04.12.2013

Autor*in

Franziska Solbrig
Kristin Oswald
leitet die Online-Redaktion von Kultur Management Network. Sie studierte Geschichte und Archäologie in Jena und Rom sowie Social Media-Marketing in Berlin. Sie ist freiberuflich in der Wissenschaftskommunikation und im Museumsmarketing mit Schwerpunkt online tätig.
Kreative Immobiliennutzung

Der Sprung ins kalte Wasser am Beispiel des Stadtbades Leipzig

Das Panel Kulturimmobilien beim KulturInvest-Kongress 2013 zeigte die Aktualität, aber auch die bisherige Vernachlässigung der Themenbereiche Nutzung bzw. Umnutzung, Finanzierung und Markenwert von Kulturimmobilien auf. Derzeit wird am Beispiel des Stadtbades Leipzig deutlich, dass hierzu zwischen der öffentlichen und der privaten Hand sowie der Bevölkerung vielmals Diskussionspotenzial besteht. Wir nutzen dieses Beispiel, um die wirtschaftlichen Möglichkeiten und Risiken privater und öffentlicher Verwaltung von Kulturimmobilien aufzuzeigen.
In Leipzig sorgt die kulturpolitische Entscheidung um diesen historischen Kulturort für Streit. Nachdem das Stadtbad 2004 wegen baulicher Unsicherheiten geschlossen worden war, soll es nun in private Hand gegeben werden. Dies rief vor allem bei der Förderstiftung Stadtbad und ihren Unterstützern kaum Zustimmung hervor und wurde auch in der medialen Berichterstattung sehr einseitig betrachtet. Nachdem die Förderstiftung in den Medien bereits vielfach zu Wort gekommen ist, sprachen wir mit Robert Staacke, persönlicher Referent des Wirtschaftsbürgermeisters der Stadt Leipzig.
Unter dem Motto Ein Herz für das Stadtbad haben die Pläne der Stadt Leipzig, das Stadtbad zu verkaufen, in den Lokalmedien der letzten Monate viel Aufmerksamkeit erhalten. Die Förderstiftung Stadtbad versuchte den Verkauf zu verhindern, um eine Weiternutzung des restaurierungsbedürftigen Gebäudes als Bad zu ermöglichen. Mit Spendenaktionen, medialer Aufmerksamkeit und einer Unterschriftensammlung in der Bevölkerung sollte die Entscheidung der Stadt rückgängig gemacht werden. Die Leipziger Volkszeitung, die Leipziger Internetzeitung und der Leipziger Stadtblog Weltnest stellten diese Bemühungen der Stiftung und entsprechend deren Sichtweise in den Mittelpunkt ihrer Berichterstattung. Dabei wurde die Entscheidung der Stadt sehr kritisch gewertet, ohne die genauen Hintergründe zu beleuchten. So wurde an der derzeitigen Ausschreibung des Stadtbades kritisiert, dass die Nutzung als Bad keine Voraussetzung für den Verkauf war. Diese hatte es jedoch bei der erstmaligen Ausschreibung des Stadtbades im Jahr 2005 gegeben. Das Gebäude hatte damit aber keine Interessenten gefunden.
Andere Städte, andere Bäder Jena, Gotha, Berlin-Wedding
Vor der Problematik, wie mit historischen Kulturbauten wie Stadtbädern umgegangen wird, die sich als städtische Badeanstalt nicht mehr rechnen, stehen viele Kommunen. Ein Patentrezept scheint es nicht zu geben, viele Optionen stehen offen. So hauchte dem alten Stadtbad in Berlin-Wedding nach der Schließung 1999 ein privater Investor unter dem Namen Stattbad Wedding neues Leben ein. Dieses wird seit 2009 für wechselnde kulturelle Zwecke genutzt, außerdem haben sich Künstler in den Räumlichkeiten eingemietet. Die private Hand zahlt sich hier aus und ermöglicht die Weiternutzung eines Objektes, dessen Betrieb für die Stadt nicht allein möglich gewesen wäre. Nun bieten sich vielfältige kulturelle Nutzungsoptionen, die aufgrund der wirtschaftlichen Ausrichtung flexibel an Besucherbedürfnisse angepasst werden können.
Trotzdem ist die Fortführung des ursprünglichen Betriebes eine naheliegende Option für solche historischen Kulturbauten, wenn auch bei alter Bausubstanz häufig mit immensen Investitionen verbunden. So wird das Stadtbad in Gotha derzeit aufwendig saniert und kann ab dem Frühjahr 2014 wieder als Badeanstalt genutzt werden. Die Verantwortlichen in Leipzig wollten auf die Erfahrungen der Stadt Gotha zurückgreifen und ließen sich von dieser beraten. Dabei stellte sich heraus, dass beide Fälle nicht vergleichbar sind. Die Situation in Gotha war eine völlig andere als in Leipzig. Um das Stadtbad Leipzig wieder als solches in Betrieb nehmen zu können, müssten etwa 10 Millionen Euro investiert werden, die dafür derzeit einfach nicht zur Verfügung stehen unter anderem deshalb, weil weitere Kindertagesstätten gebaut werden müssen, so Staacke. Das ist auch unter dem Gesichtspunkt nachvollziehbar, dass die Bäderversorgung in Leipzig mit 8 Schwimmhallen und 5 Schwimmbädern für etwa eine halbe Million Einwohner im Gegensatz zur Zahl der Kitaplätze durchaus ausreichend ist.
