26.11.2018
Themenreihe Zukunft der Arbeit
Autor*in
Petra Newrly
ist Leiterin des Projektteams Digitale Kultur bei der MFG Baden-Württemberg und seit mehreren Jahren dafür verantwortlich, neue Konzepte für den nachhaltigen Einsatz digitaler Medien in Kultur und Weiterbildung zu entwickeln und umzusetzen. Darüber hinaus berät sie kleine und mittlere Unternehmen aus der Kreativwirtschaft bei der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle.
Heike Kramer
ist Projektleiterin Digitale Kultur bei der MFG Baden-Württemberg und seit 2016 verantwortlich für Projekte und Coaching-Programme zur Unterstützung der Innovationskraft der Museen mittels Einsatz digitaler Medien.
Kristin Oswald
leitet die Online-Redaktion von Kultur Management Network. Sie studierte Geschichte und Archäologie in Jena und Rom sowie Social Media-Marketing in Berlin. Sie ist freiberuflich in der Wissenschaftskommunikation und im Museumsmarketing mit Schwerpunkt online tätig.
Transformation in öffentlichen Museen
Wie Fördergeber die Arbeitskultur verbessern können
Die MFG Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg setzt sich für die Stärkung des Kulturbereichs und der Kreativwirtschaft in Baden-Württemberg ein. Wir haben mit zwei Verantwortlichen im Team Digitale Kultur darüber gesprochen, welche Erfahrungen die MFG dabei mit dem Thema Zukunft der Arbeit im Museumsbereich gemacht hat.
Themenreihe Zukunft der Arbeit
Liebe Frau Newrly, liebe Frau Kramer, welche Programme der MFG Baden-Württemberg beschäftigen sich mit dem Thema Zukunft der Arbeit?
Petra Newrly: Ein Schwerpunkt unserer Arbeit ist, dass wir Unternehmen und Institutionen dabei unterstützen wollen, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln und fortzubilden, um fit für neue Herausforderungen insbesondere im Kontext der digitalen Transformation zu sein. Dabei spielen Aspekte der Zukunft der Arbeit in verschiedenen Programmen eine große Rolle, zum Beispiel im Coachingprogramm Museen 2.0, in dem wir Museen darin unterstützt haben, eine Roadmap für die digitale Strategieentwicklung zu erarbeiten. Ein anderes, EU-gefördertes Programm, das sich stärker an die Kreativwirtschaft wendet, ist DIGITRANS. Darin geht es um die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle, aber auch um die Transformation von Strukturen. Dafür haben wir eine eigene Innovationsmethode entwickelt, die wir an die Unternehmen herantragen und über eine Online-Plattform anbieten, so dass die Institutionen sie selbst in ihrem Arbeitsalltag anwenden können. Dabei geht es um Fragen wie: Wo stehen wir? Wer sind unsere Kunden? Und was wünschen sie sich? Daraus kann man dann neue Ideen entwickeln und das auch auf andere Kulturbereiche übertragen. Bei Museen geht es zum Beispiel um die Frage: Was wollen unsere Besucher*innen und unsere Mitarbeiter*innen? Auch das können Sie etwa mit dem Value Proposition Canvas von Alexander Osterwalder in den Fokus nehmen.
Die Zukunft der Arbeit umfasst verschiedenste Aspekte. Wo sehen Sie für den Kulturbereich dabei besonders wichtige Punkte? Was muss sich ändern, damit in der Kultur die Mitarbeiter*innen zufrieden sind und sich entfalten können?
Petra Newrly: Wir haben festgestellt, wie wichtig es ist, dass sich die Haltung innerhalb der Organisation wandelt hin zu einer Kultur der Offenheit. Die Kultureinrichtungen müssen auch Fehler zulassen, damit sie und ihre Mitarbeiter*innen aus ihren Erfahrungen lernen und neue Dinge erproben können. Und sie müssen versuchen, von vertikalen zu horizontalen Strukturen zu kommen und agile kollaborative Teams zu kreieren, die über Abteilungen hinweg zusammenarbeiten. Für den Arbeitsalltag der Mitarbeiter*innen bedeutet das, nicht mehr in Silos zu denken. In vielen Museen sind die einzelnen Abteilungen aber sehr undurchlässig, gerade wenn es darum geht, etwas von oben nach unten weiterzugeben. Das müsste man aufbrechen und die Eigenverantwortung der Mitarbeiter*innen stärken, so dass sie die Möglichkeit haben, eigenständig Entscheidungen treffen und Dinge entwickeln zu können. Das ist ein wesentlicher Punkt, der sich ändern müsste, um zukunftsfähig zu bleiben.
