02.04.2020

Themenreihe Corona

Autor*in

Marcus Fitzgerald
ist seit 2001 Konzert- und Festivalveranstalter, Künstlerberater, Manager und eng mit verschiedenen Bands und DJs sowie Agenturen und Veranstaltern vernetzt. 2012 gründete er das Bookingportal gigmit, das Künstler mit Veranstaltern zusammenbringt, und ist hier seitdem als Geschäftsführer tätig. 2017 gründete er das Innovation Network of European Showcases (INES), 2018 die Marketinginitiative Live Music Accelerator Berlin (LMAB) und 2019 das Projekt LASER - Live Artist Search Engine and Recommendations, um Daten fürs Booking zu nutzen.

Julia Jakob
studierte Musikwissenschaft und Kulturmanagement in Weimar. Praktische Erfahrungen im Kulturbetrieb sammelte sie bei unterschiedlichen Festivals und in verschiedenen Veranstaltungsbüros sowie als Agentin bei weim|art e. V. Seit 2021 ist sie die Chefredakteurin des Kultur Management Network Magazins und stellvertretende Leiterin der Redaktion.
Musikbooking in Zeiten von Corona

Nach vorne blicken und aktiv werden

Abgesagte Gigs stellen Musiker*innen wie Veranstalter*innen derzeit vor immense Herausforderungen. Welche Möglichkeiten die Akteur*innen dieser Szene haben, um mit der Situation umzugehen und auch in Zukunft bestehen zu können, erklärt Markus Fitzgerald, der Gründer von Gigmit.

Themenreihe Corona

KMN: Lieber Marcus, gigmit ist als europaweite Plattform für das Musikbooking mehrfach vom Shutdown der Veranstaltungsbranche betroffen. Wie habt ihr diese Entscheidung aufgenommen?

Marcus Fitzgerald: Angefangen hat es ja mit der Absage aller Veranstaltungen mit über 1.000 Besucher*innen - und davon sind Liveerlebnisse wie Konzerte natürlich extrem betroffen. Da haben wir vor allem als private Musikfans und Konzertbesucher*innen das erste Mal das Gefühl bekommen: "Okay, das kommt jetzt auch bei uns an."

Das betrifft uns aber auch im Arbeitskontext, denn wir haben wir mittlerweile eine ziemlich große Community mit über 110.000 Nutzer*innen aufgebaut, die in ganz Europa verstreut sind. Wir selber sind in Berlin mit unserem Büro ansässig und tätig. Dadurch müssen wir die aktuelle Situation durch zwei Brillen betrachten.

Im Team haben diesen erste Einschnitt aber vor allem die Kolleg*innen zu spüren bekommen, die sehr viel mit Festivals und Veranstalter*innen arbeiten. Dazu gab es dann natürlich auch Diskussionen, wie sinnvoll es ist, an diesen Projekten weiterzuarbeiten. Aber statt aufzugeben, haben wir überlegt, wie wir mit dieser Situation umgehen und unseren Kund*innen helfen können sowie welche Rolle wir dabei spielen. Dieses Denken hat vor allem geholfen, als auch alle kleineren Veranstaltungen abgesagt werden mussten und es zum komplette Stillstand der Veranstaltungsbranche kam. Davon sind insbesondere die kleineren Läden extrem betroffen. Denn in der Regel haben sie viel weniger finanziellen Rückhalt und sind dadurch auch weniger in der Lage, ihr Geschäft ohne Einkommen aufrecht zu erhalten.
KMN: Wie gehen eure Kund*innen damit um? Welche Rückmeldungen habt ihr dazu von ihnen bekommen?

MF: Die beschäftigt natürlich vor allem der hundertprozentige Einkommensausfall. Da gibt es zwar erste Initiativen, wie "Storniert eure Tickets nicht", womit zumindest ein gewisser Prozentsatz des Einkommens auch ohne Veranstaltungen bleiben wird. Dennoch bleibt die übrige Ausfallssumme riesig - egal ob für große oder kleine Veranstalter*innen.

Von den großen Häusern haben wir außerdem relativ schnell gehört, dass dadurch nun auch Entlassungen anstehen oder zumindest Kurzarbeit angemeldet wird, die aktuell noch gefördert wird. Kleinere Clubs haben jedoch häufig kaum festangestellte Mitarbeiter*innen, sondern werden vor allem von Freelancer*innen, Mini-Job-Beschäftigten sowie Aushilfskräften gestemmt. Da sind also meist die Mietkosten die höchsten Ausgaben. Dazu haben uns einige Besitzer*innen die Rückmeldung gegeben, dass sie zwei Monate in dieser Form irgendwie geregelt bekommen. Wenn die Schließungen aber darüber hinaus andauern, können die meisten von ihnen nicht wieder öffnen. Was passiert also in den nächsten zwei Monaten? Wie kann so jemand gestützt werden? Natürlich kann man mit den Vermieter*innen sprechen, ob Miete gestundet werden kann oder gar nicht gezahlt werden muss, damit diese Ausgaben zumindest wegfallen. Um die Liquidität darüber hinaus zu sichern, gibt es natürlich auch Kredite und Zuschüsse.

