04.11.2024

Themenreihe klimafreundlich

Autor*in

Christina Schmitt
studierte Kulturmanagement und Konservierungswissenschaften. Ihre museale Ausbildung absolvierte sie in Museen in Deutschland und den USA. Als Baubeauftragte begleitete sie ab 2012 das Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg. 2017 übernahm sie die Inbetriebnahme der Regensburger Museumsgebäude und leitet seitdem das Referat für Museumsbetrieb, Sammlung und Prävention. 
PASSIVHaus der Bayerischen Geschichte

Das Energiespar-Museum Nummer 1

Klimatisierung, Lüftung, Wasser, Strom - das Betreiben von Gebäuden benötigt nicht selten den größten Teil des Budgets von Kultureinrichtungen. Das Museum des Hauses der Bayerischen Geschichte in Regensburg wurde auch deshalb unter Berücksichtigung von Strom- und Energieeinsparungen geplant und 2019 eröffnet. Doch damit nicht genug: Seit fünf Jahren arbeitet die Betriebstechnik kontinuierlich daran, Energieverbrauch und -kosten weiter zu reduzieren.

Themenreihe klimafreundlich

Das Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg besteht aus drei Gebäuden: den Neubauten Museum und Bavariathek (medienpädagogisches Projektzentrum) sowie dem Altbau des Depots. Dieser Beitrag behandelt das Museum, das als Passivhaus errichtet wurde. Da die Klimatisierung in Museen zum Schutz der Objekte durch sogenannte Raumlufttechnik (RLT) meist mit einem hohen Aufwand an Energie einhergeht, bedeutet dies eine große Kostenersparnis und trägt zudem zum Klimaschutz bei. 
 
Der Erfolg an Energieeinsparungen dieses modernen Gebäudes spricht für sich. Seit dem 13. Juni 2024 ist es auch zertifiziertes Passivhaus. Davon nicht genug, machen die 7.700 qm Nutzfläche den Sonderbau zum flächenmäßig größten Passivhaus-Museum weltweit.
 
Was ist ein Passivhaus und wie unterscheidet sich dieses Museum von anderen?
 
Als Passivhaus gilt ein Gebäude, dessen jährliche Heiz-/Wärmebilanz einen Verbrauch von 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter nicht übersteigt. (Das Museum in Regensburg liegt bei 14,8 kWh/m² im Jahr.) Das Einhalten dieser Vorgabe ermöglicht, dass ein Gebäude bestenfalls bis zu 80% des regulären Energieverbrauchs einspart. 
 
Bei einem Passivhaus legen Physiker*innen die Materialzusammensetzungen der Bauteile fest. Im Falle des Regensburger Museums orientiert sich die Wahl an Hochrechnungen der zu erwartenden Besucher*innenzahlen. So entstand eine dichte Gebäudehülle, die sehr wenig Luft durchlässt und damit die gewärmte, gekühlte oder befeuchtete Zuluft konstant im Raum halten kann. Im Ergebnis konnte dadurch bereits während der Planungsphase die Anlagengröße der Raumlufttechnik deutlich reduziert werden. 
 
Die Zertifizierung als Passivhaus basiert letzlich auf Berechnungen mit dem tatsächlichen Verbrauch an Wärme- und Kälteleistung. Die Verbrauchszahlen des Museums der Bayerischen Geschichte prüften gleich zwei voneinander unabhängige Institute: zum einen das Energie- und Umweltzentrum Allgäu und zum anderen das Passivhaus Institut aus Darmstadt. 
 
Automation der Gebäudetechnik
 
Unabhängig von den Passivhaus-Berechnungen evaluiert das Team der Betriebstechnik seine Energieeinsparungen auch selbst. Durch eine an die Raumnutzung angepasste Nutzung der Raumlufttechnik verbesserte sich seit Inbetriebnahme der jährliche Energieverbrauch. Dabei werden nicht alle Räume eines Museums gleich klimatisiert, sondern dies erfolgt entsprechend der tatsächlichen Nutzung einzelner Räume und basiert auf einer zentralgesteuerten Anlagenautomation, über die Verbrauchswerte raumweise abgerufen und kontrolliert werden. Hinter jedem öffentlich zugänglichen Bereich des Hauses verbirgt sich eine eigene RLT-Anlage. Insgesamt betreut die Betriebstechnik neun solcher Anlagen. 
 