Heike Kramer: Dafür müssen natürlich sowohl die Leitungspositionen als auch die Mitarbeiter*innen den Mut und den Raum haben, öfter zu sagen: Ich probiere das jetzt einfach und mache was Neues. Das bedarf aber noch einigen Lernens, denn nicht jeder kann und will Verantwortung übernehmen. Wir können dabei nur Impulse setzen, sensibilisieren und aufklären. Wir vernetzen die Institutionen auch mit Experten. Aber das Ziel ist immer Hilfe zur Selbsthilfe, also dass die Organisationen in der Zeit der Förderung einen perspektivischen Plan entwickeln, wie sie sich nach und nach verändern können in Richtung ihrer eigenen Vision. Außerdem geben wir ihnen Werkzeuge an die Hand, kreative Methoden und digitale Tools, um innerhalb des Teams flexibel und schnell agieren zu können. Für all das ist lebenslanges Lernen ein wichtiger Punkt und so sollte die Direktion nicht nur durchlässiger werden, sondern die gesamte Organisation ins Lernen bringen. Das muss von oben visionär vorgelebt werden. Denn nach dem Ende unserer Arbeit mit den Häusern liegt es an der Organisation selbst und vor allem an der Direktion, inwiefern unser Input tatsächlich in den Arbeitsalltag übernommen wird.
Nun fördern Sie vor allem einzelne Einrichtungen im Rahmen Ihrer Programme. Wäre es aber nicht auch wichtig, solche Ansätze in der Breite zu implementieren?
Petra Newrly: Absolut! Wir versuchen, am Ende jedes Programms mit Transferveranstaltungen die Ergebnisse und Lessons Learned sichtbar zu machen, wir entwickeln Leitfäden, bieten Vernetzungsplattformen und die MFG Akademie. Das ist ein Weiterbildungsangebot für verschiedene Themen rund um Digitalisierung, Innovation usw. zu fairen Preisen. Wir merken, dass so etwas immer stärker nachgefragt wird, und versuchen, die Eigeninitiative der Kultureinrichtungen zu aktivieren.
Heike Kramer: Interessant ist in diesem Zusammenhang vielleicht, dass das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg gemeinsam mit uns gerade das Förderprogramm "Digitaler Wandel an nichtstaatlichen Museen im ländlichen Raum" ausschreibt. Bei diesem Programm geht ein Coaching in den Museen zur Projektentwicklung der finanziellen Förderung eines digitalen Projekts voraus. Ein solcher Ansatz kann tatsächlich in eine sehr nachhaltige Richtung gehen. Wir möchten, dass Kultureinrichtungen in neue Fahrwasser kommen und selbstgestaltend kompetent werden. Aber auch die Unterstützer müssen sich in diesen neuen Gewässern erst zurechtfinden, um zu verstehen, wie solche Veränderungen funktionieren und was Kulturinstitutionen brauchen.
Welche Hürden für die Umsetzung neuer Arbeitsmodelle gibt es Ihrer Erfahrung nach auf Seite der Kultureinrichtungen? Und worin liegen die Gründe hierfür?
Heike Kramer: Ein großes Problem ist sicher, dass die Arbeit in öffentlichen Kultureinrichtungen sehr verwaltungslastig ist. Das heißt, es müssen sich nicht nur die Kulturinstitutionen flexibilisieren, sondern auch die Träger. Auch hier muss als Allererstes an der Haltung gearbeitet werden. Daneben kann auch die technische Infrastruktur die Häuser unheimlich behindern. Zum Beispiel ist gerade bei Museen in städtischer Trägerschaft die IT-Infrastruktur meist bei der Stadtverwaltung angesiedelt. Das ist oft mühsam und gestaltet offenes und kollaboratives Arbeiten mit Hilfe digitaler Tools gerade in Museumsverbünden wirklich schwierig. Um das zu ändern, dürfen auch die Kultureinrichtungen nicht müde werden, ihre Träger immer wieder darauf anzusprechen. Ein Beispiel dafür, wie man diese Problematik aufzeigen kann, wäre, dass wir für Webinare zum Teil stundenlange technische Vorarbeit brauchen, damit die Häuser daran teilnehmen können. Das geben wir dann auch den Entscheidungsträgern so weiter, quasi als Begleiterscheinung unserer Coachings: Hier gibt es ein Problem und es muss an einer Lösung gearbeitet werden.
Wo sehen Sie in Hinblick auf neues Arbeiten noch offene Kompetenzbedarfe auf Seiten der Kulturschaffenden? Und wie können diese angegangen werden?
