19.10.2020
Themenreihe Digitale Formate
Autor*in
Julia Jakob
studierte Musikwissenschaft und Kulturmanagement in Weimar. Praktische Erfahrungen im Kulturbetrieb sammelte sie bei unterschiedlichen Festivals und in verschiedenen Veranstaltungsbüros sowie als Agentin bei weim|art e. V. Seit 2021 ist sie die Chefredakteurin des Kultur Management Network Magazins und stellvertretende Leiterin der Redaktion.
Podcasts aus der Musikszene
Musikgeschichten erzählen
Egal ob Musikwissenschaft, Musikvermittlung oder Expert*innenwissen aus der Musikindustrie: Podcasts aus der Musikszene sind so vielfältig wie die Szene selbst. Das gilt auch für die Herangehensweisen und Formate, von denen (noch) nicht podcastende Musikeinrichtungen durchaus lernen können.
Themenreihe Digitale Formate
Wissen Sie, was ein Dominantseptakkord ist und wie dieser funktioniert? Oder was ABBA mit Punk zutun hat? Oder weniger musikwissenschaftlich: Welche Umstände führen eine Band zu kommerziellem Erfolg? Welche Marketingtrends sind für das Musikbusiness relevant? Was bedeutet es, als Musiker*in freischaffend tätig zu sein? Und wie geht es weiter, wenn ein musikalisches Projekt scheitert? Sollten Sie nicht alles beantworten können, lohnt es sich, in verschiedene Musikpodcasts zu hören. Diese boomen aktuell, wenngleich Audioformate über oder zu Musik eigentlich ein alter Hut sind. In Podcasts können allerdings auch Inhalte besprochen werden, die fürs Radio zu speziell oder ausführlich sind.
Bei der Recherche dazu fiel mir auf, dass vor allem die HipHop-/Rap-Szene eine Vielzahl an Podcasts hat (z.B. Schacht und Wasabi, Die wundersame Rapwoche, Machiavelli - Rap und Politik, Deine Homegirls, Deutschrap rasiert, BACKSPIN). Vielleicht liegt das daran, dass diese Szene noch vergleichsweise jung, divers, politisch und gesellschaftskritisch ist und aktuell ebenso boomt wie der Podcastmarkt. Außerdem gibt es kaum ein anderes Genre, in dem Streit und Sexismus-Outings, aber eben auch politische Themen derart zum öffentlich ausgetragenen Tagesgeschäft gehören und immer wieder neuen Gesprächsstoff bieten. Außerdem ist bei diesen Podcasts auffällig, dass mitunter größere Medienunternehmen dahinter stehen und Podcasts also zu Marketingstrategie gehören, etwa bei Cosmo (WDR), bigFM, PULS oder dem BACKSPIN-Magazin. Zu letzterem später mehr.
Bei der Recherche dazu fiel mir auf, dass vor allem die HipHop-/Rap-Szene eine Vielzahl an Podcasts hat (z.B. Schacht und Wasabi, Die wundersame Rapwoche, Machiavelli - Rap und Politik, Deine Homegirls, Deutschrap rasiert, BACKSPIN). Vielleicht liegt das daran, dass diese Szene noch vergleichsweise jung, divers, politisch und gesellschaftskritisch ist und aktuell ebenso boomt wie der Podcastmarkt. Außerdem gibt es kaum ein anderes Genre, in dem Streit und Sexismus-Outings, aber eben auch politische Themen derart zum öffentlich ausgetragenen Tagesgeschäft gehören und immer wieder neuen Gesprächsstoff bieten. Außerdem ist bei diesen Podcasts auffällig, dass mitunter größere Medienunternehmen dahinter stehen und Podcasts also zu Marketingstrategie gehören, etwa bei Cosmo (WDR), bigFM, PULS oder dem BACKSPIN-Magazin. Zu letzterem später mehr.
Welche Musikgeschichten für wen erzählen?
