16.05.2022

Themenreihe Corona

Autor*in

Hannes Tronsberg
gründete future demand Anfang 2019 auf der Basis von 5 Jahren Beratungserfahrung im Live-Entertainment-Markt mit dem Fokus auf digitale Transformation und über 7 Jahren Praxiserfahrung im Kulturmanagement. Die Mission: mehr Publikum für herausragende Live-Erlebnisse - mit moderner Technologie und Data Science.
Mit Big Data aus der Krise

Das kann die Kulturbranche von Netflix, Amazon & Co. lernen

Eine beunruhigende Datenlage verhagelt Kulturschaffenden die Vorfreude auf die kommenden Spielzeiten und die damit einhergehenden Lockerungen in Sachen Corona: Ein durch die Pandemie verändertes Publikumsverhalten und ein sich wandelnder Markt treten als neue Herausforderungen zum Vorschein. Wie sich dieser Wandel gestaltet, mit welchen modernen Lösungsansätzen er bewältigt werden könnte und was Spotify, Amazon oder Netflix damit zu tun haben, verrät Hannes Tronsberg.

Themenreihe Corona

Große Hoffnung für die Sommersaison
 
Mit Beginn der wärmeren Tage fallen etliche der Limitierungen für kulturelle Veranstaltungen weg. So können die Spielstätten wieder voll ausgelastet werden und auch das Publikum scheint die Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Besuch kultureller Veranstaltungen mehr und mehr abzubauen. Schließlich bestand zuvor nicht nur ein erhöhtes Infektionsrisiko auf größeren Veranstaltungen ohne Abstand, sondern auch die Sorge, dass Veranstaltungen verschoben oder ganz und gar abgesagt werden. Kein Wunder also, dass viele Besucher*innen trotz Hygienekonzept lieber gar nicht erst den Gang zum virtuellen Ticketschalter wagten, sondern einfach zu Hause blieben. 
 
Das soll sich nun ändern - so die Hoffnung. Die Zuversicht ist nicht nur bei Künstler*innen besonders groß, auch Geschäftsführung, künstlerische Leitung, Marketing, Sales oder Kultur-Journalist*innen sehnen sich nach einer Rückkehr zur Prä-Corona-Normalität.
 
Wie sich Menschen und Markt verändert haben
 
Die Untersuchungen von Daten aus den Bereichen Theater, Oper, Konzert und Tanz zeigen jedoch bestimmte Muster, die neue Herausforderungen für das Kulturmarketing erahnen lassen. Diese werden durch folgende vier Hauptfaktoren maßgeblich beeinflusst: 
 
1. Viele (potenzielle) Zuschauer*innen sind heute weniger aktiv als vor der Pandemie. 
2. Viele mögen den Gedanken nicht, während einer längeren Vorstellung dauerhaft eine Maske zu tragen. 
3. Die Angst vor einer Ansteckung beim Zusammentreffen mit vielen Menschen klingt nur langsam ab. 
4. Kulturangebote konkurrieren nun mit allen anderen während der Pandemie verpassten Aktivitäten.
 
Zudem haben sich Herausforderungen, die bereits vor der Pandemie bestanden, währenddessen verstärkt und in ihren Konsequenzen deutlich verschärft. So gibt es zum Beispiel Häuser, die bis zu 50 Prozent weniger Abonnements als noch vor der Pandemie verzeichnen - insbesondere, da viel weniger neue Abonnements verkauft wurden. Für viele Kulturbetriebe ist das bisher allerdings ein elementarer Bestandteil des Geschäfts.
 
Dazu macht der Ausbau virtueller Entertainment-Angebote dem traditionellen Ausgehen ernsthafte Konkurrenz. Die Digitalisierung hat die Bereitstellung digitaler Kulturangebote bereits vor der Pandemie vereinfacht, gestiegen ist nun auch die Akzeptanz für diese Art von Kulturkonsum. Im digitalen Raum können dann nicht nur heimische Angebote genutzt, sondern auch Kulturveranstaltungen auf der ganzen Welt beigewohnt werden. Zudem haben Streaming-Dienste weltweit Millionen an neuen Abonnent*innen gewonnen und neue (Seh-)Gewohnheiten bei vielen Besucher*innen geschaffen. Dadurch haben in den letzten Jahren Online-Events an Akzeptanz gewonnen, an denen das Publikum bequem von zuhause aus teilnehmen kann - und das mit nur einem Klick. 
 
Nach der Pandemie muss viel nachgeholt werden
 
Kulturangebote konkurrieren diesen Sommer zudem nicht nur untereinander, sondern auch mit diversen anderen Freizeitaktivitäten, die teils durch die Pandemie ebenfalls nicht wahrgenommen werden konnten und nun nachgeholt werden. Dazu gehören Sportveranstaltungen, Restaurantbesuche, Aktivitäten mit Freund*innen und der Familie, aber auch Zeit für sich.
 
