19.02.2016
Themenreihe Besucherforschung
Autor*in
Marie Carolin Bartsch
Annika Sommerfeld
Christoph Traxel
Jürgen Weintz
ist Professor für Kulturarbeit sowie Kulturmanagement an der Hochschule Niederrhein. Er studierte Erziehungswissenschaften und war als Theaterpädagoge, Kulturmanager, Unternehmensberater und Coach (DGfC) tätig, unter anderem als langjähriger Geschäftsführer der Akademie Off-Theater nrw.
Studie zu Kulturbesucher und Nichtbesucher
Prägungen, Interessen, Barrieren und Anreizfaktoren
Der Studiengang Kulturpädagogik und Kulturmanagement der Hochschule Niederrhein hat im Raum Mönchengladbach eine Untersuchung zu den Hintergründen von Kulturbesuchern und Nichtbesuchern durchgeführt. Ihre Ergebnisse zeigen unter anderem, dass der sozialen und der Unterhaltungskomponente als Anreizfaktoren für Kulturbesuche eine große Bedeutung zukommt als etwa der künstlerischen Qualität.
Themenreihe Besucherforschung
Der Herausforderung, die vorhandenen Besucher zu Stammbesuchern zu entwickeln und zusätzlich neue, auch kulturfernere Kulturpublika zugewinnen, versuchen Kulturmanager, Kulturvermittler und Kulturschaffende mit stärkerer Publikumsorientierung und Besucherforschung zu begegnen. In unzähligen Forschungsprojekten standen dabei bisher die Kern- und die Gelegenheitsbesucher im Mittelpunkt, obwohl diese zusammen lediglich knapp 60 % der Bevölkerung umfassen. Nur wenige Studien haben sich mit sogenannten Nichtnutzern befasst.
Methode der Studie
Im Fokus der im Wintersemester 2014/15 durchgeführten Besucher-/Nichtbesucher-Befragung der Hochschule Niederrhein standen die Nutzung der städtisch betriebenen Kultureinrichtungen in Mönchengladbach, die kulturellen Vorlieben, die prägenden Einflussfaktoren sowie objektive oder subjektive Barrieren, die einem Kulturbesuch entgegenstehen. Die Befragung war rein quantitativ ausgerichtet. Insgesamt wurden 323 Personen befragt.
Die Zusammensetzung der Befragten: 56 % der Befragten waren weiblich und 43 % männlich. Alterszusammensetzung: 12-17 Jahre (12 %), 18-25 Jahre (25 %), 26-35 Jahre (10 %), 36-49 Jahre (15 %), 50-65 Jahre (19 %) sowie 66 Jahre und älter (19 %). Die Befragten wiesen eine starke Variation in der Bildung auf: 8 % hatten zum Befragungszeitpunkt keinen Abschluss, 20 % einen Hauptschulabschluss, 23 % die Mittlere Reife, 21 % die Fachhochschulreife und 28 % das Abitur. Zudem hatten 49 % der Befragten eine abgeschlossene Berufsausbildung und 14 % ein abgeschlossenes Studium.
Fünf Besuchergruppen
In der Befragung wurde gemessen an der Zahl der Kulturbesuche pro Jahr eine Einteilung in Nicht- (keinmal), Gering- (1-2-mal), Mehrfach-, (3-4-mal) Häufig- (5-10-mal) und Vielbesucher (mehr als 10-mal) vorgenommen. Diese bietet Ansatzpunkte, um Kulturvermittlungsangebote und Kommunikationsmaßnahmen differenziert planen zu können.
Vor diesem Hintergrund umfasste die Gruppe der konsequenten Nichtbesucher, die nur schwer zu gewinnen sein dürfte, 16 % also eine recht geringe Quote. Für Kommunikationsstrategien interessant, da grundsätzlich einem Kulturangebot gegenüber nicht abgeneigt, erscheinen die Geringbesucher mit einem Anteil von 35 % sowie die Mehrfachbesucher mit 27 %. Rechnet man die Häufigbesucher mit 13 % hinzu, ergibt dies eine Summe von 75 % erreichbaren Besuchern, die für eine häufigere Wahrnehmung von Kulturangeboten gewonnen werden könnten.
Kulturbesuche nach Altersgruppen und Bildungsabschluss
Vergleicht man die Altersgruppen mit der Quote der Kulturbesuche pro Jahr, zeigen sich die 50- bis 65-Jährigen als konstante Zielgruppe, die besonders häufig Kulturveranstaltungen besucht (siehe Grafik).