Die befragten Musik-Podcaster*innen eint zunächst - neben ihrer beruflichen Tätigkeit in der Musikbranche - vor allem ihre Motivation, sich auf diese Art mit Musik auseinanderzusetzen.** Eine bestehende Lücke zu füllen, kann ein Ziel sein, wie etwa Daniel Siebert und Sean Prieske von "Musikgespräch" erklären: "Uns ist bereits 2017 aufgefallen, dass es zu fast jeder wissenschaftlichen Disziplin einen Podcast gibt. Nur in der Musikwissenschaft fehlte bislang ein deutschsprachiger Podcast. Damit meinen wir tatsächlich einen wissenschaftlichen Fokus in der Betrachtung von Musik als Forschungsgegenstand. Das wollten wir ändern und dabei im Podcast-Format die Potentiale dieser Vermittlungsart von Musikwissen ausschöpfen. Und natürlich darf der Spaß dabei auch nicht zu kurz kommen." Letzteres gelingt ihnen durch eine lockere Herangehensweise, wobei beispielsweise Musiktheorie durch das Anspielen auf einem Instrument im Podcast nachvollziehbar wird (selbst gestandene MuWis verstehen dabei mitunter endlich musikalische Phänomene wie den Dominantseptakkord).
Eine Lücke in der deutschsprachigen Podcast-Landschaft wollte auch Daniela Bartels mit "Mehr als Töne" füllen. Darin liegt der Fokus auf Musikpädagogik, wobei sie "die Werte der Tätigkeiten im musikpädagogischen Bereich öffentlich thematisieren" möchte. Dabei will sie angehende sowie gestandene Musiklehrer*innen "immer wieder neu motivieren, sich über ihre eigenen Gestaltungsmöglichkeiten und über die schöne Verantwortung, die mit ihrem Beruf einhergeht, bewusst zu werden". "Ich überlege immer wieder, welche Perspektiven von Kolleg*innen andere Menschen inspirieren können, und dann lade ich sie ein", berichtet Bartels. Vorrangig an Musikschaffende richtet sich auch "Die Musikerschmiede" der Musiker*innen Saskia Worf und Manuel Hilleke. "Unser Ziel ist, vor allem die Studierenden und Berufsanfänger auf bestehende Probleme und Hürden der Musikbranche aufmerksam zu machen und von positiven wie negativen Erfahrungen zu berichten", erklären die beiden.
Musik-Podcasts können auch Einblicke hinter die Kulissen des Musikbetriebs geben. So will der Podcast des PODIUM Festivals den Hörer*innen "die Menschen aus dem PODIUM-Kosmos abseits der Bühne vorstellen und ihnen gleichzeitig einen Einblick in die Themen, Fragen und Projekte geben", erzählt Julian Stahl, der den Podcast redaktionell betreut. Ähnliches gilt für den "Macher*innen aus der Musikbranche | REDFIELD Podcast", wie Redfield Records-Geschäftsführer Alexander Schröder berichtet: "Man erfährt zu wenig über die Macherinnen und Macher aus der Musikbranche, deren Karrieren, Erfolgs- und Misserfolgsgeschichten, die Hebel und auch deren Zukunftsprognosen. Wir wollten das ändern und selbst erfahren." Als Projekt des Labels Redfield Records kann der Podcast auf ein Netzwerk von Musikschaffenden zurückgreifen.
Die befragten Musik-Podcaster*innen eint zunächst - neben ihrer beruflichen Tätigkeit in der Musikbranche - vor allem ihre Motivation, sich auf diese Art mit Musik auseinanderzusetzen.** Eine bestehende Lücke zu füllen, kann ein Ziel sein, wie etwa Daniel Siebert und Sean Prieske von "Musikgespräch" erklären: "Uns ist bereits 2017 aufgefallen, dass es zu fast jeder wissenschaftlichen Disziplin einen Podcast gibt. Nur in der Musikwissenschaft fehlte bislang ein deutschsprachiger Podcast. Damit meinen wir tatsächlich einen wissenschaftlichen Fokus in der Betrachtung von Musik als Forschungsgegenstand. Das wollten wir ändern und dabei im Podcast-Format die Potentiale dieser Vermittlungsart von Musikwissen ausschöpfen. Und natürlich darf der Spaß dabei auch nicht zu kurz kommen." Letzteres gelingt ihnen durch eine lockere Herangehensweise, wobei beispielsweise Musiktheorie durch das Anspielen auf einem Instrument im Podcast nachvollziehbar wird (selbst gestandene MuWis verstehen dabei mitunter endlich musikalische Phänomene wie den Dominantseptakkord).
