05.07.2019
Themenreihe Karriere
Buchdetails
Feierabend!: Warum man für seinen Job nicht brennen muss. Streitschrift für mehr Gelassenheit und Ehrlichkeit im Arbeitsleben
von Volker Kitz
Verlag: FISCHER Taschenbuch
Seiten: 96
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Autor*in
Julia Jakob
studierte Musikwissenschaft und Kulturmanagement in Weimar. Praktische Erfahrungen im Kulturbetrieb sammelte sie bei unterschiedlichen Festivals und in verschiedenen Veranstaltungsbüros sowie als Agentin bei weim|art e. V. Seit 2021 ist sie die Chefredakteurin des Kultur Management Network Magazins und stellvertretende Leiterin der Redaktion.
Buchrezension
Feierabend! Warum man für seinen Job nicht brennen muss
Kunst ist schön, macht aber bei aller Leidenschaft auch viel Arbeit - und dies nicht unbedingt immer zu guten Konditionen! Aber muss es denn im Job immer um Leidenschaft gehen? "Nein!", sagt Volker Kitz und zerlegt in "Feierabend!" ein gesellschaftliches Glaubensgerüst.
Themenreihe Karriere
In seiner 2017 im Fischer Verlag erschienenen "Streitschrift" spricht sich der Jurist Kitz "für mehr Gelassenheit und Ehrlichkeit im Arbeitsleben" aus (Klappentext). Ziel seines 96-seitigen Plädoyers ist es, die Arbeit von der Vorstellung als Heilsbringerin für Erfüllung, Sinn und Glück - kurz: Arbeit als größter Lebensinhalt - zu lösen, damit die Realität des Arbeitsalltags den Erwartungen ans Arbeiten wieder standhalten kann.
Von linguistischen Paradoxen...
Dazu führt er im einleitenden Kapitel "Liebe, Arbeit, Mord" Studienergebnisse auf, die das Paradoxon von "Arbeit" und "arbeiten" deutlich machen. Zum einen kam ein Experiment des Arbeitsbereichs "Allgemeine und Neurokognitive Psychologie" der Freien Universität Berlin zur Wirkung und Macht der Sprache zu der Erkenntnis, dass mit dem Wort "Arbeit" positive Gefühle assoziiert werden, "arbeiten" die Teilnehmenden jedoch negativ stimmt. Unterstützt wird dieses Ergebnis zum einen durch die 2016 durchgeführte "Vermächtnisstudie" der Wochenzeitung Die Zeit. Aus dieser resultierte, dass "Arbeit haben" für die Befragten wichtiger ist als "das Leben genießen". Zum anderen zeigt eine Untersuchung des ökonomischen Glücksforschers Richard Layard jedoch, dass die befragten Erwerbstätigen dann am glücklichsten sind, wenn sie nicht arbeiten.
Während das erste Kapitel wissenschaftlich fundiert argumentiert, wird es im zweiten allerdings etwas esoterisch - was jedoch zum Titel "Eine Wunderkugel" passt. Kiez führt hierbei den Beginn der Beziehung zwischen Mensch und Arbeit zunächst auf die Bibel zurück, springt dann in die Antike und schließlich zu mittelalterlichen Mönchen. Fazit dieser etwas hinkenden (Argumentations-)Zeitreise: Arbeit war in der Menschheitsgeschichte lange Zeit eine Form der Bestrafung oder Last - sei es für Sünden(fälle) oder weil man in der falschen Bevölkerungsschicht geboren wurde - oder schlicht notwendige Lebensgrundlage. Erst mit Martin Luther sei sie ideologisch aufgeladen und damit zu dem Konzept worden, nach dem wir heute unseren Alltag ausrichten. Dabei sei es aber, so Kiez, eben "alles andere als selbstverständlich (, d)ass Arbeit reizvoll sein soll" (S. 12).
... herausgeforderten Piloten ...