Die Auswertung des Energieverbrauchs der vergangenen fünf Jahre ergab, dass die RLT-Anlagen der Ausstellungen zusammen mit der der Gastronomie den meisten Strom benötigen. Demnach liegt der Fokus im Sinne einer nachhaltigen Betriebsführung weiterhin auf der Optimierung der Klimatechnik. 
 
Zudem konnte belegt werden, dass ein Dauerbetrieb der RLT-Anlagen nicht zwingend notwendig ist, um konstante Bedingungen zu erreichen. Über vier Jahre hinweg wurden die Einflüsse des Außenklimas auf das Innenklima der Ausstellung sorgfältig dokumentiert und analysiert. Technische Anpassungen wurden schrittweise umgesetzt, über die Gebäudeleittechnik (GLT) gespeichert und miteinander verglichen. Auf diese Wiese vollzog sich stufenweise eine Optimierung zur Steuerung aller RLT-Anlagen. Dies geschah durch das Nachjustieren nur weniger Parameter, ohne die notwendigen konservatorischen Vorgaben zu beeinträchtigen. 
 
Von Juni bis Oktober 2020 betrug der monatliche Stromverbrauch der Dauerausstellung im Durchschnitt 22.000 kWh. Ab Ende November 2020 lag die elektrische Leistung dann bei nur noch durchschnittlich 11.000 kWh im Monat. Durchschlagenden Erfolg erzielte die Einführung eines sogenannten Schutzbetriebs, bei dem die Anlagen automatisch abschalten, sobald die gewünschten Klimabedingungen erreicht sind. Dies führte zu einer Reduzierung des Energieverbrauchs auf nurmehr 3.500 kWh pro Monat. Für alle drei Gebäude wurden monatliche Einsparungen von 65.000 kWh erzielt. Gemessen am Strompreis von Juni 2022 (0,243 ct/kWh) belaufen sich die eingesparten Betriebskosten auf 15.795 Euro im Monat.
 
 
Einsparungen trotz Ausstellungsbetrieb
 
Ein entscheidender Aspekt zur Stromeinsparung im laufenden Betrieb ist die Anpassung der Raumtemperaturen an variierende Außentemperaturen. In den Dauer- und den Wechselausstellungsräumen wird die Innentemperatur im Sommer angehoben und im Winter abgesenkt. Die zulässigen Grenzwerte liegen zwischen 19 °C und 26 °C, wobei das Ausstellungsklima innerhalb von 24 Stunden nicht stärker als um 2 °C und nicht um mehr als 5 % r. F. schwankt. Dieses Konzept wurde bereits während der Bauphase festgelegt und entspricht den Empfehlungen des Deutschen Museumsbundes für den erweiterten Klimakorridor von 2022. 
 
Die Stabilität des Ausstellungsklimas in der Dauerausstellung erlaubt es sogar, die Raumlufttechnik komplett abzuschalten. Das geschieht seit Dezember 2022 täglich zwischen 18 Uhr abends und 7 Uhr morgens. In dieser Zeit wird das Klima zwar überwacht, die Anlage selbst reagiert jedoch lediglich bei Grenzwertüber- oder -unterschreitung. 
 
Um das Abschalten zu ermöglichen, wurden mit den Leihgeber*innen der Dauerausstellung stabile, aber saisonal variable Raumklimawerte vereinbart. Drei Leihgaben mit speziellen Anforderungen an die Luftfeuchtigkeit werden in dichten Großraumvitrinen präsentiert, die vom Raumklima unabhängig sind. Wenn Leihverträge anderer Kultureinrichtungen eine Anpassung der Grenzwerttemperatur nicht zulassen, kann es natürlich dennoch zu betrieblichen Herausforderungen kommen. Deshalb übermittelt die Projektleitung einer Ausstellung frühzeitig den Facility-Report des Museums an potenzielle Leihgeber*innen. Die darin beschriebenen Grenzwerttemperaturen dienen als Diskussionsgrundlage und ermöglichen es, gemeinsam mit den Verantwortlichen anderer Museen energetisch sinnvolle Leihbedingungen festzulegen.
 