Eine Lücke in der deutschsprachigen Podcast-Landschaft wollte auch Daniela Bartels mit "Mehr als Töne" füllen. Darin liegt der Fokus auf Musikpädagogik, wobei sie "die Werte der Tätigkeiten im musikpädagogischen Bereich öffentlich thematisieren" möchte. Dabei will sie angehende sowie gestandene Musiklehrer*innen "immer wieder neu motivieren, sich über ihre eigenen Gestaltungsmöglichkeiten und über die schöne Verantwortung, die mit ihrem Beruf einhergeht, bewusst zu werden". "Ich überlege immer wieder, welche Perspektiven von Kolleg*innen andere Menschen inspirieren können, und dann lade ich sie ein", berichtet Bartels. Vorrangig an Musikschaffende richtet sich auch "Die Musikerschmiede" der Musiker*innen Saskia Worf und Manuel Hilleke. "Unser Ziel ist, vor allem die Studierenden und Berufsanfänger auf bestehende Probleme und Hürden der Musikbranche aufmerksam zu machen und von positiven wie negativen Erfahrungen zu berichten", erklären die beiden.
Musik-Podcasts können auch Einblicke hinter die Kulissen des Musikbetriebs geben. So will der Podcast des PODIUM Festivals den Hörer*innen "die Menschen aus dem PODIUM-Kosmos abseits der Bühne vorstellen und ihnen gleichzeitig einen Einblick in die Themen, Fragen und Projekte geben", erzählt Julian Stahl, der den Podcast redaktionell betreut. Ähnliches gilt für den "Macher*innen aus der Musikbranche | REDFIELD Podcast", wie Redfield Records-Geschäftsführer Alexander Schröder berichtet: "Man erfährt zu wenig über die Macherinnen und Macher aus der Musikbranche, deren Karrieren, Erfolgs- und Misserfolgsgeschichten, die Hebel und auch deren Zukunftsprognosen. Wir wollten das ändern und selbst erfahren." Als Projekt des Labels Redfield Records kann der Podcast auf ein Netzwerk von Musikschaffenden zurückgreifen.
Schließlich kann auch die berufliche Tätigkeit dazu führen, dass man sich dem Thema "Musik" auf eine andere Art näher möchte. So erklärt Niko Hüls von BACKSPIN, dass er sich mit dem gleichnamigen Podcast "den Blick von außen auf die Kultur und die Musik, die (er) so liebe, bewahren wollte (...) und mit Menschen darüber sprechen, was sie so daran mögen und was es ihnen in ihrem Leben gegeben hat". Der Fokus liegt dabei auf der Rapszene. "Das Ziel ist es, möglichst facettenreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu treffen, um aufzuzeigen, wie vielseitig die Liebe zu dieser Musik ist und wie viele verschiedene Menschen Rap Fan sind, ohne dass man das auf den ersten Blick vermuten würde", erklärt Hüls.
Musikgeschichten wie erzählen?
