30.03.2015

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Autor*in

Alexandra Vogt
absolvierte ihren Bachelor in Europa-Studien an der TU Chemnitz und anschließend in Passau den Master »Kulturwirtschaft«.
Buchrezension

Das Bauhaus kommt aus Thüringen. Kreativwirtschaft jenseits der Metropolen

Kreativwirtschaft - dieser Begriff weckt seit jeher die Frage, wo Kunst bzw. Kultur aufhört und wo Wirtschaft anfängt. Auch in Deutschland rückt die Kreativwirtschaft in den letzten Jahren immer mehr in den Mittelpunkt - beispielsweise durch die Gründung der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung im Jahr 2007.
 
In dem Sammelband "Das Bauhaus kommt aus Thüringen" von Matthias Machnig und Dirk Kiefer wird die Debatte um die Kreativwirtschaft nachverfolgt bis zum Entstehen des Bauhauses in Thüringen, genauer in Weimar. Es knüpft dabei an Fragestellungen an, die schon um 1900 diskutiert wurden: Wie hängen Kunst bzw. Kultur mit der Wirtschaft und der Industrie zusammen? Sollten diese Bereiche getrennt voneinander betrachtet werden? Die Antwort aus Thüringen lautete schon damals: Nein. Vielmehr ermutigte insbesondere der belgische Künstler Henry van de Velde als Wirtschaftsberater in Weimar die Künstler des Bauhauses, ihre Produkte und Arbeitsprozesse auch im industriellen Gewerbe anzusiedeln. Er ging dabei von dem Grundgedanken aus, dass Künstler sich nicht in einem Elfenbeinturm verschließen, sondern ihre Kunst auch den Massen zugänglich machen sollten. Van de Veldes Auffassung nach manifestiert sich die Kunst auch in Produkten, die in industrieller Massenfertigung hergestellt wurden. Er trieb daher die Vernetzung von Kunst, Kultur, Wirtschaft und Industrie voran und setzte wichtige Impulse für das Kunstgewerbe und das Kunsthandwerk. In diesem Sinne kann man von einer Tradition der Kreativwirtschaft in Thüringen sprechen. Bis heute setzt das Land mit seinen Programmen KMU-kreativ und der Thüringer Agentur für die Kreativwirtschaft auf die Unterstützung und Förderung dieser Branche: Kreativschaffende können auf Beratungsangebote, Workshops und Networking Veranstaltungen zurückgreifen; mithilfe von KMU-kreativ werden kleine und mittelständische Unternehmen mit Partnern aus der Kreativwirtschaft zusammengebracht.

Die erste Hälfte des Buches beschäftigt sich zunächst mit der grundlegenden Frage, in welchem Beziehungsgeflecht die Kreativwirtschaft zum Wirtschaftssystem steht. In diesem Zusammenhang wird diskutiert, von welchen Institutionen die Kreativwirtschaft wie viel und welche Art von Förderung und Unterstützung benötigt.

Die Autoren plädieren dafür, die Kultur- und Kreativwirtschaft nicht losgelöst von Industrie und Wirtschaft zu verstehen. Den Beiträgen ist gemein, dass sie andererseits auch die Besonderheiten der Kultur- und Kreativwirtschaft, wie zum Beispiel die Existenz vieler Klein- und Kleinstunternehmen, betonen und eine spezielle Förderung vonseiten der Wirtschaftspolitik fordern, da sie mit anderen Herausforderungen als die traditionellen Wirtschaftsbereiche umgehen muss.

Dirk Kiefer beispielsweise betont in seinem Artikel Reaching for the Stars, dass der Aufschwung der Kreativwirtschaft als Zeichen für einen Wandel in der Wirtschaftswelt angesehen werden kann; viele Entwicklungen (wie zum Beispiel die zunehmende Mobilität und Flexibilisierung der Arbeitsweisen oder die steigende Bedeutung von Netzwerken), die in der Branche schon Status quo sind, übertrügen sich auch auf andere Bereiche. Weiterhin sei die Kreativwirtschaft sowohl in Metropolen als auch in Regionen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Dennoch werde sie bisher nicht ausreichend gefördert. Kiefer gibt daher einige Handlungsempfehlungen, wie die Kreativwirtschaft in Deutschland branchenspezifisch unterstützt und weiterentwickelt werden kann.

Von der Situation der Kultur- und Kreativwirtschaft speziell in Thüringen handelt die zweite Hälfte des Sammelbandes. Eingeleitet wird diese durch einen kurzen historischen Rückblick von Steffen Höhne und André Störr auf die Vorstufen der Kreativwirtschaft in Thüringen: Die Autoren stellen heraus, dass sich Kunst- und Gewerbeschaffende bereits im 19. Jahrhundert im Zuge der Entstehung von industrieller Massenproduktion mit der Wechselwirkung zwischen dieser und der Kunstproduktion beschäftigten. In diesem Kontext entstanden auch die ersten Kunstgewerbeschulen. Als symptomatisch für diese Öffnung ehemals getrennter Arbeitsbereiche kann gelten, dass Henry van de Velde 1902 als Berater für Kunst und Kunstgewerbe nach Weimar berufen wurde.

In den folgenden Beiträgen wird auf die heutige Situation eingegangen, indem Positivbeispiele der Kultur- und Kreativwirtschaft in Thüringen angeführt werden. Dort gebe es zum Beispiel eine weit entwickelte Infrastruktur und ein intensiv vernetztes Umfeld, das dazu beitrüge, dass die Kreativwirtschaft von so großer Bedeutung sei.

Im Anbetracht des Untertitels Kreativwirtschaft jenseits der Metropolen wäre jedoch eine umfassendere Darstellung der aktuellen Situation in Thüringen gerade als Flächenland mit stark ländlichem Charakter wünschenswert gewesen. Ebenso fehlt eine tiefer gehende Analyse der Chancen der Kreativwirtschaft in den Regionen im Vergleich zu den großen Kreativmetropolen wie zum Beispiel Berlin. Die Situation von Kreativen in Thüringen wird in zwei Beiträgen anhand von Einzelschicksalen beschrieben, die jedoch eine etwas einseitige Sichtweise auf das Thema entstehen lässt.

Dennoch leistet dieses Buch einen Beitrag dazu, dass der ländliche Raum mehr in das Blickfeld der Akteure der Kreativwirtschaft und deren Förderer rückt. Es beweist anhand historischer Darstellung und aktuellen Beispielen, dass die Kreativwirtschaft im ländlichen Raum großes Potenzial birgt. Um dieses voll entfalten zu können, ist jedoch noch einige Arbeit zu leisten: Unternehmen der Kreativwirtschaft im ländlichen Raum benötigen beispielsweise noch Unterstützung dabei, sich untereinander zu vernetzen und sich als zusammenhängende Branche zu begreifen. Jenseits der Metropolen ist es für Kreativschaffende zudem schwieriger, sich nach außen hin sichtbar zu machen. Einige Pilotprojekte, wie zum Beispiel Ideenlotsen Metropole Nordwest, das zwischen 2012 und 2013 durch das u-institut in Bremen durchgeführt wurde, setzen hier an. Unter anderem mit Netzwerkveranstaltungen und langfristigen Beratungsangeboten wurde den Problemen entgegengewirkt.

Um einen nachhaltigen Nutzen aus der Wachstumsbranche Kreativwirtschaft zu ziehen, sollte es nicht bei einzelnen Modellprojekten bleiben langfristige und flächendeckende Maßnahmen der Länder und Kommunen sind gefragt.

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