03.03.2021
Themenreihe klimafreundlich
Autor*in
Thomas Wahlbuhl
ist Projektleiter für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz in Kommunen bei der Thüringer Landesenergieagentur ThEGA. Er studierte Technische Gebäudeausrüstung sowie Anlagenplanung Regenerative Energieanlagen. Er war Projektleiter und Inhaber eines Planungsbüros zu regenerativen Energien und als kommunaler Energieberater tätig. In seiner Freizeit ist er begeisterter Musiker.
Marcel Weiland
ist Projektleiter der Servicestelle Solarenergie bei der Thüringer Landesenergieagentur ThEGA. Er studierte Wirtschaftsingenieurwesen für Gebäude- und Energietechnik und war unter anderem am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in einem Forschungsprojekt zu Wärmepumpen tätig.
Kristin Oswald
leitet die Online-Redaktion von Kultur Management Network. Sie studierte Geschichte und Archäologie in Jena und Rom sowie Social Media-Marketing in Berlin. Sie ist freiberuflich in der Wissenschaftskommunikation und im Museumsmarketing mit Schwerpunkt online tätig.
Nachhaltigkeit von Kulturbauten
Energiekümmerer und Anreizsysteme
Der Betrieb von Kulturgebäuden verbraucht sehr viele Ressourcen und damit auch viel CO2. Doch abseits von teuren Investitionen gibt es auch viele kleine Möglichkeiten, die Immobilien nachhaltiger zu nutzen.
Themenreihe klimafreundlich
Im ersten Teil dieses Interviews haben Thomas Wahlbuhl und Marcel Weiland erklärt, wie es aktuell um die Nachhaltigkeit von Kulturgebäuden steht.
KMN: Dass Kultureinrichtung einen hohen Stromverbrauch haben, ist verständlich und erklärt sich aus ihrer Nutzung. Aber ist er auch höher ist, als er sein könnte?
Marcel Weiland: Einsparmöglichkeiten hat man immer irgendwo. Das kann zum Beispiel veraltete Lichttechnik sein. 2002 kam die Umstellung von Halogenscheinwerfern, die früher Stand der Technik waren, zu LED langsam auf. Das kann Einsparungen von bis zu 80 Prozent erreichen und da reden wir nur von Strom. Ältere Leuchteinrichtungen produzieren mitunter mehr Wärme als Licht. Das wirkt sich auch auf die raumklimatischen Bedingungen aus. Das sind also komplexe Zusammenhänge, bei denen es immer noch Stellschrauben gibt, an denen man drehen kann.
Thomas Wahlbuhl: Es hängt natürlich auch viel vom Nutzungsverhalten ab. Mache ich wirklich erst eine Stunde, bevor die Besucher*innen ins Theater kommen, die Beleuchtung und Klimatisierung an und danach auch wieder aus, dimme ich gleich runter, nachdem die Vorstellung angefangen hat, auch in den Foyers? Man kann in der Betriebsführung einiges machen, aber auch in der grundsätzlichen Technik. Was versteckte Verbräuche betrifft, gibt es in großen öffentlichen Einrichtungen beispielsweise öfter den Fall, dass eine Heizungsanlage erneuert wird, aber bei der keine gebäudespezifischen oder verbrauchsspezifischen Optimierungseinstellungen vorgenommen werden. Das kann sich schon bemerkbar machen je nachdem, wie groß das Gebäude ist.
MW: Es gibt ja auch Ressourcenaspekte abseits von Energie, beispielsweise für Kostüme, Vitrinen, Bühnenbilder usw. Da könnte man auch versuchen, Nachhaltigkeitsaspekte stärker zu forcieren, und damit auch Geld zu sparen. Für Hamburg gibt es beispielsweise die Hanseatische Materialverwaltung, eine gemeinnützige Requisitentauschbörse. Natürlich soll die künstlerische Freiheit erhalten bleiben, aber die Frage kann schon sein, inwieweit man zumindest solche Dinge auch an Nachhaltigkeitsaspekten orientiert. Es ist zu vermuten, dass wir irgendwann an den Punkt kommen, an dem man die Notwendigkeit und den klimatischen Aufwand, Kultur in einer bestimmten Form umzusetzen, gegenrechnen muss. Das stellt nicht den Sinn von Kultur in Frage, auf keinen Fall, aber eben die konkrete Art der Umsetzung.