Abhängig von der Herangehensweise sind auch die Formate der Podcasts. Basiert dieses vor allem auf dem Gespräch der Podcaster*innen miteinander, können Gäste in Spezialfolgen oder Live-Aufzeichnungen ein Highlight sein. Bilden Gäste allerdings die Ausgangslage, wie beim PODIUM, REDFIELD oder BACKSPIN Podcast, können Formate wie Fan-Podcasts spannend sein, um verschiedene Blickwinkel auf das Thema einzufangen. So macht für Niko Hüls gerade das den Reiz an seinem Podcast aus: "Es ist eine schöne Erfahrung, dass es - egal ob in der Politik, der Wirtschaft oder Industrie, oder im künstlerischen - so viele Menschen gibt, die mit der Musik großgeworden sind und dadurch auch kleine Geschichte dazu erzählen können." Dabei ist der BACKSPIN Podcast auch ein gutes Beispiel dafür, wie durch eine Kombination mehrerer Formate ein buntes Angebot entstehen kann. So bietet er den Hörer*innen Plattenkritiken und Interviews, vermittelt aber auch HipHop-Fachwissen. Dabei muss es nicht das typische Frage-Antwort-Prinzip sein, nach dem der Gast interviewt wird. Interessanter und für die Hörer*innen mitreißender sind dabei die persönlichen Gespräche auf Augenhöhe zwischen Podcaster*in und Gästen, wie es neben den befragten Podcasts auch Tocotronic-Mitglied Jan Müller in seinem "Reflektor" Podcast macht. Damit können nicht nur die jeweiligen Karrieren der Gäste, sondern auch ihr Werk umfassend betrachtet und von ihnen selbst reflektiert werden.
Weiterhin kann es spannend sein, einzelne Podcast-Folgen komplett "Gast-Podcaster*innen" zu überlassen, wie Daniela Bartels erzählt: "Wenn die Studierenden Folgen produzieren, gehen sie vom Oberthema eines Seminars aus. Sie überlegen dann in kleinen Gruppen, mit welchem praxisrelevanten Thema sie sich auseinandersetzen möchten." Damit gibt sie nicht nur anderen Musikpädagog*innen Raum für deren Ideen, sondern unterstützt zudem die heranwachsende Generation dabei, sich mit dem aktuellen Diskurs und ihrer zukünftigen Arbeit auseinanderzusetzen.
Zudem muss ein Thema nicht zwingend in einer Podcast-Folge besprochen werden. So haben sich Daniel Siebert und Sean Prieske beispielsweise über zwei Folgen mit "Der Aneignung von Musiken" beschäftigt, wobei die Folgen hierbei kürzer als üblich sind und das komplexe Thema für die Hörer*innen damit in gutverdaulichen Häppchen aufgearbeitet ist. Ganze Staffeln auf ein bestimmtes Thema produziert darüber hinaus der Podcast "Pop kann alles" von lautgut und erzählt dabei "deutsche Pop-Geschichten, die nicht jeder kennt". So befassen sich die dahinterstehenden Podcaster Nilz Bokelberg und Thorsten Groß in der ersten Staffel "Gitarren statt Knarren" mit der Klaus Renft Combo aus der DDR. Dabei nehmen sie die Hörer*innen nicht nur mit auf eine Reise durch die Band- und deutsch-deutsche Geschichte: Aus einer Kombination von Kneipengesprächen und Interviews, Collagen, Soundbites und Songsnippets sowie Zitaten entsteht hier am Ende der Staffel ein umfassendes Bild über einen Teil der Musikgeschichte und die (kultur-)politischen Besonderheiten eines Landes, das es nicht mehr gibt. Eine Herangehensweise, die auch für andere Kulturthemen funktioniert.
Musikgeschichten erfolgreich erzählen?
Alle der befragten Podcaster*innen berichten über ein stetiges Wachstum ihrer Hörer*innenzahlen. Diese hängt natürlich von der Größe der Zielgruppe ab, wobei der Erfolg von Nischenpodcasts nicht an konkreten Zahlen festgemacht werden kann oder muss. "Wenn pro Monat zurzeit etwa 300 bis 350 Menschen in den Podcast reinhören, ist das für ein kleines Fach wie die Musikpädagogik schon eine echt erfreuliche Zahl", erklärt Daniela Bartels. Ähnlich geht das auch Daniel Siebert und Sean Prieske: "Da Musikwissenschaft ein Nischenfach ist, sprechen wir eher eine kleinere, spezialisierte Zielgruppe an. Dafür sind unsere Hörer*innen sehr treu, sobald sie uns einmal gehört haben".
