13.09.2023
Themenreihe Personal
Autor*in
Dirk Schütz
ist Gründer von Kultur Management Network und der Kulturpersonal GmbH. In den Bereichen Führung, Personalmanagement und Organisationsentwicklung arbeitet er als Berater, Coach und Trainer und unterrichtet als Dozent an Kulturmanagement-Studiengängen im deutschsprachigen Raum.
Julia Jakob
studierte Musikwissenschaft und Kulturmanagement in Weimar. Praktische Erfahrungen im Kulturbetrieb sammelte sie bei unterschiedlichen Festivals und in verschiedenen Veranstaltungsbüros sowie als Agentin bei weim|art e. V. Seit 2021 ist sie die Chefredakteurin des Kultur Management Network Magazins und stellvertretende Leiterin der Redaktion.
Um die Zukunft des Kulturbetriebs werben
Ein attraktiver Arbeitsplatz mit Zukunft?!
Neues Personal zu finden, ist für den Kulturbetrieb vielleicht so schwierig wie noch nie. Mit einer attraktiven und realistischen Arbeitgebermarke können die Häuser nicht nur potenzielle Mitarbeiter*innen von sich überzeugen, sondern auch langfristig binden. Inwieweit Kultureinrichtungen die Potenziale des Employer Brandings bereits nutzen, erklärt Personalexperte Dirk Schütz.
Themenreihe Personal
Lieber Dirk, warum wird es für den Kulturbetrieb immer wichtiger, sich als attraktive Arbeitgebermarke zu positionieren?
Dirk Schütz: Zum einen hat sich der Arbeitsmarkt in den letzten Jahren verändert: So zeigen die demografischen Daten, dass es sehr viele angehende Rentner*innen gibt und zugleich weniger Absolvent*innen entsprechender Studiengänge oder Ausbildungsberufe, die als Bewerber*innen für den Arbeitsmarkt Kultur zur Verfügung stehen. Diesen bestehenden Fachkräftemangel hat die Coronakrise noch verstärkt. Potenzielle, aber auch bestehende Arbeitnehmer*innen haben die Branche verlassen und sich umorientiert. Damit reduziert sich das Feld qualifizierter Mitarbeiter*innen. Stellenanbietende müssen demnach größere Anstrengungen betreiben, um überhaupt die richtigen Leute zu finden.
Hinzukommt, dass der Kulturbetrieb durch verschiedene Debatten und öffentlich gewordene Skandale an Attraktivität als Arbeitsplatz verloren hat. Das betrifft etwa das Thema Geschlechtergerechtigkeit, aber auch Machtmissbrauch und die dahinterstehenden, reformbedürftigen Strukturen. Das macht es für potenzielle Bewerber*innen, vor allem für junge Menschen, weniger reizvoll, den Weg in den Arbeitsmarkt Kultur zu wagen. Sie gehen stattdessen in die Wirtschaft oder andere Arbeitsbereiche. Denn neben höheren Gehältern werden den Arbeitnehmer*innen noch weitere Vorteile wie flexible Arbeitszeiten oder Weiterbildungsmöglichkeiten u.v.m. geboten. Kultureinrichtungen müssen als potenzielle Arbeitgeber also schauen, wie sie diese Nachteile ausgleichen können, um dennoch mithalten zu können. Warum also nicht über verkürzte und flexiblere Arbeitszeiten nachdenken oder über eine Option Homeoffice, wo das möglich ist? Darüber hinaus ist das Arbeitsklima ein wichtiges Kriterium für die Attraktivität eines Arbeitsplatzes. Wie ist das Team und welchen Rückhalte bekomme ich dort? Wie werde ich eingearbeitet? Welche Weiterbildungsmöglichkeiten, aber auch Karriereoptionen habe ich? Kann ich Verantwortung übernehmen oder werden mir nur enge Grenzen zur Entfaltung zugestanden?
Was können Kulturbetriebe sich demnach von der Wirtschaft noch abschauen, um attraktivere Arbeitgebermarken zu entwickeln?