Petra Newrly: Klar brauchen die Kultureinrichtungen zum Beispiel mehr technische Fähigkeiten. Aber auch so etwas wie kollaboratives, offenes Arbeiten ist für viele noch ungewohnt. In unseren Pilotprojekten schaffen wir interdisziplinäre Teams aus unterschiedlichen Abteilungen. Und da sehen wir wie viel Unterstützung diese oft brauchen, um gemeinsame Arbeitsprozesse für sich zu finden. Neben Tipps und Tools helfen auch Erfahrungstausch und ein iteratives Vorgehen, bei dem man diese Prozesse immer wieder reflektiert und anpasst. Den Mut zum Ausprobieren und die Offenheit, Wissen zu teilen, braucht es in allen Bereichen. Kolleg*innen etwas mitzugeben und gemeinsam Dinge zu entwickeln, ist aufgrund der abgeschlossenen Abteilungen immer noch eine Herausforderung. Zu solchen Veränderungsprozessen gehören also viele unterschiedliche Kompetenzen, und das decken viele Personalprofile noch gar nicht ab, weil sich die Leitungsebenen in vielen Fällen noch nicht bewusst machen, was sie brauchen.
Heike Kramer: Oft ist gar nicht klar, was denn konkret gekonnt werden muss für die Weiterentwicklung innovativer Projekte oder neuer Visionen. Aber es gibt auch Häuser, die schon sehr fortgeschritten sind und zulassen, dass ihre Mitarbeiter*innen sich in eine bestimmte Richtung entwickeln können, weil das sowohl für die Häuser als auch für die Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen wichtig ist. Ein Beispiel ist das Badische Landesmuseum in Karlsruhe, das wir im Rahmen von Museen 2.0 unterstützt haben. Dort werden im Projekt Creative Collections unter der Leitung von Johannes Bernhardt die Bürger*innen systematisch in die Neuausrichtung des Museums eingebunden. Dazu haben wir zusammen mit einem Innovationscoach ein Webinar veranstaltet und darin einen methodischen Prozess initiiert, damit der Bürgerbeirat konstruktiv mitarbeiten kann. Der Museumsdirektor Herr Köhne hat dabei ein klares Signal gegeben, dass Mitarbeiter*innen geschult werden sollen, um den Beirat betreuen zu können. Und es war klar, dass der Projektleiter und der Direktor sich damit beschäftigen müssen, wer dabei für welche Aufgabe geeignet ist und in welcher Form mit welcher Finanzierung sie geschult werden können. Genau solche Prozesse möchten wir gerne initiieren.
Ein weiteres Beispiel ist das Staatliche Museum für Naturkunde Stuttgart. Dort ging es für das Projekt "Museum macht Evolution" um die Neugestaltung eines Ausstellungsbereichs zusammen mit der Öffentlichkeit und um kollaboratives Arbeiten im Team. Hier wenden die Mitarbeiter*innen heute bestimmte digitale Tools und Methoden, die wir mit ihnen eingeführt haben, auch teilweise im Arbeitsalltag an. Und sie tauschen sich intern abteilungsübergreifend und mit den Besucher*innen stärker darüber aus, was sie besser machen können. Mit diesen Iterationen starten sie dann schnell kleine Veränderungen und nehmen die Erfahrungswerte wieder in die nächsten Aktivitäten mit. Das ganze befindet sich allerdings nach wie vor am Anfang und ist ein organisationaler Entwicklungsprozess.
Was können andere Förderer und Kultureinrichtungen von Ihren bisherigen Projekten lernen, wenn es um ein neues Arbeiten im Kulturbereich geht?
Petra Newrly: Wir haben festgestellt, wie wichtig es ist, dass man auf die Bedarfe der einzelnen Einrichtungen eingeht und schaut, was tatsächlich Sinn macht. Auch der erfahrungsbasierte Ansatz hat sich als sehr gut erwiesen, den Häusern den Mehrwert des iterativen Arbeitens aufgezeigt und den Aspekt der Fehlerkultur stärker in den Fokus gerückt.
Heike Kramer: Darüber hinaus ist es für die Kultureinrichtungen nach unserer bisherigen Erfahrung hilfreich, wenn auch die Unterstützer Netzwerke initiieren und Brücken bauen, damit die Museen zum Beispiel auf kleine mittelständische Unternehmen schauen können, die beim Einführen neuer Arbeitsweisen oft ebenso mit historisch gewachsenen hierarchischen Strukturen umgehen lernen müssen. Die Kulturschaffenden also über den Tellerrand hinausblicken zu lassen, um sich Inspiration zu holen.
Das Interview führte Kristin Oswald.
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