Die Hörer*innenzahl kann auch themen- oder gastabhängig sein, wie Niko Hüls berichtet: "Je nach Gast schnellen die Hörerzahlen auch mal nach oben, wie zum Beispiel bei Felix Lobrecht. Aber das Format ist auch extra darauf ausgelegt, manchmal nischige und kleinere Gäste zu haben, wo es weniger um die Reichweite als mehr um die Position geht." Dieser Ansatz hat sich auch beim Redfield Podcast bewährt: "Inhaltlich versuchen wir natürlich spannende Geschichte und Karrieren zu erzählen. Das muss aber nicht zwangsläufig eine jahrelange Musikbusiness-Karriere sein, sondern kann auch jemand sein, der innovative Ideen umsetzt, die wir so sichtbar machen können", erklärt Alexander Schröder. Regelmäßigkeit ist dabei für alle Befragten ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg, um die Hörer*innenzahl nicht nur auf-, sondern auch auszubauen.
Zudem sollte es für alle Podcaster*innen eine Motivation sein, die Interessen der Zielgruppen zu kennen und im Podcast aufzugreifen. Denn mit deren Gunst steht und fällt der Erfolg des Audioangebots. So können Saskia Worf und Manuel Hilleke konkret von mehreren "Endlich spricht mal jemand darüber!"-Reaktionen berichten. Sich mit den Zielgruppen auseinanderzusetzen, kann zudem helfen, weitere Hörer*innen zu erreichen, wie Julian Stahl erklärt: "Wir überlegen uns bei jeder Folge, wen das Thema und der Gast noch zusätzlich ansprechen könnte, um über den engen Kreis gezielt Menschen zu erreichen, die sich mit den Themen und Fragen des Podcasts identifizieren."
Mit Musikgeschichten Geld verdienen?
Ob mit einem Podcast Geld verdient werden kann und soll, ist auch immer abhängig von der dahinterstehenden Institution und dem damit verbundenen Ziel. Während Daniela Bartels "Mehr als Töne" als Bestandteil ihrer Lehrtätigkeit sieht, versucht PODIUM Essling laut Julian Stahl, diese "durch die Einbindung von Förderern (aktuell die Kunst- und Kulturstiftung der Sparda Bank Baden-Württemberg)" zu finanzieren.
Musikgeschichten wie erzählen?
Abhängig von der Herangehensweise sind auch die Formate der Podcasts. Basiert dieses vor allem auf dem Gespräch der Podcaster*innen miteinander, können Gäste in Spezialfolgen oder Live-Aufzeichnungen ein Highlight sein. Bilden Gäste allerdings die Ausgangslage, wie beim PODIUM, REDFIELD oder BACKSPIN Podcast, können Formate wie Fan-Podcasts spannend sein, um verschiedene Blickwinkel auf das Thema einzufangen. So macht für Niko Hüls gerade das den Reiz an seinem Podcast aus: "Es ist eine schöne Erfahrung, dass es - egal ob in der Politik, der Wirtschaft oder Industrie, oder im künstlerischen - so viele Menschen gibt, die mit der Musik großgeworden sind und dadurch auch kleine Geschichte dazu erzählen können." Dabei ist der BACKSPIN Podcast auch ein gutes Beispiel dafür, wie durch eine Kombination mehrerer Formate ein buntes Angebot entstehen kann. So bietet er den Hörer*innen Plattenkritiken und Interviews, vermittelt aber auch HipHop-Fachwissen. Dabei muss es nicht das typische Frage-Antwort-Prinzip sein, nach dem der Gast interviewt wird. Interessanter und für die Hörer*innen mitreißender sind dabei die persönlichen Gespräche auf Augenhöhe zwischen Podcaster*in und Gästen, wie es neben den befragten Podcasts auch Tocotronic-Mitglied Jan Müller in seinem "Reflektor" Podcast macht. Damit können nicht nur die jeweiligen Karrieren der Gäste, sondern auch ihr Werk umfassend betrachtet und von ihnen selbst reflektiert werden.
