16.06.2008
Autor*in
Zenaida des Aubris
ist Beraterin für internationale kulturelle Events und kann auf über 25 Jahre Erfahrungen in Management und Produktion klassischer Musik in Amerika, Europa und Asien zurückblicken.
Best Practice
Der Vulkanausbruch in Riga
Seit einigen Jahren schon kommt das neue Logo der Lettischen National Oper der Wahrheit sehr nah ein Vulkanausbruch über den Buchstaben LNO. Anlässlich des Jahrestreffens von Kulturmanagement Network in Riga hatte ich die Gelegenheit, mit Jochen Breiholz, dem Direktor für Internationale Verbindungen an der Oper, zu sprechen.
Der monumentale Bau aus dem Jahr 1856 und Neuanbau aus Mitte/Ende der 1990er Jahre dominiert einer der zentralen Verkehrsadern im Rigaer Zentrum, samt gepflegtem Park und Teich. Es ist nicht zu übersehen, dass die Letten ihre Nationaloper lieben, hegen und pflegen, und das nicht erst seit gestern. "Wir gehen in die Oper" gehört nach wie vor zum guten Ton in Riga, und zwar in allen Alters- und Gesellschaftsschichten. Solch eine Einstellung kommt dem Kartenverkauf zugute: die mehr als 250 Vorstellungen (Oper und Ballet ca. 30 Werke, davon 3 neue Produktionen pro Saison sowie Kammermusik und Konzerte) pro Jahr sind größtenteils ausverkauft. Was aber noch lange nicht heißt, dass eine Institution mit 634 Angestellten ohne Subventionen auskommt: natürlich steuert der Staat den Löwenanteil der Gelder bei, wobei es immer mehr Unterstützung durch Sponsoren wie Air Baltic, die örtlichen Niederlassungen von Audi und Siemens und eine ganze Reihe von Privatpersonen gibt.
Im Vergleich zu den "A"-Häusern in Deutschland ist das Gesamtbudget sehr niedrig. Dennoch werden Produktionen von guter bis ausgezeichneter Qualität produziert, vielleicht weil sehr viel Stolz und Hingabe in der Arbeit steckt. Die Produktionskosten sind in vielen Fällen genau so hoch, wenn nicht höher als in Deutschland auch deswegen, weil viele der Materialkosten (Importe!) viel teuerer sind. Die Kartenpreise werden so niedrig wie möglich gehalten, um den Zugang dem breiten Publikum zu ermöglichen. Erstmals in der Saison 2007-2008 wurde ein Abonnementsystem eingeführt. Zuvor wurde alles ausschließlich im freien Verkauf angeboten. Der Erfolg von über 1000 verkauften Abos in wenigen Tagen hat alle überrascht: "Trios" und "Quartette" drei oder vier Veranstaltungen -, zusammengestellt nach Themen oder Komponisten. Vielsprachigkeit und multikulturelle Herkünfte sind in der Opernwelt die Regel. Dementsprechend kann man es schon fast als Rarität bezeichnen, dass an der LNO das gesamte Orchester und der Chor aus Lettland stammen. Auch das aus 28 Mitglieder bestehende feste Sängerensemble und die ca. 15 ständigen Gastsänger sind fast alle Letten. Nur bei dem Ballettensemble sind einige wenige Ausländer dabei. Insgesamt spricht diese Tatsache natürlich sehr für das ausgezeichnete musische Ausbildungssystem, welches schon in der Grundschule beginnt. Der Werbeslogan "Lettland, das Land, das singt", der u.a. im Nachrichtensender CNN zu sehen ist, trifft offenkundig voll zu.
Der sehr schön renovierte Große Saal der Oper mit ca. 1000 Plätzen besticht durch sein nordisches, sehr prunkvolles Fin-de-siècle-Dekor. Ein kleiner Saal mit 300 Plätzen wurde im Zuge des Neubaus 2001 hinzugefügt. Diesen Saal kann man beliebig umwandeln und eignet sich exzellent für die vielen Kammermusik- oder Kinderaufführungen. Gerade Kinder werden mit interessanten Projekten in der Oper spielerisch einbezogen. Dabei lernen sie viel, werden aktiv eingebunden und bleiben hoffentlich der Oper und der klassischen Musik ein Leben lang treu. Da gibt es z. B. die speziell in Auftrag gegebene, abendfüllende Kinderoper die 10 Jahre lang im Repertoire stand und die zu regelrechten Proteststürmen beim Publikum führte, als sie abgesetzt wurde. Weihnachten 2007 war die DVD dieser Oper ein Bestseller. Das gleiche Führungsteam wurde beauftragt, erneut eine neue Kinderoper zu schreiben diesmal basierend auf einer Version des lettischen Pinocchios. Die 14 Vorstellungen für die kommende Saison sind schon so gut wie ausverkauft. Aber nicht nur, dass Kinder in die Oper kommen: sie nehmen auch an Workshops unter dem Motto "Lass uns eine Oper machen" teil. Dort können die Kinder sich schminken, Kostüme anprobieren, Instrumente spielen; am Ende nehmen gibt es eine kleine Aufführung. Alle Angebote dieser Art sind immer schon Wochen im Voraus ausverkauft. Die Eltern können derweil im Hauptfoyer warten - das Restaurant hat dann tagsüber geöffnet. Für die 2008-2009 Saison sind drei verschiedene, sich ergänzende Workshops geplant, die sich auch an unterschiedliche Altersgruppen richten. Zu vielen der regulären Aufführungen gibt es sogar ein abendliches Baby/Kindersittingprogramm! Dabei geben die Eltern ihre Kinder in der Oper einem Betreuer ab, der sie dann auch musisch unterhält, und holen sie nach der Vorstellung wieder ab. Eine Idee, zur Nachahmung empfohlen!