TW: Vieles gehört bei Kunst auf einem hohen Niveau dazu, aber heißt nicht, dass man das eigene Handeln nicht hinterfragen solle. Sänger*innen oder Musiker*innen müssen für die eigene Karriere auch mal im Ausland singen oder spielen. Da wäre es sicherlich ein guter Ansatz, dass das zumindest nicht mehr so oft passiert oder dass Kultureinrichtungen sagen, sie zahlen keinen Flug, sondern eine Bahnfahrt. Das gilt auch für Dienstreisen, Meetings und Konferenzen. Sind die immer absolut notwendig oder kann man einen Geschäftstermin auch online wahrnehmen? Ich verstehe das Argument, dass es auch schön ist, sich persönlich gegenüberzustehen. Es sagt ja auch niemand, dass man darauf komplett verzichten soll. Man kann es aber reduzieren, die Planung verbessern oder Wege optimieren.
KMN: Viele dieser Aspekte haben aber vielleicht die Mitarbeiter*innen gar nicht auf dem Schirm?
MW: Ja, und das kann ein Problem sein, denn das Verbraucher*innenverhalten ist zentral. Die Betreiber*innen und Mitarbeiter*innen müssen deshalb für die Thematik sensibilisiert werden. Daraus kann man zum Beispiel einen kleinen Wettbewerb machen, indem man Energie- und Verbrauchsdaten monitort und auf Einsparung abzielt. Das kostet auch nicht viel Geld. Die Kolleg*innen von der Energieagentur Nordrhein-Westfalen haben einen Artikel veröffentlicht zu Klimaschutz in Kultureinrichtungen. Im Kern geht es darum, die Mitarbeiter*innen abzuholen, sich zusammenzusetzen, über das Thema zu reden und einen sogenannten Energiekümmerer zu bestimmen, der oder die sich mit der Thematik auseinandersetzt, mit einfachen Mitteln die Verbräuche erfasst und beobachtet. Wenn man das mit Zielwerten vergleicht, die es auch für Kultureinrichtungen gibt, kann man schon gewisse Rückschlüsse daraus ziehen und überlegen, wo man ansetzen könnte.
KMN: Gibt es dafür schon Beispiele?
MW: Es gibt erste Initiativen im Kulturbereich, die so ein Monitoring veranschlagen, beispielsweise ein aktuelles Projekt der Kulturstiftung des Bundes, die Ende letzten Jahres angefangen hat, Klimabilanzen in Kulturinstitutionen auf den Weg zu bringen. Das ist eine Pilotgruppe aus 19 Einrichtung deutschlandweit. Daran sieht man, dass sich in diese Richtung ein bisschen was bewegt.
KMN: Wie ist es denn mit so etwas wie der Auslastung? Kann man da durch Effizienz etwas einsparen?
TW: Wenn ich als Beispiel das Theater Erfurt nehme: Dort gibt es eine Gebäudeleittechnik, mit der alle Anlagen überwacht werden, also Heizung, Klima und die ganze Bühnentechnik. Wenn man das für dieses Haus hinsichtlich Ressourcen, Strom, CO2 usw. optimieren und dann besser auslasten würde, könnte man den Verbrauch sicherlich reduzieren. Auf den ersten Blick verbraucht man dann zwar erstmal mehr Energie. Global betrachtet wäre es aber weniger, zumal wenn man die eigenen Räume an andere Akteur*innen vermieten würde, die sich sonst vielleicht woanders einmieten, wo der Verbrauch nicht optimiert ist. Das gilt besonders für Mehrzweckhallen, Konferenzzentren oder Gastspielhäuser, die mit einer besseren Auslastung deutliches Einsparpotenzial hätten.
Eine solche dichtere Nutzung könnte auch für den Träger spannend sein, weil sich zum einen Investitionen in Sanierung oder technische Nachbesserung mehr lohnen, wenn man ein Haus nicht nur für einzelne Veranstaltungen nutzt. Zum anderen könnte der Träger dadurch vielleicht den Betrieb anderer Räume verringern.
KMN: Wenn man nun an die Gebäude selbst denkt, ist beispielsweise Dämmung etwas, an das man sofort denkt. Was für Beispiele und Aspekte gibt es denn noch?
MW: Unsere Beispiele kommen natürlich vor allem aus Thüringen, aber sie zeigen das ganz gut. Das beste Beispiel ist eigentlich das Neue Museum in Weimar, weil da wirklich viel gemacht wurde. Das war ein umfangreicher Prozess, der begann im Jahr 2011/2012 und lief bis 2016. Einer unserer Mitarbeiter hat damals eine Machbarkeitsstudie geschrieben zu energieeffizienten Optimierungsmöglichkeiten. Da wurde einiges betrachtet, Licht von Halogen auf LED umgerüstet und raumklimatische Anpassung umgesetzt, zum Beispiel eine sogenannte Kanalisierung. Das bedeutet, dass man möglichst kleine, überschaubare Bereiche für die besonders empfindlichen und anspruchsvollen Exponate schafft, sodass nicht das ganze Gebäude vollklimatisiert werden muss. Innovativ war damals auch der Einsatz von sogenannter gebäudeintegrierter Photovoltaik. Dafür wurde das Oberlicht mit Solarmodulen bestückt, was dafür gesorgt hat, dass die Klimaanlage gerade im Sommer mit erneuerbaren Energien aus eigenproduziertem Solarstrom versorgt werden konnte, und das war zugleich Licht- und Wärmeregulator. Die Klassik Stiftung Weimar wurde für dieses ganze Projekt 2017 mit dem Thüringer EnergieEffizienzpreis ausgezeichnet. Daran sieht man, wie gut auch ein älteres, klassisches Tageslichtmuseum mit relativ hohem raumklimatischem Anspruch bau- und energieenergetisch saniert werden kann.