Weiterhin kann es spannend sein, einzelne Podcast-Folgen komplett "Gast-Podcaster*innen" zu überlassen, wie Daniela Bartels erzählt: "Wenn die Studierenden Folgen produzieren, gehen sie vom Oberthema eines Seminars aus. Sie überlegen dann in kleinen Gruppen, mit welchem praxisrelevanten Thema sie sich auseinandersetzen möchten." Damit gibt sie nicht nur anderen Musikpädagog*innen Raum für deren Ideen, sondern unterstützt zudem die heranwachsende Generation dabei, sich mit dem aktuellen Diskurs und ihrer zukünftigen Arbeit auseinanderzusetzen.
Zudem muss ein Thema nicht zwingend in einer Podcast-Folge besprochen werden. So haben sich Daniel Siebert und Sean Prieske beispielsweise über zwei Folgen mit "Der Aneignung von Musiken" beschäftigt, wobei die Folgen hierbei kürzer als üblich sind und das komplexe Thema für die Hörer*innen damit in gutverdaulichen Häppchen aufgearbeitet ist. Ganze Staffeln auf ein bestimmtes Thema produziert darüber hinaus der Podcast "Pop kann alles" von lautgut und erzählt dabei "deutsche Pop-Geschichten, die nicht jeder kennt". So befassen sich die dahinterstehenden Podcaster Nilz Bokelberg und Thorsten Groß in der ersten Staffel "Gitarren statt Knarren" mit der Klaus Renft Combo aus der DDR. Dabei nehmen sie die Hörer*innen nicht nur mit auf eine Reise durch die Band- und deutsch-deutsche Geschichte: Aus einer Kombination von Kneipengesprächen und Interviews, Collagen, Soundbites und Songsnippets sowie Zitaten entsteht hier am Ende der Staffel ein umfassendes Bild über einen Teil der Musikgeschichte und die (kultur-)politischen Besonderheiten eines Landes, das es nicht mehr gibt. Eine Herangehensweise, die auch für andere Kulturthemen funktioniert.
Musikgeschichten erfolgreich erzählen?
Alle der befragten Podcaster*innen berichten über ein stetiges Wachstum ihrer Hörer*innenzahlen. Diese hängt natürlich von der Größe der Zielgruppe ab, wobei der Erfolg von Nischenpodcasts nicht an konkreten Zahlen festgemacht werden kann oder muss. "Wenn pro Monat zurzeit etwa 300 bis 350 Menschen in den Podcast reinhören, ist das für ein kleines Fach wie die Musikpädagogik schon eine echt erfreuliche Zahl", erklärt Daniela Bartels. Ähnlich geht das auch Daniel Siebert und Sean Prieske: "Da Musikwissenschaft ein Nischenfach ist, sprechen wir eher eine kleinere, spezialisierte Zielgruppe an. Dafür sind unsere Hörer*innen sehr treu, sobald sie uns einmal gehört haben".
Die Hörer*innenzahl kann auch themen- oder gastabhängig sein, wie Niko Hüls berichtet: "Je nach Gast schnellen die Hörerzahlen auch mal nach oben, wie zum Beispiel bei Felix Lobrecht. Aber das Format ist auch extra darauf ausgelegt, manchmal nischige und kleinere Gäste zu haben, wo es weniger um die Reichweite als mehr um die Position geht." Dieser Ansatz hat sich auch beim Redfield Podcast bewährt: "Inhaltlich versuchen wir natürlich spannende Geschichte und Karrieren zu erzählen. Das muss aber nicht zwangsläufig eine jahrelange Musikbusiness-Karriere sein, sondern kann auch jemand sein, der innovative Ideen umsetzt, die wir so sichtbar machen können", erklärt Alexander Schröder. Regelmäßigkeit ist dabei für alle Befragten ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg, um die Hörer*innenzahl nicht nur auf-, sondern auch auszubauen.