Aus dem Vergleich des Schulabschlusses mit der Zahl an Kulturbesuchen ist ersichtlich, dass Befragte ohne Abschluss tendenziell kaum Kulturveranstaltungen besuchen (fast 40 %). Im Bereich der Geringbesucher sind Befragte mit allen Schulabschlüssen gleichmäßig vertreten (zwischen 30 und 40 %). Die Abiturienten stellten die größte Gruppe unter den Häufig- und Vielbesuchern, gefolgt von den Befragten mit (Fach-)Hochschulabschluss.
Kulturelles Interesse und Sozialisierung
Nach Ansicht der Befragten beeinflussen insbesondere Eltern/ Familie (42,07 %) sowie Freunde (39,79 %) die Weckung und Weiterentwicklung des kulturellen Interesses während der Jugendzeit. Etwas geringer fallen die Einflüsse durch Internet/ Presse/ Radio/ Fernsehen (26 28 %) sowie durch die Vereine (knapp 22,97 %) aus.
Die Ergebnisse bei der Frage nach der Begleitung unterstreichen den sozialen Nutzen von Kulturveranstaltungen, denn nur 17,03 % der Befragten sind bereit, Kulturangebote allein wahrzunehmen. Bei der Begleitung rangierten Freunde (65,02 %) weit vor Partnern (49,54 %) und Familienmitgliedern (43,34 %).
Objektive und subjektive Barrieren für einen Kulturbesuch
Grundsätzlich kann zwischen objektiven sowie subjektiven oder psychosozialen, in der Person oder ihrem sozialen Umfeld begründeten, Barrieren unterschieden werden. In der Einschätzung der Befragten stellten die objektiven Barrieren wie fehlende Zeit (56,66 %), mangelnde finanzielle Mittel (33,44 %) sowie fehlendes passendes Angebot (34,98 %) die größten Hinderungsgründe für Kulturbesuche dar. Dagegen hatten die subjektiven Hindernisse wie fehlendes Interesse (20,74 %), fehlendes Vorwissen (13,93 %) sowie das Fehlen einer passenden Begleitung (16,72 %) einen geringeren Stellenwert.
Anreizfaktoren
Hilfreiche Anregungen für kulturvermittelnde Strategien bietet auch die Analyse von Bedürfnis- bzw. Anreizfaktoren für einen Kulturbesuch. Am häufigsten wurden Faktoren wie Unterhaltung (79,57 %), gute Atmosphäre (63,47 %) und das gemeinsame Erleben in Begleitung (47,68 %) genannt. Die Bedeutung des sozialen Nutzens unterstreicht die Quote in puncto Austausch und Begegnung mit neuen Leuten (32,2 %). Mit 42,11 % ist auch das eigene Bildungsbedürfnis ein Anreizfaktor. Mit nur 43,96 % nimmt die künstlerische Qualität nur Platz 5 ein.
Fazit
Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Gruppe der kaum erreichbaren Nichtbesucher mit 9 % innerhalb der Mönchengladbacher Bevölkerung kleiner ist als angenommen. Kulturvermittlungsstrategien sollten daher die Gering- und Mehrfachbesucher (ein Anteil von insgesamt 62 %) verstärkt einbeziehen, da hier ein grundsätzliches Interesse am Kulturbesuch besteht, dieser aber an verschiedenen Barrieren scheitert.
Die Ergebnisse unterstreichen den Zusammenhang von höherem Bildungsabschluss und häufigerem Kulturbesuch. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Gruppe der 5065-Jährigen die meisten Kulturbesuche unternimmt. Ihr könnte durch spezielle Kulturvermittlungsangebote oder Service-Add ons Rechnung getragen werden. Die gewonnenen Resultate rücken auch die Bedeutung des sozialen Umfelds für die Weckung und Auslebung des kulturellen Interesses in den Blickpunkt.
Den objektiven Besuchsbarrieren wie Zeit und Geld könnte mit erweiterten Öffnungszeiten oder Gebührenstaffelungen begegnet werden, die zudem die Begleitung durch Freunde berücksichtigen. Eher subjektiv bedingte Besuchshemmnisse wie fehlendes Vorwissen oder mangelndes Interesse könnten aufgefangen werden durch die Eröffnung von Anschlussmöglichkeiten für potentielle Besucher.
Nicht unbedingt bei der Gestaltung des Kernprodukts, aber des Veranstaltungsrahmens sollten die von Befragten artikulierten Bedürfnisse nach Spaß/ Unterhaltung, besonderer Atmosphäre und nach Austausch mit anderen Berücksichtigung finden. Den Kulturschaffenden wiederum sollte auffallen, dass bei den Befragten zwar ein Interesse an der künstlerischen Qualität der Angebote besteht, dieses aber nicht jene Stellung innehat, die die Einrichtungen selbst proklamieren.
Die ausführliche Version der Studie finden Sie hier.
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