10.02.2020

Buchdetails

Der digitale Kulturbetrieb: Strategien, Handlungsfelder und Best Practices des digitalen Kulturmanagements
von Lorenz Pöllmann, Clara Herrmann
Verlag: Springer Gabler
Seiten: 484
 

Buch kaufen (Affiliate Links)

Autor*in

Cindy Bleser
studierte u.a. Kunstgeschichte und Kulturmanagement in Trier, Paris und Hamburg. Sie hat in diversen Museen als freie Mitarbeiterin in der Kunstvermittlung und als Journalistin gearbeitet und liebt es, andere für neue Kulturprojekte zu begeistern. Zurzeit ist sie in der Kulturkommunikation tätig.
Buchrezension

Der digitale Kulturbetrieb

Wie alle anderen gesellschaftlichen Bereiche ist auch der Kulturbetrieb vom digitalen Wandel betroffen. Seine etablierten Organisationsprozesse und Angebote muss er daher digital transformieren. Wie diese Strategien, Handlungsfelder und Best Practices aktuell gestaltet werden und worauf sich das Kulturmanagement künftig noch ausrichten muss, zeigt der Sammelband "Der digitale Kulturbetrieb".
 
Grundlagen einer digitalen Strategie
 
Im ersten theoretischen Teil des Sammelbandes, der 2019 bei Springer Gabler erschien, geht es um Überlegungen zu den Strategien des digitalen Kulturmanagements. Die Herausgeber Lorenz Pöllmann und Clara Herrmann stellen dazu im ersten Kapitel ihrer Publikation ein Modell mit den Grundzügen einer digitalen Strategie für Kulturbetriebe vor. Das sogenannte Canvas-Modell lässt auf einen Blick fünf Themenfelder als Grundlage einer neuen Strategie erkennen: 
 
  • die Digitalisierung der Angebote, 
  • die Zielgruppen, 
  • die digitale Infrastruktur, 
  • die internen Arbeitsstrukturen sowie 
  • den Umgang mit Datenschutz.
Diese Themenfelder werden mit Hilfe von Leitfragen näher erläutert und dienen als Richtlinien für interne Workshops zur Entwicklung einer eigenen digitalen Strategie. Eine abschließende Evaluation soll Auskunft über den Erfolg der Strategie geben. Für Kulturbetriebe bietet sich das Canvas besonders an, weil es auch Betrieben mit Mitarbeitern ohne betriebswirtschaftliche Kenntnisse ermöglicht, recht einfach ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln.
 
Bei der Erstellung der digitalen Strategie geht zudem deutlich hervor, dass die Digitalisierung nicht nur einzelne Bereiche des Kulturmanagements, sondern den Kulturbetrieb als Ganzes betrifft. Eine neue digitale Strategie ermöglicht idealerweise eine Inventur des gesamten Kulturbetriebes.
 
Handlungsfelder digitaler Innovation
 
Der zweite Teil der Publikation geht in acht detaillierten Beiträgen näher auf die verschiedenen Handlungsfelder ein, die bereits bei den Erklärungen zur digitalen Strategie angeschnitten wurden. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Digitalisierung konzentrierte sich bisher vor allem auf soziale Medien und User-generated Content. Doch in Bezug auf neue technologische Entwicklungen muss der Fokus auch auf die Bereiche Virtual und Augmented Reality sowie Künstliche Intelligenz und 3-D-Technologie ausgeweitet werden. 
 
Holger Volland stellt in seinem Beitrag zum Beispiel mögliche Anwendungsfelder für Künstliche Intelligenz im Kulturbetrieb vor. Insbesondere in der Kuratierung und der wissenschaftlichen Untersuchung von Sammlungsobjekten kommen die Erkenntnisse aus der Analyse großer Datenmengen zum Tragen. Museen etwa verfügen in der Regel über eine gute Daten-Grundlage. Zu den relevanten Daten gehören aber nicht nur die Scans und Digitalisate der Sammlungsobjekte, sondern auch die dazugehörigen Meta-Daten, also weitere Informationen wie Zustand, Material, Künstler, Herstellungsdatum und Ausstellungshistorie der einzelnen Objekte. Künstliche Intelligenz kann mit einem automatisierten Verfahren neue Erkenntnisse und Querverbindungen zwischen den Sammlungsobjekten erfassen, die zum Beispiel für die neue Zusammenstellung von Werken in Ausstellungen genutzt werden können. 
 