Zudem sollte es für alle Podcaster*innen eine Motivation sein, die Interessen der Zielgruppen zu kennen und im Podcast aufzugreifen. Denn mit deren Gunst steht und fällt der Erfolg des Audioangebots. So können Saskia Worf und Manuel Hilleke konkret von mehreren "Endlich spricht mal jemand darüber!"-Reaktionen berichten. Sich mit den Zielgruppen auseinanderzusetzen, kann zudem helfen, weitere Hörer*innen zu erreichen, wie Julian Stahl erklärt: "Wir überlegen uns bei jeder Folge, wen das Thema und der Gast noch zusätzlich ansprechen könnte, um über den engen Kreis gezielt Menschen zu erreichen, die sich mit den Themen und Fragen des Podcasts identifizieren."
Mit Musikgeschichten Geld verdienen?
Ob mit einem Podcast Geld verdient werden kann und soll, ist auch immer abhängig von der dahinterstehenden Institution und dem damit verbundenen Ziel. Während Daniela Bartels "Mehr als Töne" als Bestandteil ihrer Lehrtätigkeit sieht, versucht PODIUM Essling laut Julian Stahl, diese "durch die Einbindung von Förderern (aktuell die Kunst- und Kulturstiftung der Sparda Bank Baden-Württemberg)" zu finanzieren.
Stehen allerdings wie bei Redfield oder BACKSPIN Unternehmen hinter dem Podcast oder wie bei "Musikgespräch" und "Die Musikerschmiede" Einzelpersonen, ist eine Monetarisierung des Audioangebots nicht ausgeschlossen. Sean Prieske und Daniel Siebert sowie Niko Hüls geben dabei an, dass Gespräche dazu in Arbeit sind bzw. derzeit daran gearbeitet wird. Damit können Finanzierungsmöglichkeiten wie Verträge mit Streaming-Anbietern, bei denen der Podcast exklusiv erscheint, gemeint sein oder die Einbindung von Werbung, die auch in der deutschsprachigen Podcast-Landschaft inzwischen durchaus üblich ist. Für Alexander Schröder ist ein Werbepartner dann interessant, wenn dieser "den Hörerinnen und Hörern einen Mehrwert bietet". Werbeeinspieler können beispielsweise als "Diese Folge des Podcasts XY wird Ihnen präsentiert von" eingebunden werden oder als von den Podcaster*innen eingesprochene, mitunter auch humorvolle Werbetexte, die auch individualisierte Rabattcodes für die jeweiligen Podcasts enthalten können. Zudem gibt es Unternehmen, die über mehrere Folgen hinweg Werbepartner sind und in ihren Werbeeinspielern fortlaufende Geschichten erzählen (LinkedIn macht das beispielsweise im "Susi"-(Hörspiel)-Podcast).
Weitere Musikgeschichten erzählen!
Prinzipiell sehen alle Befragten für Musikpodcasts große Potenziale - sonst würden sie wahrscheinlich selbst keinen machen. Für Daniel Siebert und Sean Prieske ist es vor allem die Sichtbarkeit ihrer Disziplin: "So kann Musikwissenschaft aus den Akademien und Hörsälen heraustreten und ein großes Publikum erreichen. Wichtiger ist jedoch, dass wir persönlich Freude beim Gespräch über Musik und das Teilen von Wissen haben. Und wenn wir diese Freude auf unsere Hörer*innen übertragen können, hat der Musikgespräch-Podcast mehr erreicht, als wir uns beim ersten Fantasieren über einen Musikwissenschaftspodcast je hätten erträumen können", erklären die beiden. Ähnlich erachtet es auch Daniela Bartels, die insbesondere die "Leichtigkeit der Informationsvermittlung" durch Podcasts als großes Potenzial auch für komplexe Themen sieht. Für Kultureinrichtungen mit Fokus auf Musik, die bisher in der Podcastlandschaft sehr rar gesäht sind, können Podcasts daher neue Möglichkeiten in der Vermittlungsarbeit bieten. Warum denn nicht mal im Podcast ein musiktheoretisches Phänomen erklären und abschließend auf ein Konzert des eigenen Hauses hinweisen, in dem das zu hören ist?
