Buchrezension
Entscheiden im Kulturbetrieb. Integriertes Kunst- und Kulturmanagement
Ein Buch von Dr. Martin Tröndle
Um was es geht :
"Alles was in einer Organisation passiert, muss entschieden werden. Es muss entschieden werden, was als Nächstes zu tun ist, und wie" (S. 28).
Vordergründig scheint diese Aussage Allgemeingut, bei näherem Hinsehen bringt sie jedoch tief greifende Implikationen mit sich. Die Erste lautet: jede Kulturorganisation ist nur so gut wie ihre Entscheidungen, die Zweite: die Kulturorganisation ist nur durch Entscheidungen zu dem geworden, was sie ist, und sie reproduziert sich durch Entscheidungen. Der Schlüsselfunktion Entscheiden ist also nicht genug Aufmerksamkeit zuzumessen. Auf diesem Gedanken entfaltet der Autor die Argumentation folgendermaßen:
a) Zunächst wird das Entscheidungsverhalten in Kulturorganisationen analysiert;
b) darauf aufbauend entwickelt er ein kulturbetriebsspezifischen Entscheidungsinstrument; und
c) diskutiert anschließend Fragen zur Umsetzung getroffener Entscheidungen im Spannungsfeld zwischen Veränderung und Beharrung.
Im Detail:
Wie kommen Entscheidungen zustande, und wie deren Prämissen? Und: Was ist das Spezifische an Entscheidungen in Kulturorganisationen? Von diesen Fragen ausgehend analysiert Martin Tröndle in Kapitel 2 zunächst aus organisationssoziologischer und systemtheoretischer Perspektive wie Entscheidungen in Kulturbetrieben zustande kommen und welche Rolle die Organisationskultur, die Organisationsgeschichte und Emotionen bei der Entscheidungsfindung spielen. Denn will man verstehen was in einem Museum, Theater oder in einem Festival hinter den vorgeschobenen Kulissen von Zielen, Aufgaben und Zwängen wirklich vor sich geht, muss man die jeweilige "Entscheidungslogik" freilegen. Dazu gilt es den Taktiken der Akteure und deren Zusammenspiel im organisatorischen Kontext auf den Grund zu gehen. Kapiteltitel sind beispielsweise: "Die Verfestigung der Organisation beim Reden", "Die Aufladung von Situationen", "Die Evolution der Organisation", "Was von Ihnen erwartet wird", "Der kleine Unterschied: Organisation und Kulturorganisation", "Die Kultur des Kulturmanagements" und "Die gefühlte Entscheidung". Diese kleine Soziologie der Kulturorganisation ist gelungen und das entwickelte systemtheoretische Denken wird immer wieder durch Beispiele anschaulich gemacht. Beim Lesen stellt man sich die eine oder andere Frage zur eigenen Kulturorganisation und kommt auch mal ins Grübeln, lässt man vergangene Entscheidungssituationen Revue passieren.
Laut Autor hat es das Fach Kulturmanagement/Kulturvermittlung bisher nicht geschafft, eigenständige kulturspezifische Instrumente zu entwickeln. Die zumeist betriebswirtschaftlichen Instrumentarien, die auf Messbarkeit abheben, können im Kulturbetrieb nur selten Anwendung finden, da hier nicht nur ökonomische, sondern auch ästhetische, kulturelle, vermittelnde, soziologische etc. Faktoren in die Entscheidungsfindung mit einfließen müssen. Zudem muss seiner Meinung nach die Monodisziplinarität im Kulturmanagement überwunden werden: "Paradoxerweise stellt man ... gerade im alltäglichen Handeln in Kulturorganisationen schnell fest, dass die bisherigen, auf Teilgebiete eingeschränkten, analytischen, rezeptologischen Vorgehensweisen im Kulturmanagement den Phänomenen der Praxis nicht gerecht werden. Die zu bearbeitenden Probleme halten sich meist nicht an die Grenzen der Disziplinen" (S. 15). Sein Konzept zur Entscheidungsfindung geht daher disziplinenübergreifend vor; dabei werden auch die für den Kulturbetrieb zentralen, 'weichen' Faktoren integriert.
Wird Eingangs (Kapitel 2) vor allem auf kultur- und sozialwissenschaftlich geprägte Organisationstheorien (bspw. Niklas Luhmann, Karl Weick, Dirk Baecker) zurück gegriffen, so schafft der Autor es im dritten Kapitel, diese entscheidungstheoretischen Ausführungen praxisorientiert umzusetzen, ohne den anspruchsvollen methodischen Weg verlassen zu müssen: Diese gelungene stringente Verknüpfung von Theorie und Praxis hin zu einem integrierten Entscheidungsinstrument gebührt Anerkennung und macht die Publikation auch für die allgemeine Managementlehre interessant. Denn Martin Tröndle entwickelt hier ein einfach zu handhabendes Instrument, das die unausgesprochenen Prämissen bei Entscheidungen offen legt und gleichzeitig eine multidisziplinäre, ganzheitliche Sichtweise auf Problemstellungen ermöglicht.
In den folgenden Kapiteln (4-7) wird das Konzept Integriertes Kunst- und Kulturmanagement dann ausführlich an Beispielen verdeutlicht und an einem Fallbeispiel stringent durchgespielt. Dabei werden Fragen zum angebotenen Kulturprodukt und dessen Präsentation diskutiert und Entscheidungen visualisiert (bspw. zum Programm, zur Konzeption, zur Vermittlung, zur Inszenierung etc.). Besonderen Raum nimmt dabei das Kapitel 7 "Entscheidungen zur Organisation" ein, in dem für das Kulturmanagement vielfältige neue Ideen und Umsetzungsmöglichkeiten zur Organisationsgestaltung von Kulturorganisationen vorgestellt werden (Themen sind: temporäre Organisationsmodelle, strategischer Partnerschaften, Wissens- und Informationsmanagement, team building und Führung etc.).
Kapitel 8 fügt anschließend die verschiedenen gewonnen Erkenntnisse zur integrierenden "Gesamtschau" zusammen. Dabei werden auch ethische Aspekte kulturmanagerialer Entscheidungen sowie die wichtige Frage der Umsetzung und Implementierung von getroffenen Entscheidungen diskutiert.
In Kapitel 9 wird das Vorgehen praxisorientiert zusammengefasst; die Anwendbarkeit des Vorgehens zur Entscheidungsfindung, wird durch verschiedene Folien zum Herauskopieren und zahlreiche Fragen zur eigenen Organisation unterstützt.
Fazit:
Das vorliegende Konzept ermöglicht ein disziplinenübergreifendes, analysierendes und integrierendes Vorgehen bei der Entscheidungsfindung das auch nicht messbare ästhetische, kulturelle und soziale Größen konzeptionalisiert: das ist neu. Damit bietet die Publikation eine echte Alternative zu bestehenden (monodisziplinären) Ansätzen im Kulturmanagement. Das Konzept eröffnet eine praxisnahe Perspektive auf das eigene Handeln und ermöglicht Lernfähigkeit. Der originäre entscheidungsorientierte Ansatz darf als Meilenstein in der Literatur des Kulturmanagements/der Kulturvermittlung bezeichnet werden. Durch die wissenschaftliche Fundierung und die geglückte Verbindung von Theorie und Praxis hebt sich die Publikation wohltuend vom Mainstream ab. Positiv fällt ebenfalls die hochwertige Produktion der Publikation und die durchgehende gelungene grafische Konzeption mit zahlreichen Abbildungen auf: Ein hervorragendes Buch für all diejenigen im Kulturbetrieb, die etwas zu entscheiden haben.
"Alles was in einer Organisation passiert, muss entschieden werden. Es muss entschieden werden, was als Nächstes zu tun ist, und wie" (S. 28).
Vordergründig scheint diese Aussage Allgemeingut, bei näherem Hinsehen bringt sie jedoch tief greifende Implikationen mit sich. Die Erste lautet: jede Kulturorganisation ist nur so gut wie ihre Entscheidungen, die Zweite: die Kulturorganisation ist nur durch Entscheidungen zu dem geworden, was sie ist, und sie reproduziert sich durch Entscheidungen. Der Schlüsselfunktion Entscheiden ist also nicht genug Aufmerksamkeit zuzumessen. Auf diesem Gedanken entfaltet der Autor die Argumentation folgendermaßen:
a) Zunächst wird das Entscheidungsverhalten in Kulturorganisationen analysiert;
b) darauf aufbauend entwickelt er ein kulturbetriebsspezifischen Entscheidungsinstrument; und
c) diskutiert anschließend Fragen zur Umsetzung getroffener Entscheidungen im Spannungsfeld zwischen Veränderung und Beharrung.
Im Detail:
Wie kommen Entscheidungen zustande, und wie deren Prämissen? Und: Was ist das Spezifische an Entscheidungen in Kulturorganisationen? Von diesen Fragen ausgehend analysiert Martin Tröndle in Kapitel 2 zunächst aus organisationssoziologischer und systemtheoretischer Perspektive wie Entscheidungen in Kulturbetrieben zustande kommen und welche Rolle die Organisationskultur, die Organisationsgeschichte und Emotionen bei der Entscheidungsfindung spielen. Denn will man verstehen was in einem Museum, Theater oder in einem Festival hinter den vorgeschobenen Kulissen von Zielen, Aufgaben und Zwängen wirklich vor sich geht, muss man die jeweilige "Entscheidungslogik" freilegen. Dazu gilt es den Taktiken der Akteure und deren Zusammenspiel im organisatorischen Kontext auf den Grund zu gehen. Kapiteltitel sind beispielsweise: "Die Verfestigung der Organisation beim Reden", "Die Aufladung von Situationen", "Die Evolution der Organisation", "Was von Ihnen erwartet wird", "Der kleine Unterschied: Organisation und Kulturorganisation", "Die Kultur des Kulturmanagements" und "Die gefühlte Entscheidung". Diese kleine Soziologie der Kulturorganisation ist gelungen und das entwickelte systemtheoretische Denken wird immer wieder durch Beispiele anschaulich gemacht. Beim Lesen stellt man sich die eine oder andere Frage zur eigenen Kulturorganisation und kommt auch mal ins Grübeln, lässt man vergangene Entscheidungssituationen Revue passieren.
Laut Autor hat es das Fach Kulturmanagement/Kulturvermittlung bisher nicht geschafft, eigenständige kulturspezifische Instrumente zu entwickeln. Die zumeist betriebswirtschaftlichen Instrumentarien, die auf Messbarkeit abheben, können im Kulturbetrieb nur selten Anwendung finden, da hier nicht nur ökonomische, sondern auch ästhetische, kulturelle, vermittelnde, soziologische etc. Faktoren in die Entscheidungsfindung mit einfließen müssen. Zudem muss seiner Meinung nach die Monodisziplinarität im Kulturmanagement überwunden werden: "Paradoxerweise stellt man ... gerade im alltäglichen Handeln in Kulturorganisationen schnell fest, dass die bisherigen, auf Teilgebiete eingeschränkten, analytischen, rezeptologischen Vorgehensweisen im Kulturmanagement den Phänomenen der Praxis nicht gerecht werden. Die zu bearbeitenden Probleme halten sich meist nicht an die Grenzen der Disziplinen" (S. 15). Sein Konzept zur Entscheidungsfindung geht daher disziplinenübergreifend vor; dabei werden auch die für den Kulturbetrieb zentralen, 'weichen' Faktoren integriert.
Wird Eingangs (Kapitel 2) vor allem auf kultur- und sozialwissenschaftlich geprägte Organisationstheorien (bspw. Niklas Luhmann, Karl Weick, Dirk Baecker) zurück gegriffen, so schafft der Autor es im dritten Kapitel, diese entscheidungstheoretischen Ausführungen praxisorientiert umzusetzen, ohne den anspruchsvollen methodischen Weg verlassen zu müssen: Diese gelungene stringente Verknüpfung von Theorie und Praxis hin zu einem integrierten Entscheidungsinstrument gebührt Anerkennung und macht die Publikation auch für die allgemeine Managementlehre interessant. Denn Martin Tröndle entwickelt hier ein einfach zu handhabendes Instrument, das die unausgesprochenen Prämissen bei Entscheidungen offen legt und gleichzeitig eine multidisziplinäre, ganzheitliche Sichtweise auf Problemstellungen ermöglicht.
In den folgenden Kapiteln (4-7) wird das Konzept Integriertes Kunst- und Kulturmanagement dann ausführlich an Beispielen verdeutlicht und an einem Fallbeispiel stringent durchgespielt. Dabei werden Fragen zum angebotenen Kulturprodukt und dessen Präsentation diskutiert und Entscheidungen visualisiert (bspw. zum Programm, zur Konzeption, zur Vermittlung, zur Inszenierung etc.). Besonderen Raum nimmt dabei das Kapitel 7 "Entscheidungen zur Organisation" ein, in dem für das Kulturmanagement vielfältige neue Ideen und Umsetzungsmöglichkeiten zur Organisationsgestaltung von Kulturorganisationen vorgestellt werden (Themen sind: temporäre Organisationsmodelle, strategischer Partnerschaften, Wissens- und Informationsmanagement, team building und Führung etc.).
Kapitel 8 fügt anschließend die verschiedenen gewonnen Erkenntnisse zur integrierenden "Gesamtschau" zusammen. Dabei werden auch ethische Aspekte kulturmanagerialer Entscheidungen sowie die wichtige Frage der Umsetzung und Implementierung von getroffenen Entscheidungen diskutiert.
In Kapitel 9 wird das Vorgehen praxisorientiert zusammengefasst; die Anwendbarkeit des Vorgehens zur Entscheidungsfindung, wird durch verschiedene Folien zum Herauskopieren und zahlreiche Fragen zur eigenen Organisation unterstützt.
Fazit:
Das vorliegende Konzept ermöglicht ein disziplinenübergreifendes, analysierendes und integrierendes Vorgehen bei der Entscheidungsfindung das auch nicht messbare ästhetische, kulturelle und soziale Größen konzeptionalisiert: das ist neu. Damit bietet die Publikation eine echte Alternative zu bestehenden (monodisziplinären) Ansätzen im Kulturmanagement. Das Konzept eröffnet eine praxisnahe Perspektive auf das eigene Handeln und ermöglicht Lernfähigkeit. Der originäre entscheidungsorientierte Ansatz darf als Meilenstein in der Literatur des Kulturmanagements/der Kulturvermittlung bezeichnet werden. Durch die wissenschaftliche Fundierung und die geglückte Verbindung von Theorie und Praxis hebt sich die Publikation wohltuend vom Mainstream ab. Positiv fällt ebenfalls die hochwertige Produktion der Publikation und die durchgehende gelungene grafische Konzeption mit zahlreichen Abbildungen auf: Ein hervorragendes Buch für all diejenigen im Kulturbetrieb, die etwas zu entscheiden haben.
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