27.09.2021

Buchdetails

Kulturmarketing: Grundlagen – Konzepte – Instrumente (2. Auflage)
von Lorenz Pöllmann
Verlag: Springer Gabler
Seiten: 231
 

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Autor*in

Sven Christian Finke-Ennen
studierte Betriebswirtschaft und ist systemischer Business- und Personal Coach. Er berät Kultureinrichtungen und Veranstalter und war Leiter des überregionalen Kulturmarketings der Osnabrück - Marketing und Tourismus GmbH. Seit 2020 ist er bei der Tourismusgesellschaft Osnabrücker Land mbH für die Bereiche Unternehmens- und Destinationsentwicklung sowie Kulturtourismus zuständig.
Buchrezension

Kulturmarketing (2. Auflage)

Das Kulturmarketing bleibt ein ewiges Spannungsfeld zwischen der vertriebsorientierten Ausrichtung von Kulturbetrieben und der künstlerischen Freiheit, die möglichst unberührt von Marketingeinflüssen bleiben möchte. In diesen Zielkonflikt begibt sich Lorenz Pöllmann auch mit der zweiten Auflage seines Lehrbuches "Kulturmarketing" hinein.
 
Kulturmarketing ist heute nicht mehr nur ein "Nice to have" im Kulturmanagement, sondern ein unverzichtbarer Bestandteil desselben geworden. Hier liegt der Dreh-und Angelpunkt auf dem Weg zu zukunftweisenden Strategien von Kulturbetrieben, die sich im Wettbewerb der Freizeitindustrie und angesichts fortschreitender digitaler Entwicklungen behaupten und entwickeln wollen. Dabei wagt Lorenz Pöllmann mit "Kulturmarketing" weiterhin den Spagat: Er will sein Buch als Standardwerk für Studierende wie auch als Praxisleitfaden für Mitarbeitende in Kulturbetrieben verstanden wissen. So werden Praktiker:innen zwar das erste Kapitel überspringen, in dem Pöllmann eine Einordnung der Kulturbetriebe, ihrer Märkte und Angebote vornimmt, um dann den klassischen Ablauf des Kulturmarketing-Prozesses darzustellen. Aber Querlesen kann hier auch für Menschen aus der Praxis für eine kritische Reflektion dienlich sein.

Mit der zweiten Auflage nimmt Pöllmann neben der Aktualisierung aller Kapitel um aktuelle Beispiele und Studien vor allem die Digitalisierung der Kulturlandschaft und das digitale Publikum stärker in den Blick - hier hat es nicht zuletzt durch den Einfluss der Corona-Pandemie erhebliche Veränderungen bei den meisten Kulturbetrieben gegeben. Daher ist es nur folgerichtig, diese Entwicklung hier aufzugreifen; weniger mit einer fertigen Lösung, dafür mehr als Impuls für die Verantwortlichen in den Kulturbetrieben, sich tiefgreifend damit auseinandersetzen, welche Bedeutung die Digitalisierung in ihrer zukünftigen Positionierung im Markt haben wird.

Besucher:innen im Fokus

In den folgenden Kapiteln arbeitet Pöllmann die einzelnen Teilschritte des Kulturmarketingprozesses systematisch ab und startet entsprechend mit der Marketinganalyse. Hier nimmt der wichtige Bereich der Publikumsforschung einen breiten Raum ein. Pöllmann präsentiert neben den theoretischen Grundlagen in dieser zweiten Auflage einen umfangreichen Fragekatalog für die Gestaltung von Besucher:innenbefragungen, den er selbst in seiner empirischen Forschungsarbeit entwickelt und auch eingesetzt hat.

Im Rahmen der Zielgruppendefinitionen nimmt der Autor nun stärker die digitalen Besucher:innen in den Blick und bezieht sich auf aktuelle Forschungsergebnisse u.a. aus den Sinus-Milieus. Anders als die realen Gäste greifen digitale Besucher:innen zu jeder Zeit und ortsunabhängig auf die Angebote der Kultureinrichtungen zu. Das stellt letztlich ganz andere Anforderungen an das digitale Angebot, als diesen Kanal lediglich für die Kommunikation zu nutzen. Neben den quantitativen Ansätzen bietet Pöllmann im qualitativen Bereich für die Arbeit mit Personas eine durchaus praxistaugliche Canvas zur Entwicklung solcher Persona-Modelle an. Besucher:innen werden dabei als fiktive Personen über die Zuschreibung von konkreten Persönlichkeitsmerkmalen, Verhalten, Interessen und ihren Lebensumständen typisiert.
Trends - und was folgt daraus?

Nach einer fundierten Übersicht zur Wettbewerbsanalyse widmet Pöllmann einen Abschnitt dem wichtigen Thema der Trendforschung und den Möglichkeiten, daraus Ziele für das Kulturmarketing abzuleiten.

Mit welchen Strategien, die sich aus eben diesen Zielen ergeben, kann ein Kulturbetrieb in die Marktbearbeitung eintreten und die eigene Markenbildung vorantreiben? Auf diese Fragen antwortet Pöllmann im dritten Kapitel - hier stellt er die Bedeutung der Markenbildung auch anhand ganz aktueller Beispiele dar. Wie lässt sich eine Kulturmarke eindeutig identifizieren und erinnern, wie grenzt sie sich im Wettbewerb ab? Letztendlich entscheidet die Wahrnehmung des Publikums darüber. Entscheidend ist wohl, dass Kultureinrichtungen ihre Hausarbeiten gut erledigt haben; sprich, aufgrund eines klar kommunizierten Leitbildes und eines USP die passende Corporate Identity entwickeln. Pöllmann stellt dies anhand von Beispielen u.a. der Kunsthalle Bremen und der Berliner Philharmoniker dar.