Der Beitrag von Rainer Glaap und Martin-Christian Heilgenberg behandelt darüber hinaus das Online-Ticketing als wichtiger Bestandteil der digitalen Strategie eines Kulturbetriebs. Immer mehr Menschen informieren sich über mobile Endgeräte über das Kulturangebot und kaufen ihre Tickets online. Dafür muss das System reibungslos und schnell funktionieren. Zudem liefert das Online-System wichtige Informationen über die Benutzer und deren Bewegungsdaten, die, einmal ausgewertet, zu neuen zielgenauen Marketingmaßnahmen beitragen können. 
 
Lorenz Pöllmann erörtert in einem weiteren Beitrag die Online-Kommunikation als virtuelle Erweiterung des Kulturbetriebs. Kulturbetriebe ziehen die Besucher aufgrund ihrer kulturellen Inhalte an, daher sollen auch ihre Kommunikationsangebote durch interessante Inhalte überzeugen und nicht nur als Absatzkanal gesehen werden. Pöllmann stellt den inhaltsorientierten Kommunikationsansatz des Content Marketing vor: Statt werblicher Informationen werden mediale Inhalte veröffentlicht, die für den Rezipienten einen direkten Nutzen haben, etwa durch Fachartikel, Tutorials und andere Formate. Museen können zum Beispiel über Tutorials die Petersburger Hängung verdeutlichen. Durch diese Expertise wird zudem die Komplexität der kulturellen Angebote in den Vordergrund gerückt, was zu einer weiteren Wertschätzung beitragen kann.
 
Des Weiteren stehen mit dem Einführen der neuen europäischen Datenschutzgrundverordnung auch Kulturbetriebe vor neuen Herausforderungen. Mandy Risch-Kerst zeigt in ihrem Beitrag, wie Kulturveranstalter diese im Umgang mit personenbezogenen Daten einhalten und datenschutzkonform handeln. Sie erklärt die wesentlichen Inhalte der DS-GVO und gibt Anweisungen für das Datenschutzmanagement im Kulturbetrieb. Eine Basis-Checkliste fasst die wichtigsten Punkte des Vorgehens zusammen.
 
Weitere Beiträge beschäftigen sich mit den Möglichkeiten des Einsatzes von Augmented Reality in der Kulturvermittlung (Jan Lässig), dem Digital Audience Development in Museen (Linda Frenzel), den veränderten Tätigkeitsfeldern und Arbeitsprozessen der Förder- und Freundeskreise (Antonia Goldin) und der wachsenden Bedeutung des digitalen Kunstgeschäfts (Sarah Fassio). 
 
Digitale Strategie des Städel Museums als ein Fallbeispiel 
 
Jede Institution bringt andere Voraussetzungen im Hinblick auf Technologien und Veränderungsmanagement mit sich. Genau so unterschiedlich sind auch die neun Best Practice-Beispiele für digitale Strategien im dritten Teil der Publikation:                                                                     
  • smart places (Dominika Szope), 
  • die digitale Strategie des Städel Museums (Chantal Eschenfelder), 
  • das virtuelle Konzerthaus Berlin (Elena Kountidou und Annette Thoma), 
  • die Digitalbühne Zürich (Samuel Schwarz und Corinne Soland), 
  • die Künstlerförderung online (Clara Herrmann), 
  • Coding da Vinci (Barbara Fischer), 
  • eine digitale Strategie für das Museum für Naturkunde Berlin (Maike Weißpflug, Susanne Schulz, Jana Hoffmann und Christiane Quaisser), 
  • das PODIUM Esslingen als Online-Kommunikationsplattform (Julian Stahl und Steven Walter) und 
  • Digitalität und Theaterbetrieb (Alexander Kerlin). 
Stellvertretend für eine gelungene Transformation kann hierbei die digitale Strategie des Städel Museums gelten. Für sein 200-jähriges Bestehen im Jahr 2015 wollte das Museum sich digital erweitern, um den Bildungsauftrag auch jenseits des physischen Standortes erfüllen zu können. Website, Social-Media-Aktivitäten und interaktive Anwendungen des Städel Museums galten zu dem Zeitpunkt deutschlandweit bereits als beispielhaft. Der digitale Wandel ist nur durch eine Transformation aller institutionellen Strukturen möglich. Es folgte die Gründung eines digitalen Kernteams, das für die Gesamtstrategie verantwortlich ist und die Umsetzung der Projekte steuert. Für jedes einzelne Projekt ist wiederum eine abteilungsübergreifende Projektgruppe verantwortlich. Zum neuen digitalen Mission Statement gehört dabei - neben der digitalen Erweiterung des Bildungsauftrags - auch das Erreichen neuer Zielgruppen, das Zugänglichmachen der Sammlung sowie die Nutzung neuer Technologien für die Kernaufgaben des Museums. 
 