Aber die Kette geht ja weiter: Es hängen Freelancer*innen daran wie die Booker*innen der Clubs, aber auch die Künstler*innen, die nicht auftreten können und normalerweise ein Honorar bekommen hätten. Und auch die müssen ihre Miete zahlen können, sodass es eine andere Struktur braucht, um diese sinnvoll unterstützen zu können. Künstler*innen haben zwar in der Musikbranche prinzipiell noch weitere Einnahmequellen, wie die Umsätze von Merchandise- oder CD-Verkäufen. Aber mittlerweile sind diese auch sehr stark von Live-Aufritten abhängig, da sie meist direkt vor Ort während des Konzerts passieren.   

KMN: Wie könnt ihr eure Kund*innen dabei unterstützen?

MF: Zum einen informieren wir unsere Kund*innen über verschiedene Unterstützungsmaßnahmen in unserem Newsletter und in einem Blogartikel, den wir extra für dieses Thema aufgesetzt haben. Diesen füttern wir mit Informationen, wie Forderungen oder Unterstützungen zu finanziellen Sofortmaßnahmen von der GEMA, der GVL oder der IHK. Unsere Nutzer*innen wissen somit, an welche Stellen sie sich mit welchen Anliegen wenden können oder welche Maßnahmen eingeleitet werden. Das betreiben wir auch auf internationaler Ebene für unsere entsprechenden Communities und schauen, welche Maßnahmen es beispielsweise in Großbritannien, Frankreich oder der Schweiz gibt. So hat etwa das m4music Festival mit ca. 3.000 Besucher*innen all seine Inhalte ins Digitale gebracht, um ein Streaming Festival zu werden. Darüber hinaus gibt es auch in Großbritannien ähnlich wie Deutschland Diskussionen, wie man schnelle, liquiditätssichernde Maßnahmen bereitstellen kann, ohne großartige Anforderungen an die Unternehmen zu stellen. Ebenso teilen wir auch entsprechende Petitionen oder setzen selbst welche auf, wenn es zu einem bestimmten Thema noch keine gibt.

Zum anderen unterstützen wir darüber hinaus auch Maßnahmen wie Ersatztermine, die bereits viele Booker*innen, Künstler*innen oder Clubs direkt für den Herbst und Winter diesen Jahres oder teilweise auch schon für 2021 ausgemacht haben. Auf diese gibt es jetzt schon einen Run. Wir als System managen diese Termine oder Anfragen mit, und rufen Veranstalter*innen dazu auf, diese Zeiten freizugeben. Damit können Künstler*innen sich ein gewisses Geschäftsfeld in der Zukunft sichern. Zu wissen, wie es künftig weitergehen soll, da sie bereits zehn neue Auftritte oder mehr gesichert haben, kann ihnen auch bei Kreditanfragen helfen. Wir ermutigen hier also alle, in die Zukunft zu schauen und entsprechend aktiv zu werden.   

Eine weitere Maßnahme von uns ist zudem ein kostenfreies Tool für die Fan Insights, das wir entwickelt haben und zeitlich jetzt parallel zum Coronavirus angelaufen ist. Dieses analysiert, in welchen Regionen Künstler*innen wie viele Streams und Social Media-Fans haben. Künstler*innen und Booker*innen erhalten somit einen guten Überblick, wo sie nach dem Shutdown Konzerte planen und buchen sollten, um ihr Potenzial zu nutzen. Veranstalter*innen können mit dem Tool ebenfalls ihr Programm klug zusammenstellen, damit ihr Wirtschaftspotenzial durch gut verkaufte oder gar ausverkaufte Konzerte so hoch wie möglich ausfällt.

KMN: Welche Maßnahmen muss die Politik ergreifen, um die Musikindustrie in dieser Situation auch auf lange Sicht zu unterstützen?

MF: Kredite oder andere finanzielle Zuschüsse ohne die bisherigen Auflagen sind natürlich eine Maßnahme. Wie sich das in der Praxis wirklich umsetzt, bleibt abzuwarten. Denn als Unternehmer kenne ich selbst die politischen Ziele von Förder- oder Darlehnsprogrammen, die in der Umsetzung vor allem dann immer wieder zu Problemen führen, wenn Banken mit ihrer klassischen Brille an die Bearbeitung rangehen.

Sinnvoller fände ich, gerade für die Kreativbranche die Gunst der Stunde zu nutzen, und das bedingungslose Grundeinkommen in einer Testphase auszuprobieren. Damit wäre kleineren Unternehmen sowie Künstler*innen mehr geholfen als mit Krediten, die sie irgendwann wieder zurückzahlen müssen. Hier empfinde ich die Krisensituation also als guten Zeitpunkt für ein Umdenken, um Neues zu erproben.

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