.at) und Mitglied der Forschungsgesellschaft für kulturökonomische und kulturpolitische Studien (FOKUS)
Floridas Thesen, die zur Zeit zum Standardrepertoire jeder Kulturpolitikerin und jedes Stadtentwicklers zu gehören scheinen, wurden in der Zwischenzeit mehrfach empirisch widerlegt - eine höhere Anzahl von Kreativen korreliert nicht zwangsläufig mit höheren Wachstumsraten ebenso wie auch die Bereiche, die von den Creative Industries profitieren, lokal stark eingegrenzt sind - meistens handelt es sich dabei um wenige Straßenzüge oder Teile der Altstadt. Dazu kommt, dass die - wenigen - Fallstudien, die Arbeitsbedingungen in den Creative Industries untersuchen, zu ernüchternden Ergebnissen kommen: Die Arbeits- und Einkommensbedingungen in der profitorientierten Kreativwirtschaft unterscheiden sich so gut wie gar nicht vom traditionellen Kunstfeld. Das heißt konkret: Überdurchschnittlich ausgebildete Personen arbeiten zu Niedrigstlöhnen, in vielen Fällen mit unzulänglicher sozialer Absicherung. Durch kurzfristige Projekte und multiple-jobholding ist eine langfristige Lebensplanung schwierig bis unmöglich. Die Kreativen (im engeren Sinne und nicht wie oben erwähnt in Floridas Auslegung) leben unter ähnlich prekären Bedingungen wie nicht profitorientierte KünstlerInnen. Es gilt der Grundsatz: je kreativer, desto ärmer. Gelder werden vorwiegend in der Massenproduktion oder der Distribution kreativer Güter erzielt. Bedauerlicherweise setzen aber viele Städte wie beispielsweise Wien unbeirrt Hoffnungen auf diesen Bereich, indem Förderprogramme eingerichtet und sogenannte Cluster top-down verordnet werden. Noch bedauerlicher ist in diesem Kontext auch, dass dringend nötige Verbesserungen für kreative und künstlerische Arbeit nicht unternommen werden - im Gegenteil. Jede kreative Arbeit braucht entwicklerische Vorarbeit, die sich immer weniger leisten können. Kulturpolitik aber auch Kulturmanagement sollten sich primär der Aufgabe widmen, jene Rahmenbedingungen und Freiräume zu schaffen, in denen Kreative ohne direkten Druck entwickeln können.
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