Diese Strategie deckt sich mit dem Canvas-Modell der Herausgeber, dass sich auf die digitale Transformation der gesamten Institution bezieht. Die digitale Erweiterung des Museums wird exemplarisch anhand neuer digitaler Formate wie den Digitorials (Online-Module zur Vor- und Nachbereitung von ausgewählten Sonderausstellungen) oder dem Onlinekurs zur modernen Kunst gezeigt. 
 
Alles in allem verdeutlicht dieses Beispiel, dass eine digitale Erweiterung nur durch einen internen Change-Prozess zu bewältigen ist. Dazu gehört die Formulierung einer digitalen Gesamtstrategie, interdisziplinäre Projektgruppen und agiles Projektmanagement, bei dem neue Angebote ständig weiterentwickelt werden. 
 
Fazit
 
Der Sammelband zeigt, dass es nicht das eine Modell für einen digitalen Kulturbetrieb, sondern eine Vielzahl an Handlungsfeldern und Projekten gibt, bei denen die Digitalisierung zum Tragen kommt. Die Herausgeber sammeln in ihrem Band einen bisher ungekannten Fund an Wissen und Beispielen zum gelungenen digitalen Wandel im Kulturbereich. Jeder Beitrag könnte für sich ein eigenes Forschungsfeld darstellen. Die Artikel folgen einer logischen Gliederung und bieten neben einem zusammenfassenden Fazit auch immer eine ausführliche Liste mit weiterführender Literatur, die vor allem für die weitere Forschung interessant ist. Auch für Einsteiger sind alle Texte klar aufgebaut und bieten einen guten Überblick über das jeweilige Thema. 
 
Die Beiträge können darüber hinaus auch einzeln gelesen werden. Für die Verantwortlichen eines Kulturbetriebs, die gerade dabei sind, ihre digitale Strategie aufzubauen oder zu überarbeiten, sind besonders die praktischen Beispiele eine wertvolle Stütze. Wer sich beispielsweise für die Anwendung digitaler Strategien im Museumsbereich interessiert, gewinnt mit dem Beitrag zum Städel Museum zahlreiche Anregungen für die eigene Praxis. Aus den zahlreichen Beispielen geht vor allem hervor, dass eine digitale Strategie eine große Chance für Kulturbetriebe darstellt, um neue technologische Entwicklungen wie multimediales Storytelling und Virtual Reality für alle Kernaufgaben der Institution zu nutzen. 
 
Für die Betrachtung des Sammelbandes als Ganzes fehlt lediglich ein abschließendes Fazit der Herausgeber, das die unterschiedlichen Strategien zusammenfasst und einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen gibt.

Bücher rezensieren

 
Möchten auch Sie Bücher für Kultur Management Network rezensieren? In unserer Liste finden Sie alle Bücher, die wir aktuell zur Rezension anbieten:
 
Schreiben Sie uns einfach eine Mail mit Ihrem Wunschbuch an
Kommentare (0)
Zu diesem Beitrag sind noch keine Kommentare vorhanden.

Unterstützungsabos

Mit einem Unterstützungsabo unterstützen Sie die kostenfreien Inhalte unserer Redaktion mit einem festen Betrag pro Monat – also unser Magazin, unseren Podcast, die Beiträge und die Informationen zu Büchern, Veranstaltungen oder Studiengängen auf unserer Website. 

5€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 5€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 5,00 EUR / 1 Monat(e)*

15€-Unterstützungsabo Redaktion

25€-Unterstützungsabo Redaktion

* Alle Preise sind inkl. der gesetzl. Mehrwertsteuer, zzgl. evtl. anfallenden Gebühren
Cookie-Einstellungen
Wir setzen auf unserer Website Cookies ein. Einige von ihnen sind notwendig (z.B. für den Stellenmarkt), während andere uns helfen, unsere Angebote (Redaktion, Magazin) zu verbessern und wirtschaftlich zu betreiben. Einige Angebote können nur genutzt werden, wenn Cookies gesetzt wurden.
Sie können die nicht notwendigen Cookies akzeptieren oder per Klick auf die graue Schaltfläche ablehnen. Nähere Hinweise erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Ich akzeptiere
nur notwendige Cookies akzeptieren
Impressum/Kontakt | AGB