DS: Von den Anstrengungen, die Wirtschaftsunternehmen jeglicher Größe betreiben, um das beste Personal auf sich aufmerksam zu machen und es zu gewinnen, kann der Kulturbetrieb viel lernen. Welche Formate, Plattformen und Kanäle nutzen diese, um sich als Arbeitgeber zu zeigen? Messen jeglicher Art sowie die unterschiedlichsten internen Veranstaltungen werden hier zum Beispiel genutzt und angeboten. Gleichzeitig wird geschaut, wo potenzielle Mitarbeiter*innen sich über solche Veranstaltungen hinaus über den Berufseinstieg und Jobangebote informieren. Je nachdem, welche Zielgruppe angesprochen werden soll, müssen entsprechende Kanäle - auch in den sozialen Medien - berücksichtigt werden. Jüngere Zielgruppen können etwa auf Instagram, Youtube oder TikTok angesprochen werden, während ältere Zielgruppen eher auf Facebook oder auf Karriereplattformen wie Xing und LinkedIn zu finden sind. Auch regionale und lokale Plattformen werden genutzt, um darüber zu informieren, was eine Organisation als Arbeitgeber ausmacht und warum es Sinn macht, ins Unternehmen einzusteigen - egal in welcher Karrierestufe. Unternehmen nutzen zudem eigene Werbekampagnen, um auf sich als Arbeitgeber aufmerksam zu machen und Karrierechancen in Stories zu vermitteln.
Das alles sind Themen, die das Employer Branding umfasst. Wie ist der Kulturbetrieb dabei bisher generell aufgestellt?
DS: Das Thema Employer Branding spielt im Kulturbetrieb bisher keine große Rolle. Das hängt auch damit zusammen, dass sich Personalmanagement erst seit einigen Jahren als Arbeitsbereich in Kultureinrichtungen professionalisiert. Employer Branding meint dabei zunächst, eine attraktive Arbeitgebermarke zu kreieren, zu kommunizieren und sich als Arbeitgeber im Arbeitsmarkt zu präsentieren und entsprechende Zielgruppen anzusprechen. Dazu gehört auch, frühzeitig Talente als Arbeitnehmer*innen auf sich als potenziellen Arbeitgeber aufmerksam zu machen und so entscheidende Vorteile - gegenüber anderen Arbeitgebern - bei der Besetzung von Stellen zu erlangen.
Um insbesondere die jungen Kulturschaffenden für sich zu gewinnen, wäre es also wichtig, sich um diese spätestens während des Studiums zu bemühen. Inwieweit nutzt der Kulturbetrieb bereits seine Potenziale in der Nachwuchsförderung?
DS. Hier gibt es noch sehr viel Aufholbedarf. Ich kenne beispielsweise nur wenige Kultureinrichtungen, die intensiv mit Studiengängen zusammenarbeiten. Das wäre ein guter erster Schritt. Denn wenn man die Inhalte des Studiums kennt, kann man zum einen schauen, inwieweit sich diese mit den Anforderungen des Hauses decken. Zum anderen können die besten Talente hier direkt angesprochen und gefördert werden, sodass sie nach dem Studium den Weg in die eigene Organisation finden (bspw. über unsere Abschlussarbeitenbörse).
In Deutschland sind einige wenige Kulturmanagement-Studiengänge durch direkte und nachhaltige Verbindungen zu Kultureinrichtungen - auch durch die Lehrenden - gut aufgestellt. Zudem gibt es eigene Plattformen, um etwa StartUps aus den Studiengängen heraus zu fördern, oder durchdachte Praktikumsprogramme. Gute Beispiele kenne ich z.B. aus den Niederlanden. Dort arbeiten einige Studiengänge und Kultureinrichtungen bereits bei der Vermittlung von Praktikumsangeboten eng zusammen. Hier werden zunächst gezielt Arbeitgeber angesprochen, mit Studieninhalten und dem dabei vermittelten Know-how vertraut gemacht, Erwartungen abgeglichen und gemeinsam Qualifikations- und Erfolgskriterien für beide Seiten, also Praktikant*in und Arbeitgeber, entwickelt und evaluiert. Praktikant*innen können so eine größtmögliche Wirkung im Praktikum erzielen und sich gezielt praxisnah weiterbilden. Arbeitgeber können gleichzeitig potenzielle Arbeitnehmer*innen ansprechen, auswählen, fördern und an die Organisation binden. Eine Win-Win-Win-Situation, denn alle Seiten lernen und profitieren davon, auch die Studiengänge. Das ist natürlich mit einem entsprechenden Arbeitsaufwand verbunden, der sich aber definitiv auszahlt.