Optimierte Klimatisierung im Depot
 
Der technische Betrieb des Depots orientiert sich vorrangig an den materialspezifischen Vorgaben der Präventiven Konservierung. Neben einem nach Materialen getrennten Lagerkonzept wird deren Einhaltung von einer Teilklimaanlage garantiert, die im Low Energy Standard umgesetzt ist. Bauphysiker*innen setzten hier auf die historischen Bestandswände des ehemaligen Salzstadels, in dem die Sammlung untergebracht ist. Dennoch verbraucht diese Anlage bei ganzjährigem Betrieb 90 % des Stroms des Gebäudes. Es lag daher nahe, die Erfahrungen aus der Dauerausstellung auch in den Depoträumen zu erproben. Unter der Vorgabe der Grenzwerttemperatur von 26°C wurde die Anlage von Mitte Mai bis Mitte Oktober 2022 komplett abgeschaltet. Während des Testzeitraums verhielt sich die Raumfeuchte annähernd konstant bei 50 % relative Feuchte. Obwohl die Temperatur gelegentlich den Grenzwert von 26 °C überschritt, blieb das Klima insgesamt stabiler als erwartet. Es sind also auch im Depotbereich erhebliche Energieeinsparungen im Anlagenbetrieb möglich, ohne den Erhalt der Sammlung zu gefährden.
 
Energie aus Abwasser
 
Das Heizen der Gebäude des Hauses der Bayerischen Geschichte hat, anders als üblich, keinen Einfluss auf den Stromverbrauch des Museums. Das liegt an der eigens für das Museum konzipierten Energiezentrale, die von der Stadt Regensburg betrieben wird. Deren Wärmepumpen stellen die im Regensburger Abwasser enthaltene Wärme zum Wärmen und Kühlen der drei Museumsgebäude bereit. 
 
 
Die RLT-Anlagen des Museums wandeln die von der Stadt bereitgestellte Wärme in geheizte, gekühlte oder befeuchtete Luft um und versorgen nicht nur die Ausstellungsräume nach museal vorgegebenen Klimakorridoren, sondern auch alle übrigen Nutzungsbereiche. So kann das Museum komplett auf fossile Brennstoffe verzichten.
 
Bilanz und Ausblick
 
Die Erfolge der bisherigen Maßnahmen zeigen zwei Dinge: Zum einen ist es möglich - und angesichts der Klimakrise auch notwendig -, Nachhaltigkeit als zentrales Ziel für den Betrieb von Museen zu verankern. Zum zweiten lässt sich der Energieverbrauch deutlich reduzieren, wenn die technischen Anlagen individuell auf Gebäude und Raumnutzung reagieren. Das benötigt nicht zwingend neue Anlagen, aber ein Monitoring bestenfalls über mehrere Jahre sowie die kontinuierliche Kontrolle der Anlagentechnik. Da viele Museen mangels Kapazität kein Personal darauf abstellen können, gilt es zu überlegen, ob zukünftig eine Künstliche Intelligenz diese verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen kann.
 
Trotz bereits erreichter Ziele stellt sich das Museum der Bayerischen Geschichte neuen Herausforderungen: Wenngleich die Gebäudetechnik bereits überwiegend mit Ökostrom aus Wasserkraft betrieben wird, plant das Museum, in naher Zukunft seinen eigenen Strom zu produzieren. 
 
Die Erfolge in Sachen Klimafreundlichkeit überträgt das Energiespar-Museum auch auf das Ausstellungswesen. So werden die Gestalter*innen von Ausstellungen zur Wiederverwendung von Ausstellungstechnik, -modulen bis hin zu -vitrinen vertraglich verpflichtet. Dafür hat das Haus der Bayerischen Geschichte einen zehn Punkte umfassenden Plan zum Thema "Nachhaltigkeit" entwickelt. 
 
 
Ausführliche Informationen, Tipps und Erklärungen für einen nachhaltigen, kostensparenden Betrieb von und Ressourceneinsatz in Kultureinrichtungen bietet der Leitfaden "Klimafreundliche Kulturgebäude". 

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