11.03.2008
Best Practice

Open Your Ears

Das Konzerthaus Berlin lädt Schüler ein, die "Ohren zu öffnen" und sich aktiv mit Neuer Musik zu beschäftigen. In der Saison 2007/2008 möchte der österreichische Komponist Clemens Gadenstätter die Schüler zu einer "Auseinandersetzung mit akustischen Signalen und Zeichen" verlocken.
"Unser Hören als Auseinandersetzung mit akustischen Signalen und Zeichen" so könnte das Thema des musikpädagogischen Jugendprojektes der Spielzeit 2007/2008 beschrieben werden. Wie in den vergangenen Jahren bildet auch diesmal das Werk, besser noch das Werk-Konzept eines zeitgenössischen Komponisten den Ausgangspunkt. Es ist der 1966 geborene, seit mehreren Jahren in Graz als Professor für Musiktheorie und Analyse tätige österreichische Komponist Clemens Gadenstätter. Er hat mit verschiedenen Medien-, Konzept- und Videokünstlern, Autoren und Filmemachern zusammenarbeitet. Seine Werke wurden u.a. bei der Musikbiennale Berlin, den Donaueschinger Musiktagen, den Salzburger Festspielen und dem Steirischen Herbst aufgeführt. Gadenstätter beschäftigt sich besonders intensiv mit Phänomenen der musikalischen Wahrnehmung. In diesem Zusammenhang entstand bereits die Komposition Semantical Investigations für Violine und ein großes Ensemble, deren Uraufführung für 2008 geplant ist. Als Fortführung des damit angerissenen Themas hat Gadenstätter ein zweites, kleiner besetztes Werk konzipiert, das im Rahmen der Open Your Ears-Konzerte am 7. Februar 2008 durch das Ensemble Modern im Konzerthaus Berlin uraufgeführt wurde. Gadenstätter hinterfragt das Hören von Klängen aus der alltäglichen Umwelt, insbesondere die Wahrnehmung von akustischen Zeichen und Signalen, die unser Leben lenken und ordnen. Sie sind der Ausgangspunkt sowohl seiner Komposition als auch der Arbeiten von Berliner Jugendlichen, die im Konzerthaus erklingen werden.

Gadenstätter dazu: "Es geht dabei vor allem darum, in einem ersten Schritt zu erkennen, wie Klangsignale in unser tägliches Leben eingreifen, wie auch auf sozialer Ebene Klanggeschehen Ordnungen vornimmt." Sowohl in seiner Arbeit, als auch in der Workshop-Arbeit der Jugendlichen wird ein Prozess in Gang gebracht, diese klingenden Elemente aus ihren Lebenszusammenhängen zu lösen und in neue, musikalisierte Zusammenhänge zu setzen. Durch die Bearbeitung findet eine Veränderung statt, die sich vor allem auch auf die Hörweise dieser Klangsignale bezieht. "Wenn wir Elemente unseres Lebens nach der Analyse ihrer Qualitäten und Funktionen, die sie für uns haben, in eine neue Ordnung, eine neue Beziehung zu uns bringen, dann setzen wir uns mit unseren Lebensumständen und im Hinblick auf dieses spezielle Thema mit unseren Hörgewohnheiten auseinander, ersetzen das unreflektierte Hinnehmen des Seins durch die Möglichkeit, in unsere Umwelt, deren Teil wir sind, einzugreifen."

Dieser Versuch ist gewissermaßen die Leitlinie für die Arbeiten des Komponisten als auch der jungen Berliner Schüler. Beide Parteien werden die Arbeiten des/der Anderen nicht kennen. Über eine vom Komponisten angebotene Leitlinie hinsichtlich der Möglichkeiten einer musikalischen Ordnung hinaus, soll den Jugendlichen kein konkretes musikalisches Modell vorgegeben werden. Das ermöglicht ganz unterschiedliche Ansätze bei ein und demselben Klangmaterial. Dies können die uns allen bekannten Signal- und Zeichenklänge wie Weckerklingeln, Martinshörner, Sirenen, Glocken usw., aber auch "soziale Klänge" wie bestimmte Fragmente aus Musiken, die eindeutig sozial zuzuordnen sind (z.B. Hymnen, Beats bestimmter Popmusikgenres) sein. Mit Spannung dürfen die unterschiedlichen musikalische Ergebnisse erwartet werden. "Ziel ist es, einen Teil der akustischen Umwelt bewusst und in Auseinandersetzung mit bestimmten semantischen Bestimmungen zu verändern. Dabei lässt sich erfahren, dass wir im Verhältnis zu uns selbst und zu anderen Menschen auf angeblich fest fixierte, vermeintlich unveränderliche Muster und Prägungen einwirken können. Die in diesem Prozess entstehende Musik setzt in unserer täglichen Lebenswelt an und transformiert diese. Hören wird wieder unser/mein Hören und bedeutet dann das Öffnen unserer/meiner eigenen Ohren."

Das OYE-Projekt startete im Herbst 2007 mit den Einführungsveranstaltungen, die das OYE-Team gemeinsam mit dem Komponisten und Musikern in Berliner Oberschulen führen wird. Darauf folgte ein sich über mehrere Wochen erstreckender Arbeitsprozess der Jugendlichen. Nun werden die Ergebnisse der Kompositionsarbeit von Clemens Gadenstätter und seiner jungen Mitstreiter durch die Musiker des Ensemble Modern und in Zusammenarbeit mit den Jugendlichen im Werner-Otto-Saal des Konzerthauses zur öffentlichen Aufführung gelangen.

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