Die Kultur- und Veranstaltungsbranche steht somit im ständigen Wettbewerb um die Zeit und Aufmerksamkeit potenzieller Besucher*innen. Um in diesem bestehen zu können, braucht es neue Ideen und Entwicklungen. Dabei spielen digitale Ansätze eine bedeutende Rolle, die sich vor allem im Online-Marketing und Ticketing anbieten. Auf der Suche nach Lösungen lohnt es sich, nicht nur einen Blick in benachbarte Veranstaltungsbereiche zu werfen, sondern gleich in ganz andere Branchen, in denen diese Ideen bereits umgesetzt werden und funktionieren.
 
Moderne Lösungen für moderne Probleme
 
Netflix, Amazon, und Spotify, aber auch Apps wie TikTok sind die prominentesten Beispiele, wenn es um die Zielgruppenansprache geht, die auf Interessen statt auf soziodemografischen Daten basiert. Damit gelingt es jenen Anbietern, die Vielfalt ihres Angebots wesentlich besser zu beschreiben und den entsprechenden Interessengruppen zuzuordnen. Auf Plattformen wie Facebook werden Nutzer*innen fast ausschließlich Inhalte aus dem eigenen Netzwerk, also von ihren Facebook-Freunden, und von gefolgten Seiten angezeigt. Im Gegensatz dazu spielt TikTok den User*innen Videos basierend auf ihren Vorlieben aus - ganz egal, von wem diese Videos kommen. Der Schlüssel liegt damit nicht in den Eigenschaften der Person, sondern in den Merkmalen des jeweiligen Angebots und der Rezeption dessen.
 
Auf die Kulturbranche bezogen heißt das zum Beispiel: Konzertbesucher*innen können sich für bestimmte Künstler*innen, aber auch für unterschiedliche Stilrichtungen, Epochen interessieren; oder auch für die ganz besondere Atmosphäre und die Umgebung eines Veranstaltungsortes. So spielt auch die Popularität der auftretenden Künstler:innen eine Rolle, wie lange die Bars im Umkreis geöffnet haben oder ob ein Instrumentalkonzert im Programm enthalten ist. 
 
Die Merkmale der Kulturangebote selbst verraten viel mehr als die Merkmale der Personen, die sie wahrnehmen wollen. Die offensichtliche Antwort für die Veranstalter*innen besteht somit darin, Systeme zu entwickeln, die sich stärker auf die Interessen der Besucher*innen konzentrieren und ihnen passende, persönliche Empfehlungen bieten, wie sie diese auf den oben genannten Plattformen längst erhalten. Die gute Nachricht: Im Gegensatz zum "klassischen” Targeting, das sich auf soziodemografische Daten fokussiert, lässt sich interessenbasiertes Targeting außerdem viel besser mit den aktuellen Datenschutzbestimmungen vereinbaren. Solche Lösungen basieren auf "Taste Clustern” und werden bereits erfolgreich im Bereich Kultur und Event eingesetzt. Als Bonus gelingt es mit solchen Systemen, neue Zielgruppen ausfindig zu machen und potentielle Besucher*innen gezielt anzusprechen. So können nicht nur bestehende Kontakte, sondern alle interessierten NutzerInnen auf einem Werbekanal, wie beispielsweise Facebook, angesprochen werden. Alles ohne aufwendige und fehleranfällige Besucher*innen-Befragungen.
 
Flexibilität: Der Schlüssel zum Erfolg
 
Neben einer neuen Ausrichtung im Onlinemarketing wird es zukünftig auch immer wichtiger werden, flexible Angebote zu bieten. Nicht nur werden Inhalte zunehmend mobil konsumiert, auch ein Großteil der Prozesse rund um das Kaufen, Umtauschen oder Stornieren von Tickets laufen mittlerweile ebenfalls online über das Smartphone oder andere mobile Endgeräte ab. Kurzfristiges Planen und Umplanen gehört dabei für uns längst zum Alltag und hat sich durch die Pandemie nur noch verstärkt. Dennoch ist es aber heute im Kulturbetrieb noch immer fast nirgendwo einfach und unkompliziert möglich.
 