Kapitel vier behandelt den weiten Bogen des klassischen Marketing-Mixes. Von der Leistungspolitik über die Preispolitik und den Bereich der Distribution werden die entsprechenden Instrumente veranschaulicht. Hier finden sich geballt Ansätze für die praktische Umsetzung nebst Beispielen, wie es funktionieren kann. Ganz aktuell kommt dann der Abschnitt zur Kommunikationspolitik daher: Pöllmann geht neben den klassischen Kommunikationswegen besonders auf die Entwicklungen im Social Media Bereich mit deren Chancen und Risiken ein. Gerade in den Ausführungen zur Mediaplanung zeigt sich der Rückschluss auf die im zweiten Kapitel in ihrer Bedeutung hervorgehobene Zielgruppenforschung. Social-Media-Kanäle sind in der Regel zum Aufbau langfristiger Communities ausgelegt, eignen sich demnach wenig für kurzfristige Kommunikationsziele. In den einzelnen Kanälen kann man ein jeweils höchst unterschiedliches Nutzer:innenverhalten vom bloßen Konsum bis zur Interaktion konstatieren. Das alles stellt große Anforderungen an die Auswahl der zur Kommunikationslinie passenden Kanäle und die Umsetzung einer adäquaten Content-Strategie.

Vom Soll zum Ist

Nicht fehlen darf natürlich ein Abschnitt zum Thema Evaluation. Der Autor beleuchtet verschiedene Modelle zur Messung und Bewertung von Leistungsqualität und Besucher:innenresonanz in Kulturbetrieben, so etwa die kennzahlgestützten Methoden der Auslastung, des Marktanteils, des Marktpotentials oder der Besucher:innenstruktur. Neben den quantitativen Methoden geht es hier auch um das Qualitätsmanagement und die Auswertung der gewonnenen Daten und Erkenntnisse mit Rückwirkung auf das Management der Kulturbetriebe. Pöllmann weist auf die Bedeutung der Verwendung desselben Instrumentariums in der Marketinganalyse und im Controlling hin, um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse herzustellen und einen effektiven Soll-Ist-Vergleich zu ermöglichen.

Quasi als eine Zusammenfassung aus all dem zuvor Geschriebenen könnte man die Kulturmarketing-Canvas verstehen, die Lorenz Pöllmann seinem Buch abschließend präsentiert. Sie kann sich gut als Grundlage für einen Workshop in Kulturbetrieben eignen, um das gesamte Kulturmarketing für die Institution oder ein Projekt anhand von Leitfragen (die Pöllmann gleich mitliefert) durchzugehen und auf einer Art Leinwand zu visualisieren. Die Canvas kann sich auch für Studierende als gute Fingerübung erweisen, um sich der Systematik des Kulturmarketings von der Umsetzung der Theorie in die Praxis zu nähern.

Fazit

Mit Prof. Dr. Lorenz Pöllmann legt hier ein Autor sein Buch in zweiter Auflage vor, dem die Theorie wie die Praxis des Kulturmarketings aus der eigenen Forschung und Lehre, aber auch aus operativer Tätigkeit im Kulturbereich bestens vertraut sind. Daraus resultiert der hohe praktische Nutzen seines Werkes, das die theoretischen Grundlagen des Kulturmarketings übersichtlich bündelt und immer wieder mit anschaulichen und sehr aktuellen Bespielen verknüpft bzw. über Schaubilder nachvollziehbar darstellt.

Jedes der Kapitel schließt mit einer umfangreichen Zusammenstellung an Kontrollfragen ab. Nur etwas für Studierende? Ganz und gar nicht - können auch gestandene Praktiker:innen die Fragen als Checkliste nutzen, ob sie alle relevanten Aspekte in ihre Konzeptionen einbezogen haben. Übrigens: Studierenden können die Fragen mit für diese zweite Auflage entwickelten sogenannten "Flash Cards" durch die hinterlegten Antworten auch eigenständig überprüfen.

Wer nun allerdings hofft, mit dem Kauf dieses Buches auch ein fertiges Marketingkonzept für den Kulturbetrieb zu erwerben, dürfte eher enttäuscht sein. Kein Konzept, das man im Ansatz als Blaupause übernehmen könnte, dafür aber solides Handwerkszeug und viele Ansätze auf der Höhe der Zeit, um sich selbst auf den Weg zu machen, ein Kulturmarketingkonzept zu erstellen. Als wahrer Schatz für alle, die sich in Theorie und Praxis tiefer auf das Thema einlassen möchten, werden sich in jedem Fall die profunden Zusammenstellungen an Literaturhinweisen und -empfehlungen erweisen, die der Autor jedem Kapitel zugeordnet hat.

Prof. Dr. Pöllmann möchte sein Buch nicht nur als Überblick zum Thema Kulturmarketing, sondern auch als Diskussionsgrundlage sehen. Dazu hätte man sich an der einen oder anderen Stelle mehr, vielleicht auch provokantere Thesen zu den zu prognostizierenden Entwicklungen wünschen können - Fakten als Grundlage für diverse Diskussionen liefert Pöllmann allemal reichlich.

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