In Jena hingegen versorgen derzeit 2 Schwimmbäder und nur eine Halle die ca. 100.000 Einwohner. Trotzdem entschied sich die Stadt, das Volksbad kreativ umzunutzen und dem kulturellen Leben der Stadt damit einen wenn auch anderen kulturellen Mehrwert zu bieten. Der Grund hierfür ist, dass ein städtischer Badeort immer auch zusätzliche Investitionsgelder aus der öffentlichen Hand benötigt, um die günstigen Eintrittspreise halten und gleichzeitig regelmäßige Instandsetzungen finanzieren zu können. Das Volksbad stand nach der Einstellung des Badebetriebes im Jahr 2001 vor einer ungewissen Zukunft. Nachdem das Gebäude dem Theaterhaus als Ausweichspielstätte gedient hatte, entschied sich die Stadt für die generelle Nutzung als Veranstaltungsort seit 2007 ist es in der Hand des städtischen Eigenbetriebes JenaKultur. Seitdem finden dort Konzerte, Lesungen und Kongresse statt, außerdem bietet der Keller des Gebäudes dem Fundus der städtischen Museen Platz.
Die Beispiele zeigen: Es gibt verschiedenste Möglichkeiten, historische Bäder und ähnliche Kulturimmobilien als Teil des historischen und zugleich lebendigen städtischen Lebens zu erhalten: je nach den finanziellen Gegebenheiten und kulturellen Bedürfnissen. Um den besten Weg zu finden, müssen alle Optionen hinreichend abgewägt, Sponsorengespräche geführt und Gutachter eingesetzt werden. Je nach Situation können eine private oder auch eine kommunale Verwaltung zum Erfolg führen.
Ein Blick in die Zukunft
Womöglich liegt auch in Leipzig in der Freiheit die Chance, dass sich ein Investor findet, der das Gebäude im Sinne der Leipziger gestaltet. Vielleicht auf eine Art und Weise, die neu, kreativ und lebendig ist. Die Stadt versucht dazu einen Beitrag zu leisten, indem sie das in Auftrag gegebene Nutzungskonzept einem künftigen Investor zur Verfügung stellen würde, so Staacke. Einer Umnutzung des Baus scheint auch die Mehrheit der Bevölkerung nicht entgegenzustehen. Die Petition und die Facebook-Seite der Stiftung haben insgesamt kaum mehr als 3000 Unterstützer. Auch die Twitter-Erwähnungen machen, verglichen mit ähnlichen Aktionen, kaum Eindruck. Dies mag daran liegen, dass die Förderstiftung keine Alternativen für den Verkauf des Bades durch die Stadt vorgeschlagen hat. Sie besteht allein auf einer Weiternutzung als Bad, ohne die langfristig zu investierenden Kosten und die Auslastung der Stadt mit Kultur- und Freizeiteinrichtungen zu beachten. Die von der Stiftung gesammelten Fördergelder genügen nicht einmal für eine vollständige Sanierung und Betreibung des Gebäudes. Die Veranstaltungen, die im Stadtbad seit der offiziellen Schließung stattfanden Shows, Partys und Tagungen zeigen jedoch, dass eine besondere Location wie diese von den Leipzigern auch mit einem alternativen Konzept der Bewirtschaftung gern angenommen wird. Es bleibt zu hoffen, dass das Stadtbad Leipzig unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten auch mit einem privaten Besitzer zu den erfolgreichen Beispielen kreativer Immobilienumnutzung gehören wird.
How to? Dos & Donts bei der kulturellen Umnutzung historischer Bauwerke
Grundsätzlich gibt es eine Reihe von Grundaspekten zu beachten, wenn die Frage im Raum steht, ob und wie man ein historisches Bauwerk für kulturelle Zwecke neu nutzen kann. Anhand des Beispiels Leipziger Stadtbad kann man die folgenden ausmachen, die jedoch kein Patentrezept darstellen:
  • Am Beginn sollte als Voraussetzung für die späteren Planungen in zwei gutachterliche Einschätzungen investiert werden: zum einen über den Zustand des Gebäudes, notwendige Instandsetzungs- und individuelle Ausstattungskosten. Zum anderen über Angebot und Nachfrage kultureller und Freizeitangebote in einer Stadt und die möglichen Defiziten, die durch die Neunutzung einer Immobilie abgedeckt werden könnten, beispielsweise in Form eines Veranstaltungshauses, Theaters, Kinos, Bades, Clubs, einer Bar, eines Kongresszentrums, von Ausstellungsräumen oder einer Kombination mehrerer Elemente.
  • Sind diese zwei grundlegenden Punkte geklärt, ist ein Abgleich der kulturellen Bedürfnisse mit den Gegebenheiten des Baus angeraten, um abzuschätzen, inwieweit eine Umnutzung prinzipiell sinnvoll ist.
  • Auch die für die abgewägten Nutzungsmöglichkeiten notwendigen Einmal- und Langzeitkosten und die möglichen Gewinne gilt es aufzuzeigen. Ein Bad beispielsweise braucht eine andere Art der Bezuschussung für Personal, Instandhaltung und ggf. Programme als eine Veranstaltungshaus oder eine Bar.
  • Die so entstehende Kosten-Nutzen-Rechnung kann sodann mit dem Budgetplan der Stadt und eventuellen Fördergeldern abgeglichen werden.
Ist eine Betreibung durch die öffentliche Hand demnach nicht möglich, weil zum Beispiel die Startkosten bereits zu hoch sind, kann trotzdem ein privater Unternehmer als Teilhaber oder Alleinbetreiber in Frage kommen, dem historischen Bau wieder Leben einhauchen und zugleich den kulturellen Bedürfnissen der Bürger gerecht zu werden.

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