Allerdings muss man auch die Konkurrenz im Auge behalten. Denn immer mehr Medienhäuser erkennen diese Potenziale, was möglicherweise auch die Vielzahl an HipHop-Podcasts erklärt. Ihren Ressourcen und Know-how entsprechend können sie qualitativ sehr hochwertige Produktionen anbieten. Julian Stahl empfiehlt daher allen angehenden Podcaster*innen der Musikbranche: "Vor dem Start genau überlegen, was die Motivation, das Ziel und die Besonderheit des eigenen Podcasts sein kann, welches Format der Podcast bekommen soll und welche Ressourcen zur Verfügung stehen."
Wer eine weitere Lücke mit einem eigenen Podcast schließen will, kann auch den Blick über den eigenen Tellerrand in angrenzende Branchen wagen. Daher nun abschließend ein (unvollständiger) Überblick zu Podcasts aus dem Literatur- und Tanzbetrieb sowie der Filmindustrie. Und wer generell noch weitere Hör-Empfehlungen hat, kann diese gern in die Kommentare schreiben.
Podcasts aus der Filmbranche
- Brainflicks - Im "Podcast über Psychologie im Film" betrachten Christiane Attig (Psychologin) und Julius Herold (Filmfreak) bestimmte psychologische Aspekte in ausgewählten Filmen näher.
- Closeup - Ein Podcast übers Filmemachen - Damit der Name Programm ist, sprechen die Filmakademie-Mitglieder Susanne Bormann und Christian Schwochow jede Woche im Wechsel mit ihren Kolleg*innen der Deutschen Filmakademie darüber, wie Filme entstehen und was das Besondere ihres Berufs ist.
- Indiefilmtalk-Podcast - Der Filmemacher Yugen Yah und die Theaterwissenschaftlerin Susanne Braun möchten mit diesem Podcast die Akteur*innen der Indiefilmbranche näher zusammenbringen und sprechen dazu mit verschiedenen Gästen, wie Regisseur*innen, Schauspieler*innen, Komponist*innen oder Produzent*innen über das Filmemachen.
- Kack- & Sachgeschichten - Dass Filmwissenschaft zwar gut recherchierte Hintergrundgeschichten braucht und tiefgründige Fragen stellen muss, diese aber sehr humorvoll und leicht verpackt sein können, zeigen Fred Hilke, Richard Ohme und Tobi Aengenheyster mit diesem Podcast, der mit über 130 Folgen bereits einen Kultstatus erreicht hat (Stand Mai 2020).
- Setfunk 5 - In diesem Filmemacher-Podcast sprechen Johannes Gall und Simon Knobloch über ihre Arbeit als Producer und Kameramann, über Veränderungen in der Branche und Technikneuheiten.
Podcasts aus dem Literaturbetrieb:
- Nachts im Buchladen - In diesem Podcast trifft sich Jenny Heimann Nach Ladenschluss mit verschiedenen Buchhändler*innen in deren Läden und spricht mit ihnen u.a. über die Entwicklungen des Buchmarktes.
- Seite 37 - Ein Literatur-Podcast von detektor.fm, in dem Literaturfreund*innen gemeinsam mit Franziska Wilhelm und Claudius Nießen den "großen Themen der Literaturwelt nachspüren" können.
Podcasts aus der Tanzszene
- "Einfach tanzen"-Podcast - Heidemarie A. Exner widmet sich in diesem Format für Tanzschaffende und Tanzinteressierte allen Themen der deutschsprachigen Tanzszene.
** Die hier vorgestellten Formate stellen nur eine Auswahl von Best Practices dar. Es gibt natürlich noch viele weitere, sehr gute Musik-Podcasts.
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