06.12.2009

Buchdetails

Das Konzert: Neue Aufführungskonzepte für eine klassische Form
von Martin Tröndle
Verlag: Transcript Verlag
Seiten: 270
 

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Autor*in

Isabella Urban
Buchrezension

Das Konzert. Neue Aufführungskonzepte für eine klassische Form

Durchgehend verständlich geschrieben und mit einer ansprechenden Satzgestaltung versehen, dringt dieses Buch entlang dem Begriff der Aufführungskultur tief in die kulturellen, sozialen, ökonomischen und ästhetischen Schichten dessen ein, was ein Konzert eigentlich ausmacht.
 
"Auf breiter Front gilt, dass das klassische Musikereignis - gleich ob Konzert-, Oper- oder Kammermusik - an Relevanz verloren hat, und zwar als ästhetische wie als soziale Institution. Dies ist mittlerweile allgemein bekannt und hat in den letzten Jahren zu einer Vielzahl an Publikationen und Programmen in den Bereichen Audience Development, Music Education und Musikvermittlung geführt. Ziel dieses Bandes ist es, die Diskussion zu diesen Themen um die bisher kaum wahrgenommene Perspektive der 'Aufführungskultur' zu erweitern." (S.10).

So selbstbewusst beginnt "Das Konzert: Neue Aufführungskonzepte für eine klassische Form" von Martin Tröndle, Professor für Kulturbetriebslehre und Kunstforschung an der Zeppelin University. Tröndle entwickelt in diesem Buch mit einer Vielzahl namhafter Autoren aus Wissenschaft und Praxis den Begriff Aufführungskultur und erweitert dadurch maßgeblich das Denken über die live-Präsentationsform der E-Musik.

In den Aktivitäten zur Musikvermittlung sollen potentielle Besucher (zumeist Kinder und Jugendliche) durch pädagogische, sozialisierende oder werbende Maßnahmen als Konzertbesucher gewonnen werden. Das Konzert an sich bleibt dabei weitgehend unangetastet.

Martin Tröndle hingegen fragt in seinem Buch danach, wie sich das Konzert selbst, also als ästhetisch-soziales Ereignis verändern muss, um ein neues Publikum anzuziehen. Damit fügt er der aktuellen Diskussion um die Zukunft der Klassik eine tatsächlich neue Perspektive hinzu, die sich auf die These zuspitzen lässt, dass die Krise der klassischen Musik weniger eine der Musik selbst ist, als vor allem eine ihrer Darbietungsformen (S.21). Woraus folgt: Man muss das Konzert verändern, um es zu erhalten. Ähnlich dem Wandel also, der sich in der Interpretationspraxis vollzogen hat, muss sich auch die Aufführungskultur weiterentwickeln, um einem sich im Wandel befindlichen Publikum gerecht zu werden (S.38).

Um diese Weiterentwicklungen der Aufführungskultur zu skizzieren, vereint das Buch das Who-is-Who der Kulturbetriebslehre unter ihnen: der Bamberger Kultursoziologen Gerhard Schulze, die Publikumsforscher Heiner Gembris (Universität Paderborn) und Susanne Keuchel (Zentrum für Kulturforschung), die Musikwissenschaftlerinnen Elena Ungeheuer (TU Berlin) und Beatrix Borchard (HMT Hamburg), Christian Kellersmann, Managing Director Universal Music Classics & Jazz und Michael Hutter, der Direktor der Abteilung Kulturelle Quellen von Neuheit am Wissenschaftszentrum Berlin, um nur einige zu nennen.

Die Beiträge folgen einer klaren Logik und geben dem Leser die Möglichkeit schrittweise in die Thematik einzusteigen: Im ersten Teil werden die Problemlagen des Musikbetriebs analysiert. Dann bauen die Autoren, vielfältige neue Perspektiven des Zukunftskonzerts auf: Was lässt sich für das Zukunftskonzert lernen, versteht man das Konzert als performatives Ereignis? Was ist musikalische Präsenz und wie kann der Präsenzcharakter des Konzertereignisses gesteigert werden? Was können wir bei der Untersuchung der sozialen und rituellen Funktion von Musik aus einem musikethnologischen Vergleich erfahren? Welche Chancen ergeben sich aus diesen Überlegungen für die Entwicklung neuer Konzertkonzepte? Welche Zukunft bieten die technischen Neuerung im Bereich der Raumakustik und welche Raumarchitekturen versprechen nachhaltig ein neues Publikum zu erreichen? Diese eher theoretischen Reflexionen tun gut. Sie heben den ansonsten sehr praxisorientierten, musikpädagogischen Diskurs um die Zukunft des Konzertes und eröffnen neue Perspektiven darauf, was ein Konzert ist und was es zukünftig sein sollte.

Wie diese Überlegungen umgesetzt werden können, zeigen im nächsten Teil des Buches: Ein Versuch, das Konzert dramaturgisch und konzeptionell zu erneuern.

Im letzten Teil des Buches greift der Herausgeber Martin Tröndle nochmals die wichtigsten Thesen auf und diskutiert sie mit Verantwortlichen des Musikbetriebs: Albert Schmitt, Managing Director der Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, geht dabei vor allem auf das Selbstverständnis der Musiker ein und wie sich dieses Wandeln muss. Der Präsident der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, Elmar Lampson, diskutiert die Ausbildung an Musikhochschulen und skizziert die Schlüsselkompetenzen zukünftiger Musiker. Werner Heinrichs, Rektor der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart diskutiert welche kulturpolitischen Weichenstellungen erfolgen müssten, um die Aufführungskultur erneuern zu können und damit die Klassik zu revitalisieren.

Fazit
 
Durchgehend verständlich geschrieben und mit einer ansprechenden Satzgestaltung versehen, dringt das Buch entlang dem Begriff der Aufführungskultur tief in die kulturellen, sozialen, ökonomischen und ästhetischen Schichten dessen ein, was ein Konzert eigentlich ausmacht. Diesen Turn von der Ausführungs- zur Aufführungskultur offenbart neue Möglichkeiten für die Zukunft des Konzertes und wirkt erfrischend in der aktuellen Diskussion. Dabei geht es nicht um eine Eventisierung des Konzerts, sondern darum, die Kunstform Konzert als ästhetisch-soziale Präsentationsform zeitgemäß weiter zu entwickeln, um der Musealisierung des Konzerts und der steten Veralterung des Publikums entgegenzuwirken: uneingeschränkte Leseempfehlung.

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