Die Branche muss also reagieren und passende Angebote bereitstellen, die den Nutzer*innen den gewünschten Freiraum bieten, während Kulturschaffenden gleichzeitig ausreichende Planungssicherheit gewährleistet wird. Das Problem liegt hier weniger in der Umsetzbarkeit, denn die nötige Technik steht bereits zur Verfügung (fast alle modernen Ticketing-Systeme unterstützen das). Vielmehr muss ein Umdenken stattfinden und den genannten Aspekten mehr Bedeutung zugeschrieben werden. So wären beispielsweise digitale Rückgabe- und Umtauschoptionen ein Schritt in Richtung zukunftsfähiges Ticketing, das sich an der momentanen Situation der Besucher*innen orientiert. Bei Flugtickets oder Hotelbuchungen ist das längst möglich.
 
Sich abheben: Wichtiger denn je
 
Die Kombination aus veränderten Gewohnheiten durch die Pandemie und den mannigfaltigen Alternativen zur Freizeitgestaltung zeigen, dass es heute wichtiger denn je ist, sich von der Masse abzuheben und besondere Erlebnisse zu bieten. 
 
Kulturanbieter*innen können nur so die Aufmerksamkeit ihres Publikums zurückzugewinnen und dieselbe Form von "Suchtpotential”, die Netflix, Insta & Co. haben, auf Live-Shows zu übertragen. Dazu gehört auch, den Ticketkauf, die Veranstaltungsinfos sowie alle Themen rund um das Marketing unterhaltsam, fesselnd und personalisiert sowie intuitiv zu gestalten, um auf dem Weg keine potenziellen Zuschauer*innen zu verlieren. Am besten gelingt das, indem Veranstalter*innen sowohl ihre Audiences als auch die Events selbst besonders gut kennen. Mit Hilfe vieler Daten können besonders gut Schlüsse gezogen und damit spezifische, maßgeschneiderte Botschaften gesendet werden. Damit trifft Quantität auf Qualität. Dabei nimmt der Computer dem Menschen die Aufgabe der Auswertung der Datenmassen bequemerweise ab. Das Kulturmarketing selbst wird dadurch übrigens nicht überflüssig - es verändert sich lediglich der Fokus. Kreativität steht wieder mehr im Mittelpunkt.
 
Die Corona-Pandemie hat zudem Teilbereiche in der Kultur- und Veranstaltungswirtschaft offengelegt, an denen die Möglichkeiten der Digitalisierung bislang nicht ausreichend ausgeschöpft wurden. Auch hier kann sich ein Beispiel an den großen Playern des E-Commerce und der sozialen Medien genommen und deren Ansätze für den eigenen Bedarf angepasst werden. Klar ist außerdem: Die Entwicklung der letzten Jahre wird sich nicht wieder umkehren, ganz im Gegenteil. Es geht mit immer größeren Schritten voran. Deshalb ist es wichtig, in die Zukunft zu blicken, anstatt an der Vergangenheit festzuhalten. 

Unterstützungsabos


Mit unseren Unterstützungsabos unterstützen Sie unsere Redaktion mit einem festen Betrag pro Monat – und damit alle unsere kostenfreien Inhalte, also unser Magazin, unseren Podcast, die Beiträge und die Informationen zu Büchern, Veranstaltungen oder Studiengängen auf unserer Website. 

5€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 5€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 5,00 EUR / 1 Monat(e)*

15€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 15€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 15,00 EUR / 1 Monat(e)*

25€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 25€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 25,00 EUR / 1 Monat(e)*
* Alle Preise sind inkl. der gesetzl. Mehrwertsteuer, zzgl. evtl. anfallenden Gebühren
Kommentare (0)
Zu diesem Beitrag sind noch keine Kommentare vorhanden.

Unterstützungsabos

Mit einem Unterstützungsabo unterstützen Sie die kostenfreien Inhalte unserer Redaktion mit einem festen Betrag pro Monat – also unser Magazin, unseren Podcast, die Beiträge und die Informationen zu Büchern, Veranstaltungen oder Studiengängen auf unserer Website. 

5€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 5€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 5,00 EUR / 1 Monat(e)*

15€-Unterstützungsabo Redaktion

25€-Unterstützungsabo Redaktion

* Alle Preise sind inkl. der gesetzl. Mehrwertsteuer, zzgl. evtl. anfallenden Gebühren
Cookie-Einstellungen
Wir setzen auf unserer Website Cookies ein. Einige von ihnen sind notwendig (z.B. für den Stellenmarkt), während andere uns helfen, unsere Angebote (Redaktion, Magazin) zu verbessern und wirtschaftlich zu betreiben. Einige Angebote können nur genutzt werden, wenn Cookies gesetzt wurden.
Sie können die nicht notwendigen Cookies akzeptieren oder per Klick auf die graue Schaltfläche ablehnen. Nähere Hinweise erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Ich akzeptiere
nur notwendige Cookies akzeptieren
Impressum/Kontakt | AGB