Arbeit soll Kiez‘ Meinung nach natürlich nicht quälend sein, wie er im dritten und vorletzten Kapitel "Liebe Güte" einräumt. In diesem thematisiert er Reaktionen auf seine bei Spiegel Online 2015 veröffentlichte Geschichte "Die Wunderkugel", die seine Ansichten zum Teil falsch verstanden haben. Es geht ihm viel mehr darum, mit den "Lebenslügen des Arbeitslebens aufzuräumen", was er in diesem umfassendsten Kapitel auch macht. Zu diesen Lebenslügen zählt er:
Von linguistischen Paradoxen...
Dazu führt er im einleitenden Kapitel "Liebe, Arbeit, Mord" Studienergebnisse auf, die das Paradoxon von "Arbeit" und "arbeiten" deutlich machen. Zum einen kam ein Experiment des Arbeitsbereichs "Allgemeine und Neurokognitive Psychologie" der Freien Universität Berlin zur Wirkung und Macht der Sprache zu der Erkenntnis, dass mit dem Wort "Arbeit" positive Gefühle assoziiert werden, "arbeiten" die Teilnehmenden jedoch negativ stimmt. Unterstützt wird dieses Ergebnis zum einen durch die 2016 durchgeführte "Vermächtnisstudie" der Wochenzeitung Die Zeit. Aus dieser resultierte, dass "Arbeit haben" für die Befragten wichtiger ist als "das Leben genießen". Zum anderen zeigt eine Untersuchung des ökonomischen Glücksforschers Richard Layard jedoch, dass die befragten Erwerbstätigen dann am glücklichsten sind, wenn sie nicht arbeiten.
Während das erste Kapitel wissenschaftlich fundiert argumentiert, wird es im zweiten allerdings etwas esoterisch - was jedoch zum Titel "Eine Wunderkugel" passt. Kiez führt hierbei den Beginn der Beziehung zwischen Mensch und Arbeit zunächst auf die Bibel zurück, springt dann in die Antike und schließlich zu mittelalterlichen Mönchen. Fazit dieser etwas hinkenden (Argumentations-)Zeitreise: Arbeit war in der Menschheitsgeschichte lange Zeit eine Form der Bestrafung oder Last - sei es für Sünden(fälle) oder weil man in der falschen Bevölkerungsschicht geboren wurde - oder schlicht notwendige Lebensgrundlage. Erst mit Martin Luther sei sie ideologisch aufgeladen und damit zu dem Konzept worden, nach dem wir heute unseren Alltag ausrichten. Dabei sei es aber, so Kiez, eben "alles andere als selbstverständlich (, d)ass Arbeit reizvoll sein soll" (S. 12).
... herausgeforderten Piloten ...
Arbeit soll Kiez‘ Meinung nach natürlich nicht quälend sein, wie er im dritten und vorletzten Kapitel "Liebe Güte" einräumt. In diesem thematisiert er Reaktionen auf seine bei Spiegel Online 2015 veröffentlichte Geschichte "Die Wunderkugel", die seine Ansichten zum Teil falsch verstanden haben. Es geht ihm viel mehr darum, mit den "Lebenslügen des Arbeitslebens aufzuräumen", was er in diesem umfassendsten Kapitel auch macht. Zu diesen Lebenslügen zählt er:
- Leidenschaft
- Herausforderung
- Gestalten
- Sinn
- Selbstverwirklichung
- Wichtigkeit
- Menschen
Während er allen Begriffen eigene Unterkapitel widmet, fällt jedoch auf, dass mitunter die Trennschärfe verloren geht, da viele einander bedingen oder zusammenhängen. So scheint es, als folgen viele seiner Argumente dem Motto "Steter Tropfen höhlt den Stein". Kitz’ Kernaussauge lautet dabei, wie er der Zeit-Kolumnistin Wlada Kolosowa im Interview verriet, wie folgt: "Jede Arbeit, nach der es eine Nachfrage gibt, erfüllt ein gesellschaftliches Bedürfnis. Und das ist meine Definition von Sinn. Das hat wenig mit Spaß, Aufregung oder Selbstaufgabe zu tun. Viele glauben, nur Kindern in Afrika zu helfen sei sinnvolle Arbeit, Berliner Grundschülern lesen beizubringen aber nicht." Daher sei es für ihn unverständlich, warum "die Arbeit eines Schriftstellers als sinnstiftend dargestellt wird, die in der Rechtsabteilung aber nicht".