TW: Aktuell beraten wir zum Beispiel das Mauritianum in Altenburg und das Kongresszentrum Weimar zum Einsatz von Solarpanels. Das Kongresszentrum nutzt diese zum Beispiel zur Stromversorgung, aber auch zur Kühlung und zur Speicherung von Strom mittels eines Eisspeichers. Vor ungefähr 15 Jahren war ich zudem an der Planung des Erlebniszentrums Himmelsscheibe bei Nebra in Sachsen-Anhalt beteiligt. Schon damals haben wir es so geplant, dass das mit einem Niedertemperatursystem und mit 10 Erdsonden geheizt und gekühlt. Zudem haben wir über raumlufttechnische Anlagen eine sehr gute Wärmerückgewinnung umgesetzt, eine sogenannte adiabate Kühlung. Man kühlt dabei, indem man die Abluft besprüht mit kaltem Wasser und dann die abgekühlte Abluft der Zuluft zuführt. Solche Ansätze sind also nicht neu, aber trotzdem noch nicht so verbreitet, wie wir uns das wünschen würden.
KMN: Und wenn aus den Einrichtungen selbst keine Initiative kommt, wie kann die Kulturpolitik Anreize schaffen?
TW: Kultureinrichtungen sind meistens Zuschussgeschäfte und kosten den Träger Geld. Und da kann eine Energieeinsparung zumindest einen Beitrag dazu leisten, dass das weniger wird. Insofern wäre ein Anreizsystem schon nicht schlecht, dass man zum Beispiel einen Kennwert dafür festlegt, was so eine Einrichtung reell verbraucht, und wenn ein Haus darunter liegt, kann es das Geld beispielsweise für anderes ausgeben, und wenn es darüber liegt, muss es das selbst finanzieren. Der Arts Council England droht schon Einrichtungen mit Budgetkürzung, wenn sie die Klimaziele verfehlen. Die Voraussetzung dafür ist, dass die Investitionen für entsprechende Sanierungsmaßnahmen oder Technik bereitgestellt werden, denn das können die Einrichtungen tatsächlich nicht selbst erwirtschaften.
MW: Abgesehen von der Kulturpolitik gibt es auch andere Anreize. Zum Beispiel sollten Kultureinrichtungen auf dem Schirm haben, dass die ganze Klimabewegung das Bewusstsein der Verbraucher*innen deutlich erhöht hat. Dass zu ignorieren, fällt ihnen sonst vielleicht auf die Füße.
KMN: Wie ist es denn mit Maßnahmen zum CO2-Ausgleich? Die bekommen ja gerade sehr viel Aufmerksamkeit.
MW: Ausgleichsmaßnahmen sind schön und gut, aber immer nur das letzte Mittel der Wahl. Nach Sanierung, technischer Umstellung usw. ist immer noch ein Bereich übrig, den man einfach nicht einsparen kann. Und da ist dann der Punkt, an dem man mit Ausgleichsmaßnahmen arbeiten kann, zum Beispiel Aufforstungsprojekte zu unterstützen. So etwas macht aber tatsächlich nur Sinn, wenn sie zusätzlich sind. Sonst ist es nur ein Green Washing fürs gute Gewissen. Zwar ist es etwas Gutes, wenn die Ambition da ist, solche Ausgleichsmaßnahmen durchzuführen, und wenn solche Mittel wahrgenommen werden. Aber man sollte sich nicht dazu verleiten lassen, trotzdem weiterzumachen wie bisher. Die Herangehensweise ist eigentlich diejenige: Bei welcher Maßnahme kann ich wie CO2 einsparen? Sind diese Maßnahmen überhaupt notwendig? Also man muss sich grundlegend sich die Frage stellen: Muss ich das jetzt tun? Und das, was ich wirklich nicht mehr in der Hand habe, durch Eigeninitiative einzusparen, da kann ich mir dann Gedanken über Ausgleichsmaßnahmen machen.
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