Wie ist es darüber hinaus um die Ansprache potenzieller Beweber*innen im Kulturbetrieb bestellt? Was gilt es hier zu beachten?
DS: Leider nutzen viele Kulturbetriebe bisher nicht einmal die einfachsten Mittel zur Ansprache oder Information potenzieller Bewerber*innen, etwa über die eigene Webseite. Statt hier wichtige Informationen zu Stellenangeboten, zur Organisation als Arbeitgeber und dem Bewerbungsprozess gut sichtbar zu platzieren, werden diese auf Unterseiten versteckt - dies zieht sich durch alle Sparten und Größen von Kultureinrichtungen. Immer mehr Einrichtungen haben aber das Potenzial von Plattformen wie unserem Stellenmarkt Kulturmanagement erkannt, um zielgerichtet potenzielle Arbeitnehmer*innen anzusprechen. Allerdings scheuen viele sich noch immer, detailliertere Infos zu sich und dem Arbeitsalltag zu geben, die eigene Organisation in der Ausschreibung darzustellen, das eigene Corporate Design zu verwenden und die Stellenanzeige individuell zu gestalten, bis hin zu Bildern oder aussagekräftigen Informationen zur Stelle selbst - etwa zu Gehalt, was die Bewerber*innen über die Aufgaben der Stelle hinaus erwartet, welche Werte eine Organisation vertritt, welchen Stellenwert Mitarbeiter*innen haben oder was ihnen am Arbeitsplatz geboten wird.
Im Stellenmarkt Kulturmanagement buchen Stellenanbieter*innen immer öfter Top-Einträge, sie schalten also für ihre Jobangebote Werbung. Das war früher undenkbar. Wie ist dieser Wandel der Zahlbereitschaft zu erklären?
DS: Zum einen haben viele Kultureinrichtungen erkannt, dass über den Stellenmarkt Kulturmanagement eine qualifizierte Gruppe von Menschen angesprochen werden kann. Diese suchen Jobs, interessieren sich aber auch für den Arbeitsmarkt Kultur im Allgemeinen und nutzen die Plattform gezielt zur beruflichen Weiterbildung. Zum anderen sehen viele Einrichtungen mit dem inhaltlichen Kontext, den Kultur Management Network bietet, auch einen großen Mehrwert, genau dort Werbung für Stellenausschreibungen zu schalten, um damit eine größere und breitere Öffentlichkeit zu erreichen. Das wirkt sich auch auf die Wahrnehmung als Arbeitgeber positiv aus. Hier gibt es bereits Einrichtungen, die diese Potenziale sehr intensiv, kontinuierlich und erfolgreich nutzen.
Neue Mitarbeiter*innen auf die jeweilige Kultureinrichtung aufmerksam zu machen und für sich zu gewinnen, ist das eine. Ein weiterer wichtiger Punkt im Employer Branding ist aber auch, das bestehende Personal zu halten. Was muss der Kulturbetrieb hier beachten?
DS: Das ist ein wichtiger Punkt, denn Personalsuche heißt ja nicht nur, sich außerhalb der Institution umzuschauen. Die Talente und Qualifikationen vorhandener Mitarbeiter*innen zu berücksichtigen, ist ebenso wichtig. Dazu gehört auch, ihnen ein entsprechendes Weiterbildungsangebot zu machen sowie ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das sie für die Transformationsprozesse vorbereitet, die den Arbeitsalltag in den Kultureinrichtungen dramatisch verändern werden. Wenn die Mitarbeitenden in den Häusern rechtzeitig das notwendige Know-how erwerben können, sind die Kultureinrichtungen selbst für diese Entwicklungen und Prozesse gewappnet. Außerdem kann bei bestehendem Personal geschaut werden, wer als Führungskraft geeignet ist oder dorthin entwickelt werden kann. Hier gibt es bisher aber noch zu wenig Programme und zu wenig Bemühungen zur Personalentwicklung der Einrichtungen selbst.
Generell zahlt ein Arbeitsumfeld, in dem sich die Mitarbeitenden wohlfühlen und gerne arbeiten, letztlich auch auf die Attraktivität der Arbeitgebermarke ein und die damit verbundene Außenwahrnehmung. Das hilft dabei, neues Personal zu interessieren und für sich zu gewinnen. Gleichzeitig ist sicher auch die Fluktuation geringer, wodurch das bereits vorhandene Wissen und die vorhandene Erfahrung in der Einrichtung gehalten und weiterentwickelt werden können. Damit verbunden - also mit den Menschen, die bereits im Haus arbeiten und bleiben wollen - kann die Organisation schließlich weiterwachsen.
Mit der Außenwahrnehmung sprichst du einen letzten wichtigen Punkt an: Wie hängen Employer Branding und Werbung der Einrichtung für das jeweilige Publikum zusammen?
DS: Diese Bereiche hängen auf jeden Fall enger zusammen, als es auf den ersten Blick scheint. Zum einen wäre es wichtig zu schauen, inwieweit man die entsprechenden Marketinganstrengungen vereinen kann. Denn sicherlich gibt es im Publikum auch potenzielle Bewerber*innen oder Multiplikator*innen für die jeweilige Einrichtung. Gleichzeitig kann man an dieser Stelle vermitteln, welche Berufsbilder im jeweiligen Haus existieren und wie sich diese weiterentwickeln. Kultureinrichtungen können potenziellen Arbeitnehmer*innen Einblicke in die verschiedenen Arbeits- und Wirkungsbereiche des Hauses geben und ihnen zeigen, was sie erwartet, wenn sie sich für einen entsprechenden Job entscheiden. Zudem gibt es einige Kulturberufe, die sich in den vergangenen Jahren gewandelt haben - sei es durch technologische oder gesellschaftliche Entwicklungen - oder die bisher nur wenig betrachtet wurden. Bei Kultur Management Network versuchen wir solche Lücken mit unserer Berufsbildreihe zu füllen. Ähnliche Informationen finden sich auch bei den Berufsverbänden.
Darüber hinaus hängen auch bei den angesprochenen Skandalen innerhalb des Kulturbetriebs das Employer Branding und das Image einer Kulturmarke zusammen. Hier stinkt der Fisch bekanntlich vom Kopf her. Das bedeutet, dass Kultureinrichtungen es als strategische Aufgabe in der Führungsebene begreifen müssen, solche Fälle transparent aufzuarbeiten und Strukturen zu schaffen, die etwaige Wiederholungen verhindern und die Arbeitsbedingungen am Haus verbessern. Natürlich strahlen Kulturinstitutionen zunächst inhaltlich nach außen, aber nicht jede*r potenzielle Arbeitnehmende definiert sich und die eigene Zukunft darüber, welche Ausstellung gerade gemacht oder welches Stück produziert wurde. Interessant sind auch das Haus und dessen Strukturen, das Team sowie die persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten. Das nach vorne zu stellen in der Kommunikation, ist eine wichtige Aufgabe und Chance, die es zu nutzen gilt. Hier gehen Audience Development und Employer Branding Hand in Hand: Ein Haus, das ein guter Arbeitgeber ist, strahlt das auch aufs Publikum aus.
Dieses Interview erschien zuerst im Kultur Management Network Magazin "Werbung im Kulturbetrieb".
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