Wer ist für diesen Vulkanausbruch an Innovationen verantwortlich? Sicherlich in aller erster Stelle das sehr eng miteinander arbeitende Team um den Intendanten Andrejs Zagars. Selbst ein bekannter Bühnen- und Filmschauspieler und seit 2002 Opernregisseur, leitet er die LNO seit 1996. Ein Nachfolger für den Senkrechtstarter unter der jetzigen Generation der jungen Dirigenten, Andris Nelsons, der dem Orchester 2003-2007 vorstand, wird noch gesucht.
Im Juni 2008 findet zum 11. Mal das Opernfestival statt; als Höhepunkt darf man auf die Neuproduktion von Siegfried von Richard Wagner gespannt sein, mit Cornelius Meister als Dirigent und in der Regie von Viesturs Kairiss (Premiere war am 6. Juni); Aufführungen von Rusalka von Dvorak, Carmen von Bizet, La Traviata von Verdi, Eugen Onegin von Tschaikovsky sowie Ballettaufführungen und Symphoniekonzerte runden das Programm ab.
Im Vergleich zu den "A"-Häusern in Deutschland ist das Gesamtbudget sehr niedrig. Dennoch werden Produktionen von guter bis ausgezeichneter Qualität produziert, vielleicht weil sehr viel Stolz und Hingabe in der Arbeit steckt. Die Produktionskosten sind in vielen Fällen genau so hoch, wenn nicht höher als in Deutschland auch deswegen, weil viele der Materialkosten (Importe!) viel teuerer sind. Die Kartenpreise werden so niedrig wie möglich gehalten, um den Zugang dem breiten Publikum zu ermöglichen. Erstmals in der Saison 2007-2008 wurde ein Abonnementsystem eingeführt. Zuvor wurde alles ausschließlich im freien Verkauf angeboten. Der Erfolg von über 1000 verkauften Abos in wenigen Tagen hat alle überrascht: "Trios" und "Quartette" drei oder vier Veranstaltungen -, zusammengestellt nach Themen oder Komponisten. Vielsprachigkeit und multikulturelle Herkünfte sind in der Opernwelt die Regel. Dementsprechend kann man es schon fast als Rarität bezeichnen, dass an der LNO das gesamte Orchester und der Chor aus Lettland stammen. Auch das aus 28 Mitglieder bestehende feste Sängerensemble und die ca. 15 ständigen Gastsänger sind fast alle Letten. Nur bei dem Ballettensemble sind einige wenige Ausländer dabei. Insgesamt spricht diese Tatsache natürlich sehr für das ausgezeichnete musische Ausbildungssystem, welches schon in der Grundschule beginnt. Der Werbeslogan "Lettland, das Land, das singt", der u.a. im Nachrichtensender CNN zu sehen ist, trifft offenkundig voll zu.
Der sehr schön renovierte Große Saal der Oper mit ca. 1000 Plätzen besticht durch sein nordisches, sehr prunkvolles Fin-de-siècle-Dekor. Ein kleiner Saal mit 300 Plätzen wurde im Zuge des Neubaus 2001 hinzugefügt. Diesen Saal kann man beliebig umwandeln und eignet sich exzellent für die vielen Kammermusik- oder Kinderaufführungen. Gerade Kinder werden mit interessanten Projekten in der Oper spielerisch einbezogen. Dabei lernen sie viel, werden aktiv eingebunden und bleiben hoffentlich der Oper und der klassischen Musik ein Leben lang treu. Da gibt es z. B. die speziell in Auftrag gegebene, abendfüllende Kinderoper die 10 Jahre lang im Repertoire stand und die zu regelrechten Proteststürmen beim Publikum führte, als sie abgesetzt wurde. Weihnachten 2007 war die DVD dieser Oper ein Bestseller. Das gleiche Führungsteam wurde beauftragt, erneut eine neue Kinderoper zu schreiben diesmal basierend auf einer Version des lettischen Pinocchios. Die 14 Vorstellungen für die kommende Saison sind schon so gut wie ausverkauft. Aber nicht nur, dass Kinder in die Oper kommen: sie nehmen auch an Workshops unter dem Motto "Lass uns eine Oper machen" teil. Dort können die Kinder sich schminken, Kostüme anprobieren, Instrumente spielen; am Ende nehmen gibt es eine kleine Aufführung. Alle Angebote dieser Art sind immer schon Wochen im Voraus ausverkauft. Die Eltern können derweil im Hauptfoyer warten - das Restaurant hat dann tagsüber geöffnet. Für die 2008-2009 Saison sind drei verschiedene, sich ergänzende Workshops geplant, die sich auch an unterschiedliche Altersgruppen richten. Zu vielen der regulären Aufführungen gibt es sogar ein abendliches Baby/Kindersittingprogramm! Dabei geben die Eltern ihre Kinder in der Oper einem Betreuer ab, der sie dann auch musisch unterhält, und holen sie nach der Vorstellung wieder ab. Eine Idee, zur Nachahmung empfohlen!
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