21.09.2011

Autor*in

Gerhard Ruiss
Alternativen zum Verlust der Kulturpolitik #14:

Von Schönheitsfehlern und Mißtönen abgesehen

Die Artikelserie der IG Kultur Österreich stellt brennende Fragen an Bundesministerin Claudia Schmied: Alternativen zum Verlust in der Kulturpolitik.
Es soll sich niemand etwas vormachen: Die Jahre, in denen mit Kunst und Kultur und für die Kunst und Kultur Politik zu machen war, sind vorbei. Man geht freundlich miteinander um, zurückgenommen auf die Förderungsebene die einen, zurückgestutzt zu Förderungswerber/inne/n die anderen, und hat sich mit der historischen Rolle der Kunst und Kultur neu arrangiert. Kunst und Kultur sind das Herzeigbare, Kultureinrichtungen Orte der Zerstreuung, zur Erbauung, Unterhaltung, Entspannung, des Wohlgefühls und der Behaglichkeit, in denen man Kultur genießt, so wie man Sport treibt, indem man Golf spielt. Aufregend geht es in Foyers zu, bei Vernissagen, bei Festwochenpremieren, wo man sich eben gerade trifft, oder in den Romanen, die man soeben nicht liest, verbindlich wird man gerne, wenn es um die großen Menschheitsziele geht, wird es konkreter, ist man leider an die vorherrschenden Rahmenbedingungen wie an die jetzt schon seit bald 20 Jahren bestehenden Sparnotwendigkeiten gebunden.

Daraus ergibt sich zwar der eine oder andere Schönheitsfehler oder Mißton, wenn z.B. der Aufbau der digitalen Bibliothek aus öffentlich erworbenen Beständen der Österreichischen Nationalbibliothek dem privatwirtschaftlichen Unternehmen Google überlassen werden muß oder wenn man einem Festwochenredner das Wort wieder entzieht, weil den bei der Festwocheneröffnung anwesenden Gästen, die ohnehin schon soviel Gutes tun, nicht zugemutet werden kann, von ihm dazu aufgefordert zu werden, weiter Gutes zu tun und auf Bereicherungen zum Nachteil der Armen zu verzichten. Insgesamt aber herrscht Zufriedenheit bzw. hat sie zu herrschen, wenn das Kunst- und Kulturbudget nicht noch mehr schrumpft und sich zwar keinerlei Änderungsmöglichkeiten zum Vorteil der Kunst und Künstler/inne/n im Sozial-, Steuer- oder Urheberrecht abzeichnen, weil sich Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer systematisch gegen alle Änderungen zum Vorteil der Kunst und Künstler/inne/n wenden, über die aber immerhin doch Gespräche aufgenommen worden sind.

Also was tun?
Schrill werden, um auf sich aufmerksam oder sich anziehend zu machen? Sich zurückziehen und abwarten? Netzwerken? Unbezahlte Praktika sammeln? Selbstfinanzierte Zusatzstudien belegen? Wenn ohnehin niemand mehr bei Studienfächern wie Germanistik, Publizistik, Politikwissenschaft, Orientalistik, Sinologie oder Kunstgeschichte von Orchideenstudien redet? Es aber Geld dafür, wenn man in Orchideenstudienfächern ausgebildet ist und seiner Arbeit nachgeht, trotzdem nicht gibt?

Abgesehen von diesen und anderen praktischen Unebenheiten stagnieren Budget und Niveau des derzeitigen innerstaatlichen Austauschs über Kunst und Kultur auf einer relativ besseren Höhe als im schwarz-blauen Kunst- und Kulturförderungsrückbau von 2000 bis 2006 und in den Jahren des Aufbaus der staatlichen Kunst- und Kulturförderung zwischen 1970 und 1990, wobei dieser Vergleich mit den Aufbaujahren nur beim Budget zugunsten der Gegenwart ausfällt.
Die österreichische Politik bewegt sich auch in EU-Regelungsangelegenheiten nicht, sie schließt sich an. Meistens, bis jetzt wenigstens, den kunst- und kulturfreundlicheren Positionen Frankreichs oder Deutschlands und weniger dem Mainstream-Hardcore wechselnder Mitglieder-Allianzen.

Was ist also zu tun? Zumindest sollte mit der de facto ohnehin schon an die EU abgetretenen alleinigen Kompetenz zur Regelung von Urheberrechtsfragen die Urheberrechtsmaterie vom Justizministerium ins Kunst- und Kulturressort wechseln, wo bereits gut funktionierende Strukturen zur kulturellen Zusammenarbeit in der EU sowie mit der UNESCO bestehen. Aktuelle und künftige inhaltliche Gründe für einen solchen Wechsel in eine unmittelbar kunstinteressierte Zuständigkeit sind mit den anstehenden Regelungen und Entscheidungen über die Kostenlosigkeit oder Kostenpflicht bei digitalen Nutzungen, zum Umgang mit verwaisten Werken (die Rechteinhaber/innen sind unauffindbar) oder vielleicht sogar einmal bei kommerziellen digitalen Weiternutzungen von bereits freigewordenen Werken genügend vorhanden.

Genauso wie auf primär gesetzliche Regelungsmöglichkeiten sollte sich das Augenmerk auf förderungsgesetzliche Zusatzregelungsmöglichkeiten richten, wie sie u.a. durch das bzw. im Bundes-Kunstförderungsgesetz 1988 und durch das bzw. im Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz 2000 angedacht und in Ansätzen umgesetzt worden sind. Nichts schaden kann es auch, endlich einmal die Teuerungsentwicklung bei gleichbleibenden Budgets und gleichbleibend vergebenen Subventionen mitzuberücksichtigen. Und schließlich und endlich müssen nicht nur Zukunftsgespräche zur Entwicklung der Kunst, Kultur, Bildung und Medien aufgenommen, sondern weit über den Zeitrahmen von einem Doppelbudgetbeschluß bis zum nächsten und/oder der Formulierung des einen Regierungs-Kunst- und Kulturprogramms bis zum nächsten Perspektiven entwickelt werden. Es ist höchste Zeit, daß die in das Berater- und sonstige Expertenwesen entsorgten Themen von Bildungsaufgaben bis zu den Entwicklungen in den Medien den Weg in die allgemeine politische und kulturelle Beschäftigung als gesellschaftspolitische Themenstellungen zurück nehmen.

Und ein paar aktuelle Rettungsnotwendigkeiten gibt es wie in den letzten Jahren fast immer natürlich auch: Das Österreichische Kabarettarchiv in Graz steht mangels Unterstützung nach elf Jahren genauso vor seinem Ende wie das von der Zwangsräumung bedrohte Bildhauer/innen/symposion Agora am Wiener Donaukanal nach 25 Jahren. Ob es gelingt, beide zu retten, liegt ausschließlich in der Hand der in den jeweiligen Ländern und im Bund dafür zuständigen Politiker/innen, in diesen beiden Fällen der Politiker/innen im Land Steiermark, in der Stadt Graz, in der Stadt Wien und der Infrastrukturministerin sowie der Kunst-, Kultur- und Unterrichtsministerin.
 

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