... und anderen Irrtümern
Ähnlich schwierig sieht Kitz die allgemein vorherrschende Ablehnung des "Diensts nach Vorschrift", was er im vierten Kapitel darlegt. Engagement hat für ihn nichts mit der Qualität der Arbeit zu tun. Diese sei vielmehr von Können und Effizienz abhängig. Dazu macht er deutlich: "Wenn jemand außerhalb der Arbeitszeit arbeitet, heißt das, dass er die Arbeit während der Arbeitszeit nicht gemacht hat" (S. 68).
Eine eigene Erwartungsabfrage können die Lesenden zu allen Kritikpunkten Kitz’ bereits auf dem Klappentext vornehmen. Er stellt hier folgende Fragen:
... und anderen Irrtümern
Ähnlich schwierig sieht Kitz die allgemein vorherrschende Ablehnung des "Diensts nach Vorschrift", was er im vierten Kapitel darlegt. Engagement hat für ihn nichts mit der Qualität der Arbeit zu tun. Diese sei vielmehr von Können und Effizienz abhängig. Dazu macht er deutlich: "Wenn jemand außerhalb der Arbeitszeit arbeitet, heißt das, dass er die Arbeit während der Arbeitszeit nicht gemacht hat" (S. 68).
Eine eigene Erwartungsabfrage können die Lesenden zu allen Kritikpunkten Kitz’ bereits auf dem Klappentext vornehmen. Er stellt hier folgende Fragen:
- Machen Sie Überstunden oder gute Arbeit?
- Unterschreiben Sie einen Arbeitsvertrag, um sich zu entfalten?
- Würden Sie mit einem Piloten fliegen, für den sein Job eine Herausforderung darstellt?
- Suchen Sie in Ihrer Arbeit einen Sinn für die Gesellschaft oder den Sinn des Lebens?
- Gibt es nur "nette Teams"? Wovon leben Idioten, wenn sie nirgendwo arbeiten?
- Ist "Dienst gegen Vorschrift" das Gegenteil von "Dienst nach Vorschrift"?
- Kennen Sie leidenschaftliche Versager?
Untermauert werden seine Argumente zum einen von zahlreichen, mitunter unterhaltsamen Gedankenspielen und anekdotenhaften Fallbeispielen, wie die Geschichte eines Chefs, der mit einer Angestellten reden möchte, weil sie keine Überstunden hat - und dennoch gute Arbeit macht.
Was heißt das nun für Kulturschaffende?
Auffällig ist - und das ist von Kitz wahrscheinlich so gewollt - dass er kreative Berufe und solche im Kultursektor vollkommen außen vor lässt. Lediglich im Unterkapitel "Gestalten" geht er darauf in einem Absatz ein: "Nicht einmal in Berufen, die wir ‚kreativ’ nennen, ist das anders. Eine Fotografin mag phantasievolle Bilder im Kopf haben. Doch abliefern muss sie die Bilder, die ihrem Vorgesetzten vorschweben oder ihrer Auftraggeberin. Ihre eigenen Einfälle kann sie nach Feierabend verwirklichen, als Hobby." Dies gilt für viele freischaffende Kreative und sicher auch für Kulturschaffende in öffentlichen, hierarchischen Einrichtungen, die sich mehr Gestaltungsspielräume wünschen. Kitz macht auch ihnen klar - und das ist kein unwichtiger Hinweis - dass der Traum von der kreativen oder Kulturarbeit oft eben genau das ist, ein Traum. Eine Passion zum Beruf zu machen bedeutet stets, auch die negativen Aspekte akzeptieren zu müssen, die damit einhergehen, wenn man Geld verdienen muss und nicht mehr den freien Rahmenbedingungen eines Hobbys unterliegt. Ist man sich dessen nicht bewusst, kann schnell Frustration Einzug halten. Wenn eine Ausstellung oder ein Theaterstück bis zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig sein müssen, ist Dienst nach Vorschrift in den meisten Fällen kontraproduktiv. Es sei denn, die Arbeitsabläufe können so routiniert durchgeführt werden, dass keine Freizeit dafür geopfert werden muss. Auch hier hilft es, ehrlich damit umzugehen.
Doch solche Tätigkeiten fallen aus Kitz‘ Ziel heraus, "normalen" Berufen, bei denen man nicht sofort an Selbstverwirklichung denkt wie Sachbearbeiter*in oder Kassierer*in, mehr Wertschätzung zuteil werden zu lassen (im Vergleich mit jenen Berufen, die man aus Gründen der Selbstverwirklichung oder Weltrettung betreibt). Für Kulturschaffende, die administrativen sowie managerialen Tätigkeiten nachgehen, kann dieses Buch deshalb sehr lesenswert sein. Denn auch hier gilt: Die Mail abends um zehn ist nicht mehr wert als jene morgens um zehn, bloß weil sie außerhalb der Arbeitszeit versendet wurde. Und obwohl die Wahrnehmung oft eine andere ist, ist das Management nicht weniger wert als das Kreieren von Kunst. Zugleich macht Kitz‘ Buch klar: Nur weil man seinen Beruf liebt, muss man sich nicht für ihn aufgeben oder sich unter Wert verkaufen.
Auffällig ist - und das ist von Kitz wahrscheinlich so gewollt - dass er kreative Berufe und solche im Kultursektor vollkommen außen vor lässt. Lediglich im Unterkapitel "Gestalten" geht er darauf in einem Absatz ein: "Nicht einmal in Berufen, die wir ‚kreativ’ nennen, ist das anders. Eine Fotografin mag phantasievolle Bilder im Kopf haben. Doch abliefern muss sie die Bilder, die ihrem Vorgesetzten vorschweben oder ihrer Auftraggeberin. Ihre eigenen Einfälle kann sie nach Feierabend verwirklichen, als Hobby." Dies gilt für viele freischaffende Kreative und sicher auch für Kulturschaffende in öffentlichen, hierarchischen Einrichtungen, die sich mehr Gestaltungsspielräume wünschen. Kitz macht auch ihnen klar - und das ist kein unwichtiger Hinweis - dass der Traum von der kreativen oder Kulturarbeit oft eben genau das ist, ein Traum. Eine Passion zum Beruf zu machen bedeutet stets, auch die negativen Aspekte akzeptieren zu müssen, die damit einhergehen, wenn man Geld verdienen muss und nicht mehr den freien Rahmenbedingungen eines Hobbys unterliegt. Ist man sich dessen nicht bewusst, kann schnell Frustration Einzug halten. Wenn eine Ausstellung oder ein Theaterstück bis zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig sein müssen, ist Dienst nach Vorschrift in den meisten Fällen kontraproduktiv. Es sei denn, die Arbeitsabläufe können so routiniert durchgeführt werden, dass keine Freizeit dafür geopfert werden muss. Auch hier hilft es, ehrlich damit umzugehen.
Doch solche Tätigkeiten fallen aus Kitz‘ Ziel heraus, "normalen" Berufen, bei denen man nicht sofort an Selbstverwirklichung denkt wie Sachbearbeiter*in oder Kassierer*in, mehr Wertschätzung zuteil werden zu lassen (im Vergleich mit jenen Berufen, die man aus Gründen der Selbstverwirklichung oder Weltrettung betreibt). Für Kulturschaffende, die administrativen sowie managerialen Tätigkeiten nachgehen, kann dieses Buch deshalb sehr lesenswert sein. Denn auch hier gilt: Die Mail abends um zehn ist nicht mehr wert als jene morgens um zehn, bloß weil sie außerhalb der Arbeitszeit versendet wurde. Und obwohl die Wahrnehmung oft eine andere ist, ist das Management nicht weniger wert als das Kreieren von Kunst. Zugleich macht Kitz‘ Buch klar: Nur weil man seinen Beruf liebt, muss man sich nicht für ihn aufgeben oder sich unter